"Last Exit Europe": "Was hilft: Haltung zeigen!“

Europa zerfällt – politisch, wirtschaftlich, ideologisch. Ob es trotzdem eine Solidarität gibt, die in der Europäischen Union immerhin als Grundwert gilt, oder man wieder beschwören kann, darum ging es am Sonntag bei der Podiumsdiskussion „Last Exit Europe: Was heißt denn Europäische Solidarität?“.
Eine Reibungsfläche der Runde: Großbritannien und der geplante Austritt aus der EU – und wie das mit dem solidarischen Gedanken zusammengeht. Labour-Politikerin Gisela Stuart, geboren in Bayern, verteidigt die Entscheidung: „Sie nehmen an, dass Ihre Idee von Solidarität die einzige euopäische wäre und die britische falsch.“
Solidarität sei ohnehin keine Definitionssache, findet Basil Kerski, Präsident des Internationalen Solidarnósc-Zentrums – die polnische Gewerkschaft Solidarnósc wirkte an der politischen Wende 1989 entscheidend mit. Man sei jeden Tag herausgefordert, solidarisch zu sein, sagte er, „und es ist tragisch, dass wir dem heute in vielen Facetten dieser Gesellschaft nicht gerecht werden, zum Beispiel bei der Einwanderung. Dabei kommt die aus der Mitte unserer Kultur, wir sind ein Kontinent der permanenten Migration.“
Europa ist und war eine Vision
Ein Punkt, der die Landtagsabgeordnete Claudia Stamm (Grüne) aufmerken ließ: Sie habe Solidarität an den Grenzen Europas erlebt, „da hat Europa funktioniert, da war die Jugend vor Ort, hat sich per Social Media verabredet und die Erstversorgung von Geflüchteten übernommen.“
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Es seien aber nicht Institutionen und Strukturen gewesen, die dort halfen, sondern Privatmenschen. Sie plädiert: „Wir müssen Jugendliche wieder zu uns bringen, da muss man auch ans Wahlrecht rangehen. Die engagieren sich, aber kaum noch parteipolitisch.“
Europa ist und war eine Vision, darüber sind sich alle einig, und um den Vertrauensverlust der Europäer in diese Idee wieder zu reparieren, müsse man mit den Bürgern sprechen, forderte DGB-Chef Reiner Hoffmann: „Die Politik ist oft nicht mehr in der Lage, trennscharf zu sagen, was sie will, weil sie an die nächste Wahl denkt. Man muss aber auch mal unpopuläre Debatten führen.“ Das, bestätigte Stuart, sei weiter eine wichtige Aufgabe der Volksparteien.
Vor allem sei wichtig, sich im Klaren zu sein, dass der Euro und der europäische Binnenmarkt nicht für alle die gleichen Bedingungen schafften, sagte Kerski. „Systeme der sozialen Sicherung funktionieren nicht mehr“, ergänzte Hoffmann. Stamm knüpfte an: „Man braucht eine gemeinsame Sozialpolitik und darf nicht wieder in Nationalstaaten-Denken verfallen.“
Lösungen brauchten aber Zeit, sagte Kerski.. „Das wird Jahre dauern, und währenddessen müssen Bürger den Überzeugungen treu bleiben. Dafür müssen wir uns immer wieder daran erinnern, was uns Europa gebracht hat.“