Kuriose Münchner Nachnamen: Die Notdurfts
Elidia heiratete ihren Willi trotz seines Nachnamens – und Familie Dumm geht clever mit ihrem Schicksal um
MÜNCHEN - „Mein Name ist Dumm – so wie doof.” Johannes Josef Dumm (70) hat kein Problem damit, sich so vorzustellen. Hatte er noch nie. Sein Credo: „Lieber Dumm heißen und schlau sein als umgekehrt.” So habe er immer beweisen können, dass er besser sei als sein Name.
So viel Selbstbewusstsein ist nicht jedem vergönnt. Voriges Jahr haben in München 211 Menschen ihren Namen geändert – 135 von ihnen störten sich an ihrem Nachnamen. Die Restlichen waren ihren Vornamen leid.
Elidia Walburga Sofie Walk (73) hatte schon immer ihr Päckchen zu tragen. „Als Kind fand ich meinen Namen fürchterlich.” Da ahnte sie noch nicht, dass er noch markanter werden würde. Als junge Frau lernte sie Willi kennen, ihren späteren Ehemann. „Menschenskind, so ein netter Kerl”, dachte sie damals. „Aber so ein schrecklicher Familienname!” Sie nahm ihn trotzdem an – den Mann und seinen Namen. Seit der Hochzeit im Jahr 1962 heißt sie: Elidia Walburga Sofie Notdurft. „Die ganze Verwandtschaft hat sich aufgeregt.”
Vor zwei Jahren haben die Beamten im Kreisverwaltungsreferat zuletzt eine kleine Statistik erhoben. Demnach waren fünf Menschen ihres Namens überdrüssig, „weil er eine Steilvorlage für Wortspiele und Witze war”. Einer hatte keine Lust mehr auf seinen „Sammelnamen”, dazu zählen Müller oder Maier. Der Großteil aber änderte seinen Original-Namen schlicht wegen einer umständlichen Schreibweise – oft sind das Menschen mit ausländischen Wurzeln. Teil der Statistik sind übrigens auch Scheidungskinder, die nach der Trennung den Mädchennamen ihrer Mutter tragen.
Als Kind hatte Willi Notdurft keine Probleme mit seinem Namen. Mehr noch: Ihm war gar nicht bewusst, was er – gemeinsam mit dem Wort verrichten – bedeuten kann. Als Bub aus Brandenburg hatte er evangelische Texte lernen müssen. „Mit aller Notdurft und Nahrung” stand da. So wie notdürftig eben. Erst mit 21 wurde er stutzig – nach dem Kommentar eines Kollegen. „Es ist kein besonders schöner Name”, sagt der 76-Jährige heute. Wenn er sich am Telefon vorstellt, dann immer noch so: „Notdurft, so wie notdürftig!”
Ein Blick ins Gesetz zeigt: Nicht jeder kann seinen Namen ändern lassen. Dazu bedarf es schon eines wichtigen Grundes. Das „Namensänderungsgesetz” kennt ein gutes Dutzend davon. Darunter den, dass „der bisherige Familienname lächerlich oder anstößig wirkt”. Der neue Name ist den Betroffenen weitestgehend freigestellt. Wer lieber Sonne oder Blume heißt, bitteschön.
„Der Name darf nur keine neuen Probleme mit sich bringen”, erklärt Daniela Schlegel vom KVR. Ihr Beispiel: Der Standesbeamte würde sicher abraten, wenn sich eine Angela zum neuen Nachnamen Merkel entschließt. Empfohlen wird von der Behörde ohnehin, einen Namen auszuwählen, der dem Original ähnelt. Wobei Empfehlung ja immer heißt: Muss nicht sein.
Familie Dumm blieb ihrem Namen treu. „Wir Dumms wollten immer Dumms sein”, sagt Johannes Dumm. Es gibt sogar einen Familienvertrag aus dem Jahr 1772, erzählt er. „Da steht drin, dass das Erbe bei Namensänderung nicht weitergegeben werden kann.” Rechtlich bindend ist das freilich nicht mehr. „Aber es hält sich jeder dran.”
Das bedeutet auch: Geld gespart. Denn wer seinen Namen loswerden will, muss bezahlen. Im Schnitt 500 Euro für den Nachnamen. Ein neuer Vorname ist mit rund 200 Euro billiger zu haben.
Eine Tochter der Notdurfts hat es getan: Als Erwachsene wählte sie einen wohlklingenden Nachnamen, der nicht verraten werden soll. Als sie später heiratete, nahm ihr Mann die Neuschöpfung an. Er hatte einen Allerweltsnamen, den er gerne eintauschte.
Ob Notdurft, Dumm oder auch Hasenfuß (siehe Interview) – in einem sind sich alle einig. Es hat auch einen Vorteil, so zu heißen: „Die Leute können sich den Namen wenigstens merken.”