Landtagswahl in Bayern: Was Politiker machen, die nicht mehr antreten

Nicht alle Landtagsabgeordneten treten zur Wahl in Bayern am 8. Oktober wieder an. Die AZ hat mit dreien über ihre Beweggründe gesprochen, was sie danach machen werden und wie sich die Politik verändert hat.
von  Heidi Geyer
Nach der Wahl am 8. Oktober wird es im bayerischen Landtag zu personellen Veränderungen kommen.
Nach der Wahl am 8. Oktober wird es im bayerischen Landtag zu personellen Veränderungen kommen. © Peter Kneffel/dpa

München – Am 8. Oktober können sie sich entspannt in den Fernsehsessel lehnen. Denn nicht alle Abgeordneten des Bayerischen Landtags stellen sich auch für eine weitere Legislaturperiode zur Verfügung. Inge Aures (67), SPD-Abgeordnete aus Kulmbach, will den Platz für Jüngere freimachen.

Inge Aures (SPD) möchte Platz für Jüngere freimachen

"27 Jahre meines Lebens war ich Berufspolitikerin, jetzt ist es an der Zeit auch freiwillig zu gehen. Bevor es heißt: Was will die Alte noch?", sagt Aures im Gespräch mit der AZ. Aber erst mal unterstütze sie noch im Wahlkampf. Bittere Gefühl gegenüber ihrem Nachfolger habe sie nicht: "Ich hoffe auch sehr, dass er gewählt wird!" Sie wolle ihm auch ein bisschen Hilfestellung im Parlamentsbetrieb geben. "Denn der schaut von außen einfacher aus, als er ist."

Sie freut sich auf Freizeit. "Ich verstehe nicht, wie manche Landtagsabgeordnete noch nebenbei arbeiten können, ich bin von früh bis auf die Nacht in Sachen Politik unterwegs, was anderes hätte ich nicht machen können", erzählt Aures der AZ.

Inge Aures (SPD) freut sich auf den heimischen Garten.
Inge Aures (SPD) freut sich auf den heimischen Garten. © Matthias Balk/dpa

Besonders der Garten wird sie künftig in Anspruch nehmen. "Gewächshäuser, fünf Bienenstöcke, Hochbeete - mir macht das Spaß und ich freue mich darauf, wenn ich das mal in Ruhe machen kann", sagt Aures. Ihrem Mann tue es auch mal ganz gut, wenn er nicht immer so viel gießen müsse. Ein bisschen Wehmut ist aber schon dabei.

"Das Amt werde ich sicher nicht vermissen, das war meine Entscheidung. Aber die Menschen werden mir fehlen." Vom Pförtner bis zu Putzfrau kenne sie viele vom Landtagspersonal und mit allen plaudere sie gern mal.

Klaus Stöttner (CSU) erinnert sich: "Da sind richtig die Fetzen geflogen"

Ihr CSU-Kollege Klaus Stöttner (60) aus Rosenheim ist auch so einer. Und wie Aures tritt er ebenfalls nicht mehr an. Privatier werde er aber noch nicht. "Wer mich kennt, weiß, dass ich nie Ruhe geben werde", sagt Stöttner, der eine Versicherungsagentur betreibt, der AZ. Dann zählt Stöttner erst mal eine Reihe von Gremien auf, Hochschule Rosenheim, Kuratorium der Alpinen Sicherheit, CSU-Kreisvorsitz, man kommt kaum mit.

Er blickt gern auf seine Zeit im Landtag zurück, 2003 wurde er in das Gremium gewählt. Schmunzelnd muss er an eine Auseinandersetzung mit Landwirtschaftsministerin und CSU-Kollegin Michaela Kaniber denken. "Da sind richtig die Fetzen geflogen!" Aber Stöttner ist ganz Kavalier: Damals sei er falsch gelegen, räumt er ein.

"Ich kann ganz gut damit umgehen":  Niederlagen steckt Stöttner in eine Schublade

Alles habe er in der Politik nicht erreicht, aber das gehöre halt dazu. "Dann muss man aufstehen, das Krönchen richten und weiterlaufen." Außenwirtschaftsbeauftragter hätte er werden sollen, aber das habe dann leider nicht geklappt. Stöttner klingt nicht verletzt und sagt lachend: "Freund, Todfeind, Parteifreund." Da gebe es eine Schublade, in die er alle Niederlagen reintue. "Ich kann damit ganz gut umgehen", sagt er - und man glaubt es ihm.

Worauf er sich freut, ist einfach mal Zeit für einen ruhigen Kaffee in der Früh. "Weniger ist mehr, wird die Überschrift sein", sagt Stöttner. Als tourismuspolitischer Sprecher hat er zwar noch keine Urlaubspläne, aber mit den Abgeordneten in der Tourismusarbeitsgruppe gehe es noch mal nach Zermatt in der Schweiz. "Vielleicht mal in die Toskana im November." Der Traum wäre aber zum Fischen nach Finnland oder nach Südafrika auf Safari im Krüger-Nationalpark.

Rosi Steinberger (Grüne) bleibt im Aufsichtsrat der Bürgerenergiegenossenschaft Isar

Die Hoffnung auf mehr Zeit für Hobbys hat die Grüne Rosi Steinberger (63): "Singen im Chor, Italienisch lernen oder den Kulturkreis in meiner Heimatgemeinde unterstützen." Mit 63 Jahren habe sie überlegt, ob ich diesen sehr stressigen Job noch fünf Jahre weiter machen möchte, sagt sie der AZ. Denn Zeit für Familie, Freunde und Privatleben bleibe als Abgeordnete kaum. So schwer war's dann letztlich nicht, aufzuhören: "Da ich eine sehr gute Nachfolgerin habe, fiel mir die Entscheidung auch leicht."

Zumindest ein bisschen bleibt Rosi Steinberger der Politik verbunden.
Zumindest ein bisschen bleibt Rosi Steinberger der Politik verbunden. © Matthias Balk/dpa

Ganz aus der Politik raus ist aber auch Steinberger noch nicht. "Im Gemeinderat in Kumhausen fühle ich mich sehr wohl", das wolle sie auch weitermachen. Außerdem bleibe sie weiterhin im Aufsichtsrat der Bürgerenergiegenossenschaft Isar. Rückblickend gab es für Steinberger auch kuriose Momente im Landtag.

Etwa, als die CSU offenbar verhindern wollte, dass eine grüne Umweltausschussvorsitzende am Runden Tisch anlässlich des Volksbegehrens "Rettet die Bienen" teilnimmt: "Mein Stellvertreter von der CSU hingegen war eingeladen. Das fand auch die Presse äußerst merkwürdig, es gab dazu breite Berichterstattung. Danach ging es dann ganz schnell, und die Staatskanzlei entschuldigte sich für das 'Versehen'".

Die Politik-Rentner sind sich einig: "Durch die AfD ist der Ton rauer geworden"

Dass die Zeit in München wirklich endet, ist auch für sie ein zweischneidiges Schwert: "Da gibt es ein lachendes und ein weinendes Auge." Viele Menschen werde sie vermissen. "Aber ich freue mich auch, manche Auseinandersetzungen im Landtag nicht mehr ertragen zu müssen, Stichwort Rechtspopulismus", sagt Steinberger.

Das sieht auch Aures so. "Durch die AfD ist der Ton rauer geworden", sagt die Sozialdemokratin. Zugleich findet sie, dass die demokratischen Parteien darauf zu sehr anspringen würden: "Ich würde die ins Leere laufen lassen."

Stöttner findet, dass die Politik mit den Jahren immer schneller geworden sei. "Wie ein Hamsterrad. Früher hatte man mehr Zeit, politische Freundschaften zu pflegen." Heute seien es mehrere Termine am Abend, bei denen man meine, hingehen zu müssen. "Ich rate jedem neuen Abgeordneten, weniger zu machen anstatt auf zehn Hochzeiten zu tanzen", sagt Stöttner.

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