Leben in München immer teurer: Was pro Monat übrig bleibt

Das Leben in München wird immer teurer. Wieviel brutto, wieviel netto und was bleibt nach Abzug der Fixkosten übrig? - Sechs Münchner öffneten für die AZ ihr Portemonnaie.
von  Abendzeitung
Anna Repina
Anna Repina © Ronald Zimmermann

MÜNCHEN - Das Leben in München wird immer teurer. Wieviel brutto, wieviel netto und was bleibt nach Abzug der Fixkosten übrig? - Sechs Münchner öffneten für die AZ ihr Portemonnaie.

Ja, München geht’s gut: Wenig Arbeitslose, freie Jobs, die Wirtschaft floriert. Vor den Edelboutiquen in der Maximilianstraße parken reihenweise Luxusschlitten. Nur fragen sich viele Münchner: „Bin ich der Einzige, der nie in Urlaub fahren kann, nicht jedes Wochenende in der Innenstadt shoppen gehen kann, schon wieder keine Gehaltserhöhung bekommt?“

Die neuesten Zahlen belegen: Viele Deutsche haben wenig Geld, die einst so starke Mittelschicht wird immer dünner, viele rutschen ab. Bis zum Jahr 2000 lag der Anteil der deutschen Bevölkerung, die zur Mittelschicht zählte, bei 62 Prozent. Dann sackte er ab – bis auf 54 Prozent im Jahr 2006. Das meldete das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.

Damit steigt auch die Zahl der Privatinsolvenzen: „Allein in München gibt es 55000 überschuldete Haushalte“, sagt Erika Schilz von der Münchner Schuldner- und Insolvenzberatung. Die AZ wollte es nun ganz genau wissen und bat sechs Münchner zum Kassensturz.

Jens Lenders, Altenpfleger

1900 € brutto
1500 € netto
830 € Ausgaben
bleiben: 670 €
"Wenn ich sechs Nächte im Monat gearbeitet habe, bekomme ich 1500 Euro netto“, sagt Altenpfleger Jens Lenders (26). Auf was verzichtet er, um sich ein wenig Luxus leisten zu können? „Ich akzeptiere eine unerträgliche Wohnsituation.“

Er lebt in einem 18 qm-Zimmer. Mit zwei Studenten teilt er sich eine Wohnung an der Landshuter Allee. Das Autorauschen hört nie auf. Dafür ist das Zimmer günstig: Lenders zahlt nur 200 Euro Miete. Noch einmal so viel bezahlt er in einen Sparvertrag ein, damit er sich irgendwann eine eigene Wohnung leisten kann.

Für MVV und Telefon gehen 100 Euro weg. Einen Bausparvertrag füttert er mit 25 Euro. Essen schlägt mit 300 Euro zu Buche. Am Schluss bleiben 670 Euro.< „Bei meinem Hardcore-Job als Altenpfleger will ich mir was gönnen können.“

Christa Maier, Rentnerin

992 € Rente inkl. Grundsicherung
742 € Ausgaben
bleiben: 250 €
Gut 43 Jahre lang hat Christa Maier den Rücken krumm gemacht und geschuftet. Heute ist die Münchnerin 63 Jahre alt: 788 Euro Rente bekommt die ehemalige Bedienung, dazu 132 Euro Grundsicherung und 72 Euro Betriebsrente. Macht 992 Euro.

Davon gehen 592 Euro Warmmiete für die Zwei-Zimmer- Wohnung im Westend ab, außerdem 36 Euro Strom und 40 Euro Telefon. „Mein einziger Draht nach draußen“, sagt die Rentnerin, „ich habe Arthrose, kann fast nicht mehr gehen.“ 50 Euro schluckt jedes halbe Jahr die Hausratversicherung. 250 Euro bleiben Christa Maier jeden Monat.

„Ich bin ständig auf der Suche nach Sonderangeboten“, sagt die Dame. Urlaub ist für sie ein Fremdwort, neue Kleider gönnt sie sich nie. Luxus? „Ein-, zweihundert Euro mehr im Monat. Dann könnte ich mir auch mal ein Steak leisten anstatt jeden Tag Nudeln mit Tomatensauce.“ An ihrer Lage sei sie selbst schuld. „Weil ich auch dann noch arbeiten gegangen bin, als mein Arzt mich krankschreiben wollte. „Das ist jetzt die Quittung.“

Anna Repina, Verkäuferin

1750 € brutto
1200 € netto
1130 € Ausgaben
bleiben: 70 €
Bis vor kurzem hatte Anna Repina zwei Jobs: einen bei „Zara“ an der Kasse und einen in einer Disco. Weil sie gerne anfangen möchte zu studieren, arbeitet sie nur noch im Einzelhandel – und hat seitdem ganz schön zu knapsen:

Von etwa 1600 Euro Lohn (plus ca. 150 Euro Provision) für ihren 30-Stunden-Job bleiben netto 1200 übrig. Minus 560 Euro Miete, 40 Euro für die MVV-Fahrkarte, etwa 200 Euro fürs Essen in der Mittagspause, weiteren 200 Euro für Lebensmittel und etwa 130 Euro Telefonkosten sind es rund 70 Euro, die der 28-Jährigen zum Leben bleiben.

„Das muss reichen fürs Ausgehen, fürs Kino und zum Klamotten kaufen. Außerdem versuche ich noch, meine Familie in der Ukraine zu unterstützen.“ Wenn sie krank ist, geht sie nur zum Arzt, wenn’s gar nicht anders geht. „Praxisgebühr und Medikamente sind einfach nicht drin.“

Gerne würde sie mal in den Urlaub fahren oder einfach ein bisschen mehr Geld fürs tägliche Leben haben – aber vorerst wird sich an der Finanzsituation der Uni-Absolventin (in Russland studierte sie Sprachen und Linguistik) nichts ändern. In Deutschland darf sie in „ihrem“ Bereich nicht tätig werden, ehe sie nicht ein deutsches Diplom vorweisen kann.

Bis es soweit ist, sitzt sie weiter hinter der Kasse und ärgert sich, dass am Ende des Geldes immer noch so viel Monat übrig ist.

Alfred Dietzler, selbstständiger Werkzeugmachermeister

3550 € Gewinn
2950 € Ausgaben
bleiben: 410 €
Werkzeugmachermeister Alfred Dietzler (40) macht mit seinem Betrieb im Monat 3550 Euro Gewinn. Davon zieht er ab: 1000 Euro für die Miete, 300 Euro fürs Auto und 100 Euro für das Benzin. Versicherungen kosten 100 Euro. Er zahlt 500 Euro für Krankenversicherung, 350 Euro für Altersvorsorge und 200 Euro für eine Lebensversicherung.

Der unverheiratete Mann (keine Kinder) gibt 400 Euro für Lebensmittel und 100 Euro für Kleidung aus. Telefon, Handy und Internet kosten 30 Euro, die GEZ 40 Euro, der MVV 20 Euro. Ihm bleiben 410 Euro.

Davon zahlt er 30 Euro Schwimmbadgebühren, 70 Euro für den Sportverein und 40 Euro für seine echte Leidenschaft: das Tanzen. Für Kultur gibt er 80 Euro aus. „Ich lebe gut“, gibt Alfred Dietzler zu, „ich arbeite aber auch mindestens 60 Stunden die Woche.“

Andreas Hackner, stellvertretender Küchenchef

2320 € brutto
1500 € netto
1200 € Ausgaben
bleiben: 300 €
Eigentlich ist Andreas Hackner (25) mit seinem monatlichen Gehalt zufrieden. Der stellvertretende Küchenchef eines Münchner Krankenhauses erhält für seine Dienste von der Stadt brutto 2320 Euro. Abzüglich Steuern macht das 1500 Euro netto.

„Davon kann ich gut leben“, meint Hackner. Er ist ledig und teilt sich mit einem Freund eine 50m2 große Wohnung, die zum Schwesternwohnheim gehört. Daher muss er monatlich nur 410 Euro Miete hinblättern.

Natürlich kommen auch noch andere laufende Kosten auf den jungen Koch zu: 60 Euro Handy, 40 Euro MVV und 250 Euro für Versicherungen. Rechnet Hackner nach, was er am Monatsende zur freien Verfügung übrig hat, sind das fast 300 Euro. „Ich bilde mich gerade fort, weil ich meinen Meister machen möchte – dann verdiene ich noch ein bisschen mehr!“

Andreas Maier, Azubi

305 € brutto
305 € netto
272 € Ausgaben
bleiben: 33 €
Andreas Maier ist jung. Doch der 22-Jährige hat kein Geld für Party oder Mädels. 305 Euro bekommt der Fotografen-Azubi monatlich. Da er weniger als 400 Euro verdient, muss er keine Steuern zahlen. Die 305 Euro sind sein Nettogehalt.

Ohne seine Eltern könnte er aber nicht überleben: Sein Vater schießt jeden Monat 50 Euro plus die 154 Euro Kindergeld zu – macht insgesamt 509 Euro plus. Sein Vater übernimmt auch die Miete für ein Zimmer (360 Euro), die Nebenkosten von 28 Euro zahlt Andreas – dazu kommen 50 € Autokosten und 20 € für das Handy.

Bleiben 411 Euro – „240 Euro gebe ich für Lebensmittel aus“, sagt Andreas, außerdem bezahlt er 18 Euro TV-Gebühren. und rund 120 Euro für Zigaretten. Damit bleiben ihm mickrige 33 Euro – „das reicht nicht für’s Weggehen oder für neue Kleidung“, sagt Andreas. „Eine Freundin kann ich mir auch nicht leisten.“

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