Kriminalistisches Wunder: Polizei München klärt Mordfall nach 45 Jahren
München - Halbnackt und mit eingeschlagenem Schädel lag Josef Brunner blutüberströmt in der Badewanne, als man ihn kurz nach Neujahr 1979 in seiner Wohnung fand. Der 69-jährige Rentner war in der Silvesternacht 1978 Opfer eines brutalen Raubmörders geworden.
Lange Zeit gab es vom Täter nicht die geringste Spur. Jetzt, fast 45 Jahre später, ist der Mordfall nun doch noch aufgeklärt worden. Der mutmaßliche Täter sitzt in einer JVA in Untersuchungshaft und wartet auf seinen Prozess vor dem Münchner Landgericht.
Polizei fasst mutmaßlichen Täter in Großbritannien
Fahnder spürten den mutmaßlichen Mörder in Großbritannien auf. Dort hatte der Mann viele Jahre unentdeckt gelebt. Im Frühjahr wurde er von der britischen Polizei nach AZ-Informationen festgenommen, er kam in Abschiebehaft. Inzwischen ist der Verdächtige an die Justiz in Bayern überstellt worden.
Der Mann sitzt seit Monaten in einer JVA in Untersuchungshaft. Sein Anwalt hat unlängst Haftprüfung bei Gericht beantragt. Der Verteidiger ging dabei bis vor das Landgericht München, scheiterte aber auch dort, wie die AZ erfuhr. Weitere Details zu dem spektakulären Cold Case will die Polizei am Montagmittag im Präsidium bei einer Pressekonferenz bekannt geben.
Mord, Totschlag, Körperverletzung und die Frage der Verjährung
Gegen den mutmaßlichen Täter ist inzwischen Anklage erhoben worden wegen eines Tötungsdeliktes. Bei Mord gibt es gemäß dem Strafgesetzbuch keine Verjährungsfristen. Ganz anders sähe die Sache aus, wenn der Fall von einem Richter als Totschlag eingestuft würde. Totschlag verjährt nach 20 Jahren. Liegt ein besonders schwerer Fall des Totschlags vor, verjährt dieser erst nach 30 Jahren. Würde der Fall juristisch als Körperverletzung mit Todesfolge eingestuft, wäre der Fall nach 20 Jahren verjährt. Der Täter juristisch nicht mehr zur Verantwortung zu ziehen. Der mutmaßliche Täter könnte hoffen, ungestraft davonzukommen.
Die ermittelnde Staatsanwaltschaft München I scheint sich sicher, dass die vorliegenden Indizien und Beweismittel in einem Prozess ausreichen. Dem Verdächtigen, inzwischen selbst ein Mann im Rentenalter, wird sich wegen Mordes verantworten müssen. Im Fall einer Verurteilung droht ihm eine lebenslange Haftstrafe. Ein Termin für den Prozessauftakt ist noch nicht festgelegt.
Silvestermord von München: Modernste Kriminaltechnik sorgte nun für den Durchbruch
Es grenzt an ein kriminalistisches Wunder, dass der Fall nach Jahrzehnten nun doch noch aufgeklärt werden konnte. Möglich machte das offenbar modernste Kriminaltechnik. Teile eines Fingerabdrucks, die am Tatort in der Wohnung des Opfers in Obergiesing damals sichergestellt worden waren, brachten die Ermittler Jahrzehnte später auf die Spur des Verdächtigen.
Als Silvestermord sorgte der Fall rund um den Jahreswechsel 1978/79 für Schlagzeilen. Josef Brunner, ein ehemaliger Geschäftsführer in der Textilbranche, lebte alleine in Obergiesing. Er war homosexuell und suchte die Nähe zu jungen Männern. Homosexualität, damals gesellschaftlich noch oft ein Tabu-Thema. Seine Bekanntschaften traf der 69-Jährige in Bars und Kneipen.
Opfer war mit mutmaßlichem Täter vor der Tat im Sex-Kino
Josef Brunner ahnte offensichtlich, dass sein Lebensstil gewisse Risiken barg. Vor manchem seiner "Gäste" hatte er Angst, wie er Verwandten damals anvertraute. Deshalb bat er sie, nach ihm zu sehen, falls er zwei Tage nichts von sich hören lassen sollte. Als die Familie nach Neujahr 1979 den Rentner nicht erreichen konnte, ließen Verwandte am 2. Januar abends die Wohnung in der Werinherstraße in Obergiesing öffnen. "Ein grauenvoller Anblick bot sich den Angehörigen", berichtete die AZ am 4. Januar 1979. Josef Brunner lag erschlagen in seiner Badewanne. Vom Täter fehlte jede Spur.
Die Mordkommission ermittelte, recht schnell vermutete man den Täter im Stricher-Milieu. Hinweise ergaben, dass Josef Brunner am 30. Dezember 1978 in seiner Wohnung Besuch hatte, ein Mann Anfang 20, schlank mit dunklen Haaren. Gegen 17.30 Uhr, so ergab die Rekonstruktion, hätten beide die Wohnung wieder verlassen. Gegen 21 Uhr wurden Brunner und sein Begleiter nochmals gesehen. Sie besuchten ein Sex-Kino im Bahnhofsviertel, das "ABC-Cinema" in der Bayerstraße. Der Unbekannte fiel wegen seiner roten Jacke auf, die er an diesem Abend trug. Gegen 22.30 Uhr verließen Brunner und der Unbekannte das Kino.

Fast 45 Jahre später könnte der Silvestermord endlich aufgeklärt werden
Die Ermittler schlossen damals nicht aus, dass der 69-Jährige noch einen weiteren Mann traf, mit dem sie dann vermutlich gemeinsam im Taxi zurück in die Werinherstraße fuhren. Josef Brunner wurde offenbar Opfer eines Raubmordes. Er hatte laut Polizei am Tag vor Silvester eine größere Summe bei seiner Bank abgehoben. Das Geld war nach dem Mord verschwunden.
Für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen, wurde 1979 eine Belohnung über 3.000 Mark ausgesetzt. Doch eine heiße Spur blieb aus. Auch ein Phantombild brachte nicht den Durchbruch bei den Ermittlungen.
Erst jetzt, fast 45 Jahre später gelang doch noch der Durchbruch, der Silvestermord schein endgültig geklärt.