Lebensgefährliche Wette bei Thomas Gottschalk
MÜNCHEN - Thomas Gottschalk gastiert mit "Wetten, dass?" in der Münchner Olympiahalle. Eine große Show mit Iris Berben, Mario Barth, Franck Ribéry und Take That. Doch viele Erwartungen werden enttäuscht - die AZ war dabei und hat einen Blick hinter die Kulissen geworfen.
Iris Berben reißt die Augen auf, hat endgültig die panierten Stierhoden vergessen, die Alfons Schuhbeck ihr kredenzte. Auch Sohn Oliver krallt in der ersten Reihe die Hand seiner Freundin, Edmund Stoiber reckt sich vor, Ehefrau Karin schlägt die Hand vor den Mund. Nach zwei Stunden „Wetten, dass?“ aus der Münchner Olympiahalle beendet Wett-Kandidat Danjiel Peric die zähe Promi-Wette-Musik-Abfolge. Und das nur mit seinem Waschbrettbauch.
Mehrere Pkw sollen darüber rollen, der Hamburger trällert dazu „O sole mio“. Bereits das erste Auto quetscht aus Peric einen qualvollen Ton zwischen Stöhnen, Schrei und Schmerz. Münchens zweite Bürgermeisterin Christine Strobl dreht den Kopf weg. Auch Gottschalk hat Mühe, ruhig die Autos zu zählen. „Das ging mir nahe“, sagt er, als Peric die Wette gewonnen hat, holt die Mutter des 26-Jährigen auf die Bühne. Die fällt ihrem Sohn um den Hals. Er habe ihr die Wette nicht verraten, sagt sie. Und: „Thommy, du hast das erlaubt?“
Eine Wette mit Bratpfannen - da schalteten viele Zuschauer weg
Die Wette macht Peric zum Gewinner und ist Gottschalks Lichtblick im Quotentief – nur 9,23 Millionen Zuschauer sahen zu, ein Negativrekord. Männer, die Bratpfannen aufrollen, die Reifen auf Felgen ziehen und Kinder, die ihre Mitschüler dran erkennen, wie eine Plastikflasche auf ihrem Kopf klingt – da schalteten viele ab. Die spektakulärste Wette sahen sie nicht mehr.
Besser für die Kinder hält das der Münchner Unfallchirurg Markus Neumaier. Perics Wette sei lebensbedrohlich. „Milz, Leber oder die Eingeweide können reißen“, sagt Neumaier. „Die inneren Blutungen sind gefährlich.“
Die Sanitäter des Deutschen Roten Kreuz im Saal sehen das gelassener, schreiben SMS. Schließlich hat Peric die Wette vier Mal geprobt, nie ist etwas passiert. Sie behalten lieber die Take-That-Fans in Reihe drei im Auge. Vor ein paar Jahren sind die beim Anblick der Band noch in Ohnmacht gefallen. Heute halten sie Plakate, schunkeln sanft.
Ausgelassener geben sich Kathi, Karin, Anita und Melanie. „Thommy, bitte hol uns auf die Couch“, haben die 26-Jährigen auf zusammengeklebte Kartons gemalt. „Des is unser Kindheitstraum“, sagt Melanie. „Obwohl ich sehr aufgeregt wär’, wenn ich neben Luca Toni sitzen tät.“ Doch keine Chance: Luca Toni hat abgesagt.
„Schade“, sagt auch Karin Stoiber. „Der ist ja was für uns Frauen.“ Sie wartet dann eben auf Tenor Rolando Villazón. Oder gleich auf Thommy, wie ihr Ehemann Edmund. „Den kenn ich lange. Sogar bei einer Grundsatzkommission der CSU hat Thomas mal teilgenommen.“ Vielleicht schauen die Stoibers deshalb gerne „Wetten, dass?“, „immer mit Fernsehpicknick“, sagt Karin.
Kein Wunder, dass Gottschalk beim Warm-up vor dem Livestart den Stoibers die Hände drückt. „Können Sie sich erinnern, als wir beide über 50 Prozent hatten, mei...“, sagt er. Am Ende des Abends wird „Wetten, dass?“ auf 30 Prozent gesackt sein.
"Hymne, Hymne, Sie klatschen, ich schaue wie Peter Alexander"
„Das läuft jetzt so“, erklärt Gottschalk zwischen Händeschütteln, Späßen und Schäkern: „Hymne, Hymne, dann ich, Sie klatschen, mein Peter-Alexander-Blick: ,öh, die klatschen noch’, und dann darf’s langsam leiser werden.“
Drei, zwei, eins – während im TV die Gäste angekündigt werden, hüpft Gottschalk aus der Kulisse, hebt die Hände, der Beifall braust, sein Daumen zuckt nach oben, zurück hinter die Kulisse, Faustballen, ein kleiner Schrei – „Guten Abend, München!“
Es ist surreal. Keine Nervosität beim ZDF-Team, keine Hektik, kein Rennen und Schieben, die Kameralichter leuchten im Wechsel.
Pannen beflügeln Gottschalk
„Ich bin jedes Mal aufgeregt, obwohl wir ein routiniertes Team sind“, sagt Regisseur Frank Hof. Seit sieben Jahren leitet er „Wetten, dass?“. „Aber das Herz ist mir nie stehengeblieben. Thomas beflügeln Pannen, Spontanität ist seine Stärke.“
Die beweist Gottschalk auch in München: Eine Sichtwand verheddert sich zwischen Kabeln. Lautlose Kraftausdrücke entweichen den Technikern. Die Aufnahmeleiterin wedelt hektisch mit dem Clipboard zu Gottschalk, der verlängert seine Moderation, das Kabel rutscht, die Wand gleitet – Panne verhindert.
Nur einmal kommt Gottschalk an diesem Abend das Team in die Quere. Fans dürfen zu Take That auf die Bühne, doch die Sicherheitsmänner blockieren die Aufgänge. „Lasst sie doch durch“, sagt Gottschalk.
Ein Glück, das den Buben im Saal nicht vergönnt ist. Sie warten auf Bayern-Spieler Franck Ribéry, der direkt aus der Allianzarena her eilt. Als er die Treppe runterkommt, rutschen die Buben auf die Kante des Sitzes, die Augen wach, den Fotoapparat in der Hand – doch das Knipsen vergessen sie vor Aufregung.
Und dann das: Ribéry nimmt auf dem Sofa Platz, der Kamerakran schiebt sich vor das Publikum, dazu eine Wand aus Technikern und Assistenten. „Ich seh nix“, entfährt es einem Buben. Genau das dürfte auch die Prominenz in den ersten Reihe denken. Nichts mit individueller Sicht. Gunter Sachs gähnt, Oliver Berben turtelt, Karin Stoiber reckt den Hals.
Das Putzteam sagt dem Glitter den Kampf an
Selbst Thea Gottschalk kann keinen Augenkontakt zu Thommy herstellen, als er während eines Musik-Acts gepudert, gekämmt und enthaart wird, seine Kärtchen neu sortiert.
Während er den Wettkönig präsentiert, den Mann mit dem Waschbrettbauch, fegt ein sechsköpfiges Putzteam den Glitter zusammen, die ersten Zuschauer hasten zum Ausgang, die Blumen für die Damen liegen bereit, Beifall, Hinweis auf die nächste Sendung – und Gottschalk drängt sich an der Band Mando Diao in die Kulisse.
Regisseur Frank Hof kann aufatmen: Keine Pannen. Aber auch keine Überraschungen.
Anne Kathrin Koophamel