Ladensterben in der City: Ausverkauf in der leeren Meile

Sport Münzinger, Jeans Kaltenbach, Schuh Thomas - immer mehr Läden und Gaststätten in der Münchner Innenstadt machen dicht. Was kommt nach?
von  Nina Job
Ziemlich tote Hose: Die Anzahl der Kunden, die gestern am späten Vormittag durch die Kaufingerstraße in der Fußgängerzone bummeln, ist überschaubar.
Ziemlich tote Hose: Die Anzahl der Kunden, die gestern am späten Vormittag durch die Kaufingerstraße in der Fußgängerzone bummeln, ist überschaubar. © Daniel von Loeper

München - Das Traditionswirtshaus Paulaner im Tal (seit 1524) und das Designermöbelhaus "Ambiente Direct" am Lenbachplatz gehörten zu den ersten, die dichtmachten.

Seit März hängt ein Zettel am Wirtshaus, auf dem steht, man hoffe auf bessere Zeiten "wenn sich die Lage entspannt". Doch Wirt Putzi Holenia ist zwischenzeitlich pleitegegangen.

Auch bei "Ambiente" ist alles dicht: 3.000 Quadratmeter Verkaufsfläche stehen leer. Die Möbel, die die Firma hier ausstellte, bietet sie nun in München nur noch online an.

Und das war erst der Anfang. Auf Münchens Flaniermeilen in der Innenstadt schließen immer mehr Geschäfte: "Alles muss raus", "Räumungsverkauf", "Geschäftsaufgabe" steht an vielen Schaufensterscheiben.

"Corona wirkt jetzt wie ein Brandbeschleuniger"

Im Sporthaus Münzinger am Marienplatz läuft der große Räumungsverkauf, in der Neuhauser Straße gibt die Familie Tretter ihre vierstöckige Schuhfiliale Thomas nach 64 Jahren auf. .

Auch bei Jeans Kaltenbach in der Sendlinger Straße ist Endzeitstimmung. Im Marktwirt am Viktualienmarkt ist es schon zappenduster, am Stachus wird das Hotel Anna schließen.

Die Aufzählung ließe sich mühelos verlängern - das große Ladensterben ist da! In der Innenstadt zeigen sich die Auswirkungen der Pandemie auf den Einzelhandel, die Gastronomie und das Hotelgewerbe besonders dramatisch. Und es trifft nicht nur die Großen, viele Kleine werden wohl folgen.

Im Schuhgeschäft Thomas, das zu Tretter gehört, ist Räumungsverkauf.
Im Schuhgeschäft Thomas, das zu Tretter gehört, ist Räumungsverkauf. © Daniel von Loeper

"Corona wirkt wie ein Brandbeschleuniger", sagt Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern. "Schlimm ist es, wenn kleine inhabergeführte Geschäfte mit Alleinstellungsmerkmal verschwinden", sagt er. Wie viele es treffen wird, "wird sich erst zeigen, wenn die Unterstützung durch Fördermittel ausläuft", prophezeit Wolfgang Fischer von der Vereinigung der Innenstadthändler Citypartner.

Alle Innenstadthändler ächzen unter den Folgen der Pandemie. Die Touristen, Messe- und Tagungsgäste und andere geschäftlich Reisende kommen nicht mehr. "Besonders viel Geld haben die Chinesen, Russen, Araber und Italiener hier gelassen", weiß Ohlmann. Ihre Kaufkraft war für den Großteil der Händler und Wirte in der Innenstadt essenziell.

Für die neue Chefin des Bezirksausschusses Altstadt-Lehel, Andrea Stadler-Bachmaier (Grüne), zeigt sich in der Pandemie, wie sehr die Altstadt abhängig ist von auswärtigen Besuchern. "Und damit zeigt sich auch, dass die Münchner ein bisschen vergessen wurden", meint sie.

Die Maskenpflicht im Freien sorgte erneut für Umsatzeinbrüche.
Die Maskenpflicht im Freien sorgte erneut für Umsatzeinbrüche. © Daniel von Loeper

"Aber schon vor Corona sind die Besucherzahlen in der Innenstadt zurückgegangen", sagt Bernd Ohlmann vom Handelsverband. "Immer mehr kaufen online ein. Die Krise hat diesen Trend verstärkt." Nun kommt dazu: Auch bei den Münchnern hält sich die Lust, wieder in der Innenstadt einzukaufen, offenbar in Grenzen.

Das liegt vielleicht auch an den Hygieneregeln. "Am Freitag vor einer Woche, als noch die Maskenpflicht in der Fußgängerzone galt, waren weniger Besucher in der City als einem Sonntag", berichtet Wolfgang Fischer. Ein historischer Tiefstand!

Die Händler hoffen nun auf das Weihnachtsgeschäft. "Viele machen da bis zu 50 Prozent ihres Umsatzes", weiß Fischer. "So wie vor Corona wird's nie wieder. Aber wenn sich alle vernünftig verhalten, sind wir durchaus zuversichtlich."

Wie wird sich die Innenstadt verändern? Droht der Innenstadt die Verödung? Oder wird sie sich wandeln - vielleicht sogar positiv? "Einzelhandel ist Wandel", sagt Bernd Ohlmann. "Das ist schmerzhaft für die Betroffenen, aber das war schon immer so." Er zitiert den alten Spruch: "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit." Alle Händler müssten sich anpassen. "Jeder noch so kleine Einzelhändler muss online präsent sein. Es geht nicht mehr ohne."

Und wer zieht nun in die freiwerdenden Geschäfte, Restaurants, Hotels? "Die Nachfrage ist da", sagt ein Makler zur AZ, der unter anderem für einen Laden im Tal einen Nachmieter sucht. Fast-Food-Läden, eine Pizzeria, auch ein Friseur und ein Bestattungsunternehmen hätten Interesse bekundet.

Christoph Müller-Brandt, ebenfalls Makler, vermutet, dass die Mieten für Gewerbeimmobilien in der Innenstadt sinken werden: "Das wird insbesondere die allerteuersten betreffen. Es fängt immer ganz oben an zu schmelzen." Bislang wurden in 1-A-Lagen Mieten von mehr als 370 Euro verlangt - pro Quadratmeter.

Für kleinere Objekte gibt es aber offenbar nach wie vor Interessenten: "Es gibt viele Ideen und Konzepte, auch mit einem Teilbereich Gastro. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir ein vielfältigeres, bunteres Angebot in der Innenstadt bekommen werden." Wolfgang Fischer von Citypartner sieht es ähnlich. Er prophezeit: "Die Läden werden tendenziell kleiner werden."

Mischung könnte bunter werden - und Wohnraum entstehen

Für riesige Ladenflächen sieht er hingegen schwarz: "Flächenmonster mit 50.000 Quadratmetern wird's nicht mehr geben." Nicht nur er sieht das Ende eingeläutet für große Ketten und Franchise-Unternehmen, die sich in der City breitmachen wollen.

Die Zukunft für viele Hotels ist ebenfalls ungewiss. Auch bei Kathrin Wickenhäuser-Egger, die im Bahnhofsviertel zwei Hotels und Gaststätten betreibt, bleiben die Übernachtungsgäste weg. Jetzt denkt sie daran, ihr Hotel Cristal (200 Betten) in der Schwanthalerstraße zu schließen.

Ihre Idee stattdessen: "Wohnungen bauen für junge Leute, die in diesem quirligen Viertel leben möchten." Ihr Appell: "Am Stachus und Bahnhof sollte die Umnutzung von Gewerberaum in Wohnungen ermöglicht werden. Es darf keine Denkverbote geben. Sonst wird die Innenstadt bald tot sein!"

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.