Leeres Haus in der Maxvorstadt: "Auf keinen Fall zulassen, dass diese Art von Protest Erfolg hat"
Maxvorstadt - Zumindest ein paar Tage sollten das Essen und das Wasser reichen, das Ben mit vier anderen in einer Nacht im September 2021 durch ein kaputtes Fenster im Hinterhof an der Karlstraße 20 hievte. Sie schleppten alles hoch in den dritten und vierten Stock. Dort warteten sie auf den nächsten Tag, an dem sie Pyrotechnik zünden und Banner aus den Fenstern halten würden.
"Block IAA" stand darauf, also: "Blockiert die IAA", die große Autoshow, die damals auf Münchens historischen Plätzen haushohe Messestände aufgebaut hatte. Dagegen wollten die vier Aktivisten protestieren – und dafür wählten sie dieses Gebäude an der Karlstraße 20 in der Maxvorstadt, nicht weit weg vom Königs- und Odeonsplatz. Ein Journalist begleitete die Aktion.

Maxvorstadt: Seit 2018 stehen beide Häuser an der Karlstraße leer
Besitzer dieses fast 200 Jahre alten Hauses ist der Freistaat. Früher feilten hier Nationalsozialisten an ihrer Propaganda-Strategie, später arbeiteten hier Steuerbeamte, noch später zogen um die 300 Geflüchtete ein. Doch seit 2018 steht das Gebäude an der Karlstraße 20 und sein Nachbar mit der Hausnummer 22 leer. In dieser Nacht sieht er keine Schreibtische, keine Betten, keine Schränke, bloß leere Räume, erzählt Ben. "Heruntergekommen war es nicht." Der ein oder andere Wasserhahn habe noch funktioniert.
Eigentlich heißt Ben anders. Seinen richtigen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. Denn damals im September 2021 ist doch alles viel schneller vorbei, als er erwartet hätte. Etwa eine Stunde, nachdem sich die Aktivisten an den Fenstern zeigten, nachdem ihnen Demonstranten unten auf der Straße zujubeln, räumt die Polizei das Gebäude. Nicht die Truppe, die bei einem Verkehrsunfall zu Hilfe kommt, sondern die in den schwarzen Anzügen, mit den Helmen, den Schlagstöcken. Mit den Händen auf dem Rücken wurden die Aktivisten damals aus dem Haus geführt.
An diesem Tag zeigt der Freistaat, dass er schnell sein kann, wenn er möchte. Und an der Karlstraße zeigt er auch, wie lange es dauern kann, wenn er es nicht will. Denn die zwei Häuser an der Karlstraße, eines mit grüner und eines mit gelber Fassade, stehen noch immer leer.

Karlstraße in München: Aktivisten hatten Pläne für neue Gebäudenutzung
Die Fenster sind mit Sperrholzplatten verschlossen. Auf die ein oder andere hat jemand etwas drauf gesprüht – "Free Lina" steht da zum Beispiel. Die Antifaschistin wurde heuer verurteilt, weil sie mit anderen Jagd auf Rechtsextreme gemacht hatte.
Doch verglichen mit leeren Häusern in Berlin oder Leipzig sehen die Gebäude immer noch so aus, als könnten Beamte von dort Steuerbescheide verschicken.

"Schade", sagt Ben. "In den zwei Jahren hätte man mehr machen können." Einen Plan hatte seine Gruppe, die zum Bündnis #NofutureIaa gehört, schon. Zuerst sollte es Workshops, Vorträge und Konzerte geben. Später sollte das Haus ein selbstverwaltetes Jugendzentrum werden, sagt Ben. "Aber der Freistaat wollte es eben auf keinen Fall zulassen, dass diese Art von Protest Erfolg hat."
Doch auch einen weniger rabiaten Vorstoß lehnte der Freistaat ab. Anfang dieses Jahres beantragte der Bezirksausschuss Maxvorstadt, dass die Räume übergangsweise Künstlern zur Verfügung gestellt werden sollen, erzählt BA-Chefin Svenja Jarchow. Ohne Erfolg.
Freistaat Bayern plant in der Karlstraße Wohnungen für Staatsbedienstete
Jarchow ist außerdem Vorsitzende der Münchner Grünen und weiß, dass die beiden Häuser länger leerstehen als seit 2018 – das Jahr, das das bayerische Bauministerium nennt, wenn man nach dem Leerstand in der Karlstraße fragt.
2016 zogen dort Geflüchtete ein. Zwei Jahre später wurde das Gebäude wegen eines Wasserschadens geräumt. "Aber davor stand es auch schon jahrelang leer", sagt Jarchow. Wie lange genau, kann sie nicht sagen. Aber in alten Zeitungsartikeln lässt sich lesen, dass der Leerstand bestimmt seit 2008 dauert – also seit 15 Jahren. Inzwischen hat der Freistaat für die zwei Häuser einen Plan. Rund 28 Wohnungen für Staatsbedienstete sollen dort laut Bauministerium entstehen.
Aktivisten planen erneute IAA-Proteste
Bis 2025 solle die Maßnahme abgeschlossen sein. Baulich und haustechnisch seien die Gebäude "nicht mehr nutzbar" gewesen, eine Zwischennutzung war deshalb nicht möglich, heißt es in der Antwort aus dem Ministerium außerdem.

Ben und die anderen wurden für die Besetzung verurteilt. Er habe eine Geldstrafe von etwa 400 Euro zahlen müssen, sagt Ben. Die anderen, auch den Journalisten, verurteilte das Gericht zu einer Bewährungsstrafe.
Wenn sie sich ein Jahr lang nichts zu Schulden kommen lassen, entgehen sie der Geldstrafe. Inzwischen ist dieses Jahr abgelaufen. Abgeschreckt ist Ben allerdings nicht. Seine Gruppe, zu der Antifaschisten und Klimaaktivisten gehören, plane für die IAA diesen Herbst wieder Protest.
IAA findet erneut in der Münchner Innenstadt statt
Ob sie noch mal die Karlstraße 20 besetzen wollen, will Ben nicht verraten. Ihre Kritik bleibt aber die gleiche. Denn auch in diesem Jahr wird die IAA nicht nur auf dem Messegelände, sondern auch in der Innenstadt für Autos werben.
Es werde deshalb wieder eine große Demo, wieder zivilen Ungehorsam geben, kündigt Ben an. "Wir werden die IAA in ihrem Ablauf stören."
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