Kutschen von König Ludwig II.: Was sie über einsamen Kini erzählen

Seit fünf Wochen sind die mühsam restaurierten Schlitten und Kutschen von König Ludwig II. wieder ausgestellt.
von  Hüseyin Ince
Ebenfalls im Marstallmuseum zu bewundern gibt es den großen Gala-Wagen von Ludwig II. Er war seinerzeit etwa so viel wert wie 120 Bauernhöfe.
Ebenfalls im Marstallmuseum zu bewundern gibt es den großen Gala-Wagen von Ludwig II. Er war seinerzeit etwa so viel wert wie 120 Bauernhöfe. © Hannes Magerstädt

München – Zehn Jahre können eine Ewigkeit sein. Für viele Menschen ist das ein Lebensprojekt, wenn etwas so lange dauert. Und so etwas in der Art ist es auch für Heinrich Pliening, dem Mann, der zwei Kutschen und fünf Schlitten von Ludwig II. seit 2014 restauriert hat - seit Deutschland zuletzt in Brasilien Fußball-Weltmeister geworden ist, um bei einem aktuellen Thema zu bleiben.

Hauptsächlich wurden die königlichen Mobile mühsam gereinigt, mit extra angemischten Spezialmitteln, sagt Pliening. "Hier ist alles Gold, was glänzt", betont er - nämlich Blattgold, um genau zu sein. Damit ließ der extravagante König seine Gerätschaften beziehen, damit die Schlitten und Kutschen Tag und Nacht funkelten. Sogar auf den Radläufen war einst Blattgold, das natürlich ziemlich schnell abgetragen wurde.

Etwa 1000 Arbeitsstunden im großen Gala-Wagen

Seit dem Tod von Ludwig II. am 13. Juni 1886 im Starnberger See (damals Würmsee genannt) war es das erste Mal, dass der goldene Fuhrpark fachmännisch gesäubert wurde. Sie waren belegt mit dem Schmutz von etwa 130 Jahren. Bis zu zehn Experten waren mit der filigranen Säuberungsaktion beschäftigt. Ein großer Vorteil ist laut Pliening dabei gewesen, dass das Blattgold in den 1870er Jahren ganz modern mit schützender Klarlack-Schicht überzogen wurde. Etwa 1000 Arbeitsstunden stecken allein in dem großen Gala-Wagen, damit das alles wieder so glänzt wie jetzt.

Kuratorin und Chefrestaurator: Friederike Ulrichs und Heinrich Pliening. Links im Bild: Einer der Prunkschlitten des Königs.
Kuratorin und Chefrestaurator: Friederike Ulrichs und Heinrich Pliening. Links im Bild: Einer der Prunkschlitten des Königs. © Hannes Magerstädt

Einem Mann wie Ludwig II. hätte man aus heutiger Sicht durchaus zugetraut, dass er alles aus purem Gold schmieden lässt, auch seine Kutschen und Schlitten. Doch ganz so verrückt war er dann doch nicht - aber ein bisschen eben schon. Kuratorin Friederike Ulrichs ordnet das ein wenig ein: "Das Fahrzeug ist so viel wert wie seinerzeit 120 Bauernhöfe", sagt sie. Und Pliening ergänzt: "Man darf dabei nicht vergessen, dass damals auch viele Leute hungerten".

Krönungswagen von Kaiser Karl VII.  im Marstall-Museum zu sehen

Die Realität des mühsamen bäuerlichen Alltags muss also dem zurückgezogen lebenden Kini ziemlich fremd gewesen sein. Ulrichs hebt dabei hervor: "Ich würde Ludwig II. nicht als verrückt bezeichnen. Er wusste schon genau, was er tat, interessierte sich für die Details. Er war sehr engagiert bei all seinen Kunstprojekten."

Vorbild für den Gala-Wagen war übrigens der Krönungswagen von Kaiser Karl VII. – der auch im Marstall-Museum ausgestellt ist. Ludwig II. ließ seinen Gala-Wagen bei der Fertigstellung aber so oft umgestalten – Stichwort Details –, dass er irgendwann viel zu schwer wurde: Etwa 2500 Kilogramm wiegt er.

"Während der Fahrt auseinanderbrechen können"

So in etwa dürfte es ausgesehen haben, wenn Ludwig II. zwischen seinen vielen Bergresidenzen auf Goldschlitten pendelte.
So in etwa dürfte es ausgesehen haben, wenn Ludwig II. zwischen seinen vielen Bergresidenzen auf Goldschlitten pendelte. © Hannes Magerstädt


Vor allem der Dachaufsatz wurde drei Mal umgestaltet und ist dabei immer größer und schwerer geworden. Viele Autos - vor allem Kleinwagen - wiegen heute deutlich weniger als 2500 Kilogramm. "Durch den viel zu großen Aufsatz ist auch der Schwerpunkt viel zu hoch geraten", sagt Pliening.

Im Museum muss das Fahrzeug mit Metall gestützt werden, damit es nicht irgendwann auseinanderbricht. Man muss sich das einmal vorstellen, es wäre ein Bild für die Ewigkeit gewesen: "Der große Gala-Wagen hätte durchaus während der Fahrt auseinanderbrechen können", sagt Pliening, gerade wenn sechs Pferde daran zerren, wie es der Kini wollte.

Ein einziges Mal mit der Goldkutsche durch München

Der Kini wusste das mutmaßlich und wurde darin nie gesehen. Nur ein einziges Mal ist die Goldkutsche mit Ach und Krach durch München vom Bahnhof bis zur Residenz gerollt, gezogen von einem Sechsspänner, "bei einer Hochzeit von Ludwigs Vetter und einer Tochter der österreichischen Kaiserin Sissi", erzählen Pliening und Ulrichs. Glück gehabt, muss man da fast sagen, dass alles gut ging. Pliening hebt dann noch einen weiteren technischen Aspekt hervor: "Horrender, gigantischer Wendekreis", sagt er.

 "Ludwig II. war schon damals aus der Zeit gefallen"

Hauptsache golden und prunkvoll.
Hauptsache golden und prunkvoll. © Hannes Magerstädt

Doch warum der ganze barocke Prunk? "Ludwig II. war schon damals aus der Zeit gefallen", sagt Ulrichs. Nach heutiger Lesart wäre er wohl am liebsten ein absoluter und unumstrittener Monarch gewesen, nach Vorbild der französischen Könige vor der Revolution 1789. Weil die Realität eben eine andere war, mit vielen parlamentarischen Elementen in Bayern, "zog er sich immer mehr zurück, vor allem in seine Bergresidenzen", sagt Ulrichs.

Womit wir bei den vielen, auch mit Blattgold beschichteten Prunkschlitten von Ludwig II. wären. Darunter ist der vielleicht "erste vollelektrische Schlitten der Welt", sagt Pliening. Die Beleuchtung bezog Strom von einer der ersten Batterie-Typen weltweit. Das war er eben auch, der scheue König: ein großer Fan von moderner Technik.

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