Krise bei der BayWa: Reißt sie auch die Bauern mit?

Der Agrarkonzern BayWa ist wirtschaftlich angeschlagen. Reißt die Krise nun auch die Landwirte in einen Strudel? Warum sie um ihre Ersparnisse fürchten müssen und welche heikle Rolle der Bauern-Präsident spielt.
von  Ralf Müller
Die Konzernzentrale der BayWa AG in München. Derzeit steckt das Unternehmen in einer Krise.
Die Konzernzentrale der BayWa AG in München. Derzeit steckt das Unternehmen in einer Krise. © BayWa AG

München - Seit Mitte Juli ist öffentlich bekannt, dass der Agrarhandelskonzern BayWa AG finanziell schwer angeschlagen ist. Weil das Unternehmen nicht nur weltweit 25.000 Mitarbeiter (8000 in Deutschland) beschäftigt, sondern auch der größte Abnehmer von landwirtschaftlichen Produkten in Bayern ist, wird die Schieflage immer mehr zu einem Politikum im Freistaat.

Auf eine Summe zwischen 5,5 und 5,8 Milliarden Euro werden die Schulden der BayWa AG geschätzt, die zuletzt einen Jahresumsatz von 27 Milliarden Euro erwirtschaftete. Der Schuldenberg wurde durch eine weltweite Expansion des Unternehmens und den Einstieg in das Geschäft mit Erneuerbaren Energien angehäuft.

Hohe Zinsen, chinesische Konkurrenz

Als die Zinsen stiegen und die kapitalintensive Wind- und Solarsparte, die in der Tochtergesellschaft BayWa r.e. zusammengefasst ist, wegen chinesischer Dumping-Konkurrenz in Ertragsprobleme geriet, musste Vorstandschef Marcus Pöllinger die Notbremse ziehen. Am Freitagabend, den 12. Juli, platzte die Bombe: In einer aus vier Sätzen bestehenden Ad-hoc-Meldung teilte die BayWa mit, dass man ein Sanierungsgutachten in Auftrag gegeben habe. Von einer "angespannten Finanzierungslage" war die Rede.

All das in vier Wochen?

Seitdem machen Spekulationen die Runde und kritische Fragen werden gestellt. So von Daniela Bergdolt, Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Noch auf der Hauptversammlung der BayWa im Juni habe der Vorstand ein ganz anderes Bild gezeichnet und versprochen, dass der Wegfall der Dividende für 2023 nur ein einmaliger Ausrutscher gewesen sei. Vier Wochen später stand die BayWa vor dem finanziellen Abgrund. Die große Not könne doch nicht in vier Wochen entstanden sein, wundert sich Bergdolt.

Ein schwerwiegender Verdacht

Dahinter steht der schwerwiegende Verdacht, der Vorstand habe die erforderliche Pflichtmitteilung verschleppt. In dieselbe Kerbe schlägt auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). "Bei dieser astronomischen Summe der Finanzschulden ist es kaum vorstellbar, dass diese Krise nicht schon früher absehbar gewesen sein soll", sagte die stellvertretende bayerische AbL-Landesvorsitzende Lucia Heigl. Viele Bauern sind Kleinaktionäre des 100 Jahre alten Unternehmens. Durch einen Kapitalschnitt könnten sie große Teile ihrer Altersvorsorge verlieren.

Bauern-Präsident in heikler Lage

Der größte Landwirtschaftsverband, der Deutsche Bauernverband (DBV), verhält sich bislang still. Der Grund liegt nahe: DBV-Präsident Joachim Rukwied ist Mitglied des BayWa-Aufsichtsrats und als solcher Ziel scharfer Kritik der AbL. Rukwied müsse die Zahlen kennen, habe aber die Bauern zu keinem Zeitpunkt gewarnt, empört sich AbL-Vizelandesvorsitzende Heigl.

Aiwangers Ministerium schweigt

Auch das bayerische Wirtschaftsministerium schweigt zu dem heiklen Fall, obwohl in Berichten immer wieder von angeblichen Hilfszusagen des Freistaats die Rede ist. "Das Thema BayWa kommentieren wir nicht", heißt es aus dem Hause des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger (Freie Wähler).

Dafür hat sich die oppositionelle SPD im bayerischen Landtag mit der Forderung nach einer staatlichen Rettung der BayWa sowie einem Schutz für Landwirte zu Wort gemeldet. "Ein Zusammenbruch der BayWa hätte nicht nur fatale Auswirkungen auf die Konzernbeschäftigten, sondern würde auch die landwirtschaftliche Versorgungskette im Freistaat empfindlich stören", schreibt der SPD-Landtagsabgeordnete Harry Scheuenstuhl in einem Brief an Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU).

Der SPD-Politiker malte ein Worst-Case-Szenario an die Scheunenwand: Auch im Falle eines Eigentumsvorbehalts, wie ihn der DBV empfiehlt, drohten den Landwirten Einbußen, wenn die BayWa das gelieferte Getreide bereits weiterverkauft habe, das dafür erhaltene Geld aber nicht an die Bauern weitergebe.

Doch so weit soll es nicht kommen. Nach Meldungen, wonach die beiden BayWa-Großaktionäre, die Bayerische Raiffeisen-Beteiligungs-AG (BRB, 34 Prozent) und die österreichische Raiffeisen Agrar Invest (28 Prozent) bereit sein sollen, insgesamt 400 Millionen Euro zuzuschießen, stoppte der BayWa-Börsenkurs seine Talfahrt, jedoch auf niedrigem Niveau.

Unternehmensberatung schreibt Gutachten

Die Gerüchteküche wird wohl noch bis spätestens 15. September weiter brodeln. Zu diesem Termin hat die Beratungsgesellschaft Roland Berger das mit Spannung erwartete Sanierungsgutachten angekündigt. Die Vorschläge der Berater könnten auf eine Schrumpfung des Konzerns hinauslaufen. Die Sparte Bau sowie die Wind- und Solarenergietochter BayWa r.e. würden dann zum Verkauf stehen.

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