Kultfabrik: Mordversuch mit einem Barhocker?

München - Daniel J. (35) war überrascht. Der New Yorker befand sich glücklich und verliebt auf dem Weg nach Rom. Mit seiner frisch angetrauten Frau Christine wollte er dort seine Flitterwochen verbringen. Doch in Spanien, am Flughafen von Barcelona, wartete die Polizei. Was Daniel J. nicht wusste: Er wurde mit internationalem Haftbefehl gesucht. Die Beamten nahmen ihn fest. Der angehende Lehrer wurde nach Stadelheim transportiert. Dort sitzt er seit 13 Monaten in U-Haft.
Der Vorwurf: versuchter Mord. Der Tatort: die Kultfabrik im Münchner Osten.
Daniel J. hatte auf der Terrasse der Mangosbar am 25. Mai 2011 offenbar völlig unvermittelt einen Gast angegriffen. Peter K. (55, Name geändert) rechnete mit keinem Angriff, als die Faust des Ex-Artillerie-Soldaten in seinem Gesicht landete. Peter K. verlor das Bewusstsein und kippte von seinem Barhocker. Der muskulöse Bodybuilder fiel hart. Auf den Hinterkopf.
Der Angreifer aber ließ auch in diesem Moment nicht von ihm ab, sondern versetzte dem Bewusstlosen nach Überzeugung der Ermittler noch mindestens einen wuchtigen Tritt. Dann griff sich der 35-Jährige den umgekippten Barhocker, holte über seinem Kopf aus und schlug damit in Richtung des Kopfes seines Opfers. Ob er auch traf, können die Ankläger nicht mit Sicherheit sagen.
Für sie steht aber fest, dass Daniel J. das Überraschungsmoment nutzen und sein Opfer schwer verletzten wollte. Er habe dabei auch einen tödlichen Ausgang billigend in Kauf genommen. Die Anklage lautet auf versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung. Nur dem Zufall sei es zu verdanken, dass Peter K. noch lebt.
Der 55-Jährige leidet bis heute an den Folgen. Er hatte ein Schädel-Hirn-Trauma und Blutergüsse am Kopf erlitten. Anhaltender Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen dauern an.
Daniel J. hat sich bei seinem Opfer entschuldigt und 7000 Euro Schmerzensgeld gezahlt. Warum er angegriffen habe? Er sei angetrunken gewesen und hatte einen Streit mit dem Disco-Personal befürchtet, sagt er. Den unbeteiligten Peter K. habe er mit einem Türsteher verwechselt und deswegen angegriffen. „Mein Mandant fürchtete eine Abreibung“, erklärt sein Anwalt Steffen Ufer. Er könne aber nicht verstehen, dass man ihm eine Tötungsabsicht unterstelle. Mit dem Barhocker habe er lediglich herumgefuchtelt, aber nicht zugeschlagen.
Daniel J. war in Begleitung seines Freundes Jared. Einem 28-Jährigen, der unter Autismus leidet. Er habe auch zugeschlagen, um ihn zu schützen. Im Gerichtssaal verfolgten gestern die Frau und der Vater des Angeklagten mit angespannten Mienen den Prozess. Im Internet bitten sie um Spenden für Daniel J.s Freilassung.
„Free Dan – Befreit Dan“: Ein von seinen Machern als „herzzerreißend" bezeichnetes Video wirbt im Internet für den Stadelheim-Insassen Daniel J. (35).
Seine Unterstützer, allen voran seine Frau Christine, glauben nicht, dass er schuldig ist und stellen J.s feinen Charakter heraus.
Mit keinem einzigen Wort wird seine brutale Tat erwähnt, stattdessen über die angeblich harten Haftbedingungen geklagt. Die Unterstützer bitten um Spendengelder. Denn der Prozess im fernen Deutschland ist teuer.
Unter anderem meldet sich eine Freundin namens Christie H. zu Wort. Ihr Bruder Jared leide unter einer Behinderung. Dannys Freundschaft habe ihm geholfen, sich besser zu fühlen.
Die Verteidigung beantragte gestern, Christie H. als Zeugin anzuhören. Das Gericht würde zudem gerne Jared vorladen, der Daniel J. am Tattag begleitet hatte.
Daniels Familie und Unterstützer kritisieren die lange Dauer des Verfahrens. Tatsächlich dauerte es ein halbes Jahr, bis die Anklage fertig war und weitere sieben Monate bis zum Prozess. Auch das US-Konsulat beschäftigt sich mit dem Fall.
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