Kunstprojekt in der City: "Die Porsche-Dichte auflockern"
München - Der neue Intendant will dahin, wo es weh tut: Auf den Münchner Wohnungsmarkt. „Wie kann man das Geld verdienen, das man braucht, um in der Münchner Innenstadt noch wohnen zu können?“ ist eine Frage, die Matthias Lilienthal und das Architekturkollektiv Raumlaborberlin umtreibt. Bei den Verhandlungen mit seinem neuen Team, berichtet Lilienthal, sei es weniger um die Gagenhöhe gegangen als darum, eine bezahlbare Wohnung zu finden.
Und Benjamin Foerster-Baldenius vom Raumlabor hat beobachtet, dass jede Party in München irgendwann nur auf ein Thema hinausläuft: Wohnen - wie wohne ich, wo wohne ich und womit bezahle ich das?
Lilienthals Debüt an den Kammerspielen ist eine Weiterentwicklung des „Hotels shabbyshabby“, einem superschäbigen Gästehaus mit 22 Zimmern, das er im vergangenen Jahr beim Festival Theater der Welt in Mannheim einrichten ließ. Das neue Projekt verteilt nun 23 Winz-Wohnungen über den öffentlichen Raum der Münchner City mit einem zentralen „Shabbyshabby Camp“ für „Dance, Drinks und Debatte“ auf dem Marstall.
Für die rund 6000 Wohnungslosen in der Stadt oder die tausenden Flüchtlinge, die zur Zeit täglich im Hauptbahnhof eintreffen, sind die schäbigen Appartements zum Preis von 35 Euro pro Nacht (mit Frühstück) freilich keine Option, sondern eher eine Provokation durch die Kultur-Elite.
Die Münchner SUV-Dichte mit Billig-Hütten auflockern
Ausgangspunkt ist die Edelshoppingmeile Maximilianstraße. Dort herrsche eine große „Porsche-Cayenne-Dichte“, findet Foerster-Baldenius, die man mit den Schlafstätten, deren Materialwert auf 250 Euro beschränkt ist, auflockern könne. Sechs Künstler aus Linz parken daher auf dem Parkstreifen ein Zelt mit dem Titel „Zur feinsten Seide“ aus Altkleidern oder das Berliner Atelier Slant nimmt mit seinem „Parking Loft“ den SUVs gleich zwei Stellplätze. Parkraum hingegen schont das Objekt über dem Fußgängertunnel an der Baustelle vor der Oper. Dort richtete die Architektin Regina Baierl eine Wohnhöhle mit Möbeln aus den 1930er-Jahren ein, die durch einen Kleiderschrank und über eine Leiter erreichbar ist.
Gleich gegenüber auf dem Max-Joseph-Platz findet sich die einzige Arbeit mit unmittelbar lokalem und historischem Bezug. Die „Erdhütte“ von Wolfram Kastner erinnert an die Behausungen von Arbeitern, die im 19. Jahrhundert zum Bau der Maximilianstraße nach München geholt wurden, ohne dass König Maximilian sich um die Unterbringung kümmerte.
Die Arbeiter und ihre Familien bauten sich kleine Hütten aus Holz, Stroh und Moos. Angesichts der kuscheligen Bettwäsche, mit der Kastner den Nachbau vor der Residenz ausstattete, entfährt während des Eröffnungsrundgangs einer Mutter, dass das doch ein schöner Schlafplatz für die kleine Tochter wäre: „Ist doch süß, oder?“ - vermutlich nicht ganz das, was der Künstler sagen wollte.
Genächtigt werden kann aber auch im „Yellow Submarine“ an der Isar, einer Konstruktion aus poppig gelben Badewannen aus Glasgow, oder in einem Baumhaus aus Wien rund zwei Meter über dem Isartorplatz.
In der ersten Nacht allerdings war das Interesse an Übernachtungen in den „Shabbyshabby Apartments“ fast ausschließlich auf wenige Medienvertreter beschränkt, berichtet Kammerspiel-Sprecherin Katrin Dod. Aber sie ist zuversichtlich: „Das wird schon noch“.
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