Krankenschwester pflegt coronakranke Mutter: Jetzt bleibt sie auf 38.000 Euro sitzen

München - Zwei weiße Teddys, ein kleiner und ein großer, passten auf Terezija O. (77) auf, wenn sich ihre Tochter auf den Weg in die Arbeit machte. Die Mutter blieb dann allein. Anders ging es nicht. Marina (43) arbeitet Vollzeit als Krankenschwester auf einer Krebsstation. "Wir schätzen sie sehr", sagt der Chefarzt.
Eigentlich kam die Mutter nur zu Besuch...
Die Tochter pflegt die Mutter in ihrer kleinen Wohnung. Vor der Arbeit, nach der Arbeit und nachts hat Marina O. ihre Mutter, die nach einer Covid-Erkrankung bettlägerig geworden war, zu Hause. Tag für Tag, Monat für Monat, insgesamt länger als eineinhalb Jahre. Die Frauen wurden alleine gelassen, sie sind gestrandet zwischen zwei Gesundheitssystemen in Europa.
Im Spätsommer vor eineinhalb Jahren ahnten die beiden Frauen nicht, was der Besuch nach sich ziehen würde. Die Reise war lange geplant. Terezija O. (damals 76) wollte ihre Tochter in München besuchen. Die Frauen stammen aus Bosnien, seit zehn Jahren lebt Marina O. in München. Die Stadt ist ihre Heimat geworden. Sie gehört zu den vielen Pflegekräften, die aus anderen Ländern angeworben wurden, da zu wenige Deutsche in der Pflege arbeiten wollen.
Die Mutter reiste mit dem Bus. Sie wollte auch ihren Geburtstag am 3. Oktober 2020 mit der Tochter feiern. Ein paar Wochen später sollte es wieder nach Hause gehen.
...doch dann erkrankten sie an Corona
Doch im Oktober, als es noch keinen Impfstoff gab, bekamen sie Corona-Symptome. "Wo wir uns angesteckt haben, wissen wir nicht", sagt Marina O. Während sie sich schnell erholte, erkrankte die Mutter schwer. Die Tochter musste sie ins Krankenhaus bringen. Marina entschied sich für die Klinik, in der sie arbeitet: das Rechts der Isar.
Terezija O. kam auf die Intensivstation, musste beatmet werden, insgesamt verbrachte sie vier Wochen in der Klinik. Als die Rentnerin entlassen wurde, war sie so geschwächt, dass sie nicht reisefähig gewesen wäre, erzählt die Tochter.

Zudem hätte sie in Bosnien niemanden gehabt, der sie hätte pflegen können. Also schaffte Marina in ihrer Einzimmerwohnung Platz für die pflegebedürftige Mutter - so gut es eben ging. Das Bett passte nur in ihre Wohnküche.
Die Behandlungskosten: 38.000 Euro
Einen einzigen Schritt hätte Terezija O. machen müssen, um sich mit dem Wasserkocher einen Tee zuzubereiten oder um sich etwas zu kochen. Doch sie konnte nicht mehr alleine aufstehen.
Nach dem wochenlangen Klinikaufenthalt wäre eine Reha dringend notwendig gewesen. Doch nun kamen auch noch finanzielle Sorgen dazu. Da die Mutter in Bosnien und nicht in Deutschland krankenversichert war, stellte die Klinik die Behandlungskosten privat in Rechnung: rund 38.000 Euro.
"Es handelt sich in diesem konkreten Fall um eine Patientin, die nicht in der EU krankenversichert ist", erklärt Barbara Nazarewska, Sprecherin des Klinikums rechts der Isar. "Entsprechend der öffentlich-rechtlichen Regularien war das Klinikum verpflichtet, die Kosten der Behandlung in Rechnung zu stellen."
Marina O. konnte das Geld für die Behandlung nicht alleine aufbringen. "Ich habe nicht so viele Ersparnisse", sagte sie zur AZ. Sie musste sich das Geld leihen - bei ihrem Freund, der als Altenpfleger arbeitet, bei dessen Vater und zwei Bekannten.
Keine Versicherung wollte die Kosten übernehmen
Wenigstens die Reha, hoffte sie, würde die Krankenkasse übernehmen. Sie meldete ihre Mutter in München an, versuchte, sie in Deutschland zu versichern. Vergeblich, die Kasse weigerte sich.
Auch die bosnische Kasse half nicht, sondern verweigerte die Übernahme der Kosten sowie eine Reha.
Monat um Monat verging, ohne dass sich etwas tat. Im Januar schaltete sich schließlich ein Mitarbeiter der Klinikverwaltung ein, wollte helfen mit der Versicherung. Doch da war es zu spät.
Plötzlich ging alles ganz schnell
In den vergangenen Tagen verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Terezija O. rapide. Am Mittwoch ist sie zu Hause bei ihrer Tochter gestorben.
Marina O., die Tag für Tag schwerstkranke Patienten pflegt, konnte ihrer Mutter ohne Unterstützung nur bedingt helfen. Nun bleibt ihr nur noch, ihre Mutter beerdigen zu lassen. Das Geld dafür wird sie sich wieder leihen müssen.