Langhans: "Wulff gehört ins Dschungelcamp"
AZ: Herr Langhans, haben Sie sich am Wochenende das Dschungelcamp angeschaut?
Musste ich ja!
Musste?
Ja, die AZ und Markus Lanz haben mich dazu verdonnert.
Oh, Entschuldigung. Wir dachten, Sie hätten auch so eingeschaltet. Wie war’s denn?
Hm. Ich fand's erstmal ziemlich trostlos. Dieses Silikon-Sex-Getue...
Wie beurteilen Sie die Camp-Insassen?
Mir fehlt da jemand wie Matthieu Carrière – oder ich. Hat RTL niemanden wie uns gesucht? Oder hat sich keiner von denen getraut? Warum haben sie nicht eine „meiner” Frauen gefragt?
Brigitte Nielsen dürfte dieses Mal die bekannteste Kandidatin sein.
Die ist halt so ein Zirkuspferd, unheimlich nett und so weiter. Im Camp wirkte sie dann aber geradezu erschlagen von der ja nicht so schlimmen Einzugsstrapaze. Da war alles weg, was vorher noch schön gemacht aussah. Dass sie so fertig ist, hätte ich nicht gedacht.
"Ramona Leiß wirkt dünnhäutig"
Sozial auffälliger hat sich Vincent Raven verhalten. Zum Beispiel, als er gegen die Farbe seiner Hose wetterte. Rot sei „schwul” und „tuntig”.
Er ist ein bisschen beschränkt in meinen Augen. Ein etwas finsterer Machotyp. So ein Packen-wir’s-an-ich-bin-hier-der-Leader-Typ.
Sänger Daniel Lopes hat sich gleich mal mit Ochsenknecht-Sohn Rocco Stark angelegt.
Der hat als Raucher offenbar Entzugsprobleme. Ohne ihre übliche Zigarette drehen die schon nach zwei Stunden durch. Hab ich auch damals beobachtet. Mit den wenigen Zigaretten, die die Raucher bekommen, wird im Camp übrigens gedealt wie im Knast.
Auch Ramona Leiß wirkt labil, flippte aus, weil Bohnen länger eingeweicht werden sollten, als ihr lieb war.
Sie sieht überhaupt sehr schlecht aus, ist aufgedunsen und in einer psychisch schlechten Verfassung. Dabei war sie wohl als Campmutti vorgesehen. Das scheint nun eher nicht der Fall zu sein. Dünnhäutig wirkt sie. Und kann im Augenblick anscheinend nicht viel mit Menschen anfangen.
Fällt Ihnen was zu Ailton ein?
Das halslose Ungeheuer mit der Riesen-Unterlippe? Oje, das darf man alles gar nicht sagen. Ein Urviech halt, ein Hulk-Typ, wie ein Panzer. Ich habe vorher nie was von dem gehört. Fußballer, oder?
"Die wahren Gesichter kommen zum Vorschein"
Noch ist die Stimmung unter den Kandidaten ganz gut, wie fast immer zu Beginn. Welche Faktoren lösen die allmähliche Eskalation aus?
Das Schlimmste ist der Hunger. Wenn du immer zu wenig kriegst und das nicht gewohnt bist, kommst du in einen gereizten Zustand. Die Prüfungen nerven ebenfalls. Irgendwann dann, wenn du dadurch angeschlagen bist, kommt die Gruppendynamik hinzu. Dieses aufgesetzte Freundlichgetue, das geht dann weg und die wahren Gesichter kommen zum Vorschein.
Sind Sie noch sauer auf RTL?
Ich war nie sauer auf RTL! Ich habe damals nur gesagt, wie sie manipulieren. Ich wurde als Langweiler dargestellt, weil ich nicht gezickt und gelästert habe. Aber das ist okay – so sind sie und jeder weiß es.
Wie echt ist das Theater, das die Zuschauer sehen?
80 Prozent sind echt, 20 Prozent sind Schauspielerei, meist schlechte Schauspielerei! Das sind ja alles keine guten Schauspieler. Sie gehen ja ins Dschungelcamp, weil sie nicht mehr gut waren. Und wenn’s drinnen gut läuft, sie genug gelernt haben, werden sie wieder in die Gesellschaft aufgenommen, gelten als resozialisiert. Und erhalten Aufträge, Geld und so weiter.
Im Gegensatz zu vielen anderen privaten Fernsehformaten – vom Gerichts-TV bis zur Sozialreportage – zeigt die Sendung angeblich keine „Scripted Reality”. Es gebe kein Drehbuch, an das sich die Kandidaten halten müssen, heißt es.
Das stimmt auch. Es gibt ein paar Regeln, die jeder kennt. Die Prüfungen oder dass man nur zu zweit aufs Klo gehen darf, angeblich aus Sicherheitsgründen – das ist nachts besonders unangenehm, wenn man jemanden wecken muss. Aber ansonsten: Keine Texte. Keine Rollen. Kein Drehbuch.
RTL inszeniert durch die Auswahl der gesendeten Szenen.
Und durchs Casting schon. Klar, die destillieren dann bei jedem eine bestimmte Art heraus, bestimmte Typen – den dummen Kraftkerl, den Gurutyp und so weiter. Die Kandidaten wissen davon aber nichts und sind hinterher höchst verblüfft, was aus ihnen gemacht wurde. Da sind schon manche zusammengebrochen.
„Rainer, ich will ein Kind von dir!”
Zu welchen Kandidaten haben Sie heute noch Kontakt?
Gestern habe ich Eva von den Jacob Sisters zum Frühstück im Marriot Hotel getroffen. „Das war eine tolle Erfahrung im Camp”, meinte sie. Das stimmt. Abgesehen davon ist nichts zustande gekommen.
Warum?
Vielleicht haben wir es alle noch nicht richtig verarbeitet.
Konnten Sie im Dschungelcamp Erfahrungen sammeln, die Ihnen heute noch nützen?
Ja. Ich wollte mal gucken, wie weit „normale” Leute jemanden, der anders lebt – einen so genannten Außenseiter – ertragen können, wollte wissen, ob ich mein Leben in ihrer Nähe leben kann, ohne Schwierigkeiten zu kriegen.
Und?
Es geht was, aber nicht allzu weit. Den Jungen in unserem Land bin ich durch die Teilnahme sehr nahe gekommen. Danach hatte ich sogar einen Zettel im Fahrradkorb, auf dem „Rainer, ich will ein Kind von dir” stand. Die Älteren waren nicht so begeistert.
Einen großen Teil der RTL-Gage, 20000 Euro, sollen Sie der Piratenpartei gegeben haben. Warum?
Ganz einfach: Weil das Leute sind, die erkannt haben, dass wir heute schon mehr im Internet leben als draußen. Also immaterieller, geistiger. Und Wikileaks hat einen anderen Teil bekommen.
"Ich halte das Dschungelcamp für Bildungsfernsehen"
Auf az-muenchen.de gibt es Kommentare von empörten AZ-Lesern. Das Dschungelcamp sei Trash, Müll also.
Stimmt oberflächlich. Aber man kann es auch als ein Kommune-Format sehen – wie übrigens auch das, was sich auf dem Tahrir-Platz, in Madrid oder bei der Occupy-Bewegung abspielte. Menschen leben in neuer Weise miteinander. Kommen miteinander aus, ohne diesen ganzen materiellen Scheiß am Hals zu haben. Bilden eine Urgemeinschaft. Alle lernen was daraus, auch die Zuschauer.
Bis zu neun Millionen schauen sich die Sendung an.
Und nur die Gebildeten geben es nicht zu. Dabei halte ich das Dschungelcamp für Bildungsfernsehen. Aber die glauben wohl, dass sie es nicht nötig haben.
Dann könnte man doch eigentlich auch die albernen Prüfungen streichen.
Ja, die sind auch gar nicht so wichtig. Wenn die Sendung ein bisschen länger dauern würde und die Leute ein bisschen mehr hungern, käme dasselbe raus.
Stattdessen werden Tiere zu reinen Ekel-Objekten degradiert. Das kann Ihnen als Vegetarier und Tierschützer doch nicht gefallen.
Tut es auch nicht. Aber das geht an die Instinkte, die man schwer kontrollieren kann. Das geht mit Tieren besonders leicht, weil wir uns mit denen mal ums Überleben gekloppt haben. Unsere eigene tierische Natur, die wir überwinden wollen, tritt hervor.
"Wulff ist schon drin"
Was schauen Sie sich eigentlich im Fernsehen an, wenn gerade mal kein Dschungelcamp läuft?
Gerne Serien. In „Smallville” zum Beispiel geht es um die Jugend von Superman. Oder „Merlin”, „Fringe”, „The Mentalist”. Ich sehe mir an, wie Leute mit größeren Fähigkeiten, die man heute im Internet erahnt, lernen, damit umzugehen. Talkshows interessieren mich ebenfalls. Das sind ja auch so kleine Dschungelcamps. Klar, die sülzen da zu viel rum, aber manchmal sieht man dann doch ein bisschen was vom Menschen.
Zurzeit wird da viel über Christian Wulff debattiert. Gehört der auch ins Camp?
Der ist schon drin. Wie bei den Kandidaten werden ja auch bei ihm Kleinigkeiten an die große Glocke gehängt. Wulff gehört in den Dschungel, weil er wirklich asozial ist – in dem Sinne, dass er nicht realisiert, was die Leute von ihm wollen.
Sollte der neue Dschungelkönig automatisch sein Nachfolger werden?
Der Bundespräsident soll ja – erstaunlicherweise – ein besserer Mensch sein, soll über den normalen Verhältnissen schweben. Insofern könnte jemand aus dem Dschungelcamp, der durch die Hölle, die Wulffschen „Stahlgewitter” – heute würde man sagen: den Shitstorm – gegangen ist, diesen deutschen Idealbürger vielleicht besser verkörpern. Vielleicht wird's ja wieder eine Frau, sogar eine ältere wie Brigitte Nielsen?