"Lebensgefährlich": Stolperfalle Stachus

Rutschgefahr bei Nässe im Einkaufszentrum am Karlsplatz: Eine 67-jährige Rentnerin stürzt und verletzt sich. „Es ist so glatt wie eine Eisbahn“, klagt sie
Thomas Gautier |
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Stachus-Untergeschoss: An dieser Stelle rutscht AZ-Leserin Barbara Lempe aus. Foto: Gregor Feindt
5 Stachus-Untergeschoss: An dieser Stelle rutscht AZ-Leserin Barbara Lempe aus. Foto: Gregor Feindt
Hier droht Gefahr für Passanten: In den kleinen Unebenheiten neben den Fugen bilden sich Pfützen.
Feindt 5 Hier droht Gefahr für Passanten: In den kleinen Unebenheiten neben den Fugen bilden sich Pfützen.
Jetzt ist alles hell und modern – nur die Risse stören das Bild.
Zimmermann 5 Jetzt ist alles hell und modern – nur die Risse stören das Bild.
Jetzt ist alles hell und modern – nur die Risse stören das Bild.
Zimmermann 5 Jetzt ist alles hell und modern – nur die Risse stören das Bild.
„Passiert hier ständig“, sagt Verkäuferin Marion Stiastny.
Feindt 5 „Passiert hier ständig“, sagt Verkäuferin Marion Stiastny.

Rutschgefahr bei Nässe im Einkaufszentrum am Karlsplatz: Eine 67-jährige Rentnerin stürzt und verletzt sich. „Es ist so glatt wie eine Eisbahn“, klagt sie

MÜNCHEN - Auf einmal reißt es sie um. Barbara Lempe prallt mit Wucht auf den harten Steinboden, prellt sich das Steißbein und die Hüften, ihr Hinterkopf knallt aufs Pflaster – und verfehlt die kantige Treppenstufe nur um Haaresbreite. Eben noch im warmen Kinosaal, liegt die 67-Jährige jetzt rücklings in einer Pfütze im Stachus-Untergeschoss.

Die Rentnerin ist total benommen. Und fühlt nur Schmerzen: Satte Prellungen am Rücken, ihre Ärztin stellt später eine leichte Gehirnerschütterung fest. Es ist Barbara Lempes Geburtstag – und den hatte sie sich ganz anders vorgestellt.

Am Sonntag gegen 20 Uhr verlässt sie „ganz vergnügt“ das Atlantis-Kino mit ihrer Freundin und steigt an der Ecke Schwanthaler-/Sonnenstraße die Treppe in einen Seitenarm des Stachus-Einkaufszentrums hinab. Unten setzt sie ihren linken Fuß auf den glatten Boden, schlittert nach vorne und fällt auf den Rücken. „Da war eine richtige Pfütze“, sagt sie, „es war so glatt – wie eine Eisbahn.“

Ihre Freundin und drei Passanten helfen ihr hoch, Barbara Lempe fährt mit einem Taxi nach Hause. Die nächsten drei Tage bleibt sie im Bett und nimmt Medikamente gegen die Schmerzen.
Die Rentnerin wirkt noch leicht geschockt, als sie mit der AZ die Stelle erneut besucht. Lempe zeigt auf die Treppenstufe und sagt: „Wäre ich mit dem Kopf da draufgefallen, wäre das der Tod gewesen. Da muss man was unternehmen. Diese Stelle ist lebensgefährlich.“

Ausrutscher im Stachus – „passiert hier ständig“, sagt Marion Stiastny. Die Verkäuferin arbeitet täglich im Tabakladen in der Schwanthalerpassage, etwa 50 Meter vom Treppenaufgang entfernt. Neben ihrem Geschäft ist auch der Aufgang zu den Trambahnen. „Wenn es stark regnet, schwappt das Wasser vor bis zum Supermarkt gegenüber“, sagt Stiastny. „Wir haben schon gewitzelt, wir kommen in Zukunft mit dem Schlauchboot.“ Weniger lustig: Bei der Geschäftseröffnung rutschte ihre Kollegin aus und fiel „voll auf den Ellenbogen. Sie hat heute noch Schmerzen.“

Stiastny ist sicher: Daran ist der Boden schuld. „Er ist viel zu glatt! Schon mit nassen Schuhen ist es gefährlich. Wenn wir zur Arbeit gehen, laufen wir wie auf rohen Eiern – und das ist nicht nur an den Ausgängen so.“

Stiastnys Nachbarin Susann Ungerer ist der gleichen Meinung: „Der Boden ist einfach zu rutschig“, sagt die Verkäuferin im Teeladen „Tea and More“. „Bei Regen ist es furchtbar.“ Andere Geschäftsinhaber, die nicht genannt werden wollen, berichten, dass der Notarzt öfter in die Passage gerufen wird – um Rutschopfer zu behandeln.

Das Management des Stachus-Einkaufszentrums hat das Problem erkannt. „Der Boden wurde vom Tüv abgenommen und entspricht auch sonst den Richtlinien“, sagt Centermanagerin Inge Vogt. „Im Betrieb hat sich aber gezeigt, dass zu viel Nässe aus den Abgängen kommt. Vielleicht hat man das anfangs unterschätzt.“

Deshalb werde das Management „in den nächsten Tagen“ Anti-Rutsch-Streifen vor den Treppen verlegen lassen. Außerdem überlege man sich, die Wasserauffanggitter an diesen „neuralgischen Stellen“ zu vergrößern.

Und der Rest? „Aus unseren Beobachtungen ist es nur an den Ausgängen so schlimm“, sagt Vogt. Einen weniger glatten Boden im gesamten Einkaufszentrum zu verlegen, sei nicht geplant.

 


Wann verschwinden die hässlichen Risse?

Helle, freundliche Atmosphäre, schicker Retro-Look: Eigentlich sind die Stachus-Passagen ein Beispiel für ein rundum gelungenes Bauprojekt mitten in München. Eigentlich. Wäre da nicht die Sachen mit den Rissen. „Gehört das so?“ – das fragen sich nicht nur Münchner angesichts des kaputten und hässlichen Bodenbelags, der das Gesamtbild stört. Und das bereits seit drei Jahren!

Die Chronologie einer ästhetischen Katastrophe:

November 2009: Im frisch gegossenen Terraplan-Boden in der C-Passage unter den Tramhaltestellen in der Sonnenstraße entstehen hunderte „Schwundrisse“. Der Belag war zu schnell getrocknet, auf einmal sieht der glatte, cremeweiße Boden aus wie Marmor. Der Bauherr, die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), nimmt den Boden in dem Zustand nicht ab und beauftragt Gutachter.

Juli 2010: Die Risse werden versiegelt, die LBBW zeigt sich aber „noch nicht zufrieden“ – und beauftragt ein weiteres Gutachten.

Ende Mai 2011: Die Stachus-Passagen werden feierlich eröffnet. Die Risse? Sind noch da. Die LBBW verspricht: Der Makel werde in den nächsten Monaten behoben.

Heute: Nach mittlerweile sieben Gutachten hat die LBBW mehrere rissige Teile des Bodens mit unterschiedlichen Methoden versiegeln lassen und will nun im Praxistest prüfen, welche am besten ist.

Laut Centermanagerin Inge Vogt soll der Boden „Mitte 2012“ endgültig saniert werden. Dass er herausgerissen und vollständig erneuert wird, gilt als unwahrscheinlich. Die Arbeiten werden vor allem nachts stattfinden.

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