Krankenschwester aus München kritisiert Stadt: "Alle Versprechen wurden vergessen"
München - Susa Glavas Ruzica arbeitet seit 30 Jahren als Krankenschwester, seit zehn Jahren in einer Münchner Notaufnahme. Von dem Wahlprogramm der Grünen sei sie begeistert gewesen, sagt die 51-Jährige.
"Es hieß immer: Der Mensch steht im Mittelpunkt unserer Politik." Ihr habe vor allem gefallen, dass Prävention einen höheren Stellenwert bekommen sollte. Inzwischen ist Glavas Ruzica ernüchtert: "Ich bin nicht in Deutschland aufgewachsen und stelle fest: Es ist in jedem Land das Gleiche. Vor der Wahl werden große Versprechen gemacht: den Pflegeberuf attraktiver zu machen, finanzielle Anerkennung zu geben, bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Nach der Wahl wird alles vergessen."
Dramatische Zustände in den Notaufnahmen wegen zu wenig Personal
Vor allem müsste die Stadt viel mehr Präventionsangebote finanzieren, findet sie. Zum Beispiel würden Krankenkassen den Test, ob Frauen an Gebärmutterhalskrebs erkrankt sind, nur alle drei Jahre bezahlen. Ab 35 sollten Frauen diesen Test aber jährlich machen, sagt Glavas Ruzica. "Denn ab da steigt das Risiko." Auch Ultraschalluntersuchungen, mit denen Ärzte Knoten in der Brust erkennen können, Diabetes- und Darmvorsorge sollte die Stadt bezahlen, fordert die Krankenschwester. Sie ist davon überzeugt, dass mit mehr Vorsorge am Ende weniger Menschen in einer Klinik landen würden.
In den Münchner Notaufnahmen herrschen immer wieder dramatische Zustände, sagt Glavas Ruzica. Denn Personal fehlt. Außerdem würden viel zu viele Menschen in die Notaufnahme kommen, obwohl sie eigentlich zu einem Facharzt müssten. "Aber die Patienten sind hilflos. Manche ertragen seit Wochen Schmerzen, weil sie auf einen OP-Termin warten müssen."
Schnelle Abfertigung im Krankenhaus hat Rattenschwanz
Glavas Ruzica beobachtet den Trend, dass die Menschen schneller aus dem Krankenhaus entlassen werden sollen, kritisch. "Wir können die Leute ja nicht allein zu Hause lassen. Das heißt: Wir brauchen wieder Pfleger in ambulanten Diensten." Mehr Wohnraum für Pfleger? "Da merke ich keine Verbesserung", sagt die Krankenschwester. Sie kenne viele, die in einem Münchner Krankenhaus arbeiten wollten, aber den Vertrag nicht unterschrieben, weil sie keine Wohnung fanden.

Einen leichteren Zugang zu Kita-Plätzen gebe es für Pfleger allerdings schon seit Jahren, sagt Glavas Ruzica. Als sie für ihren Sohn, inzwischen zwölf Jahre alt, einen Platz suchte, habe ihr die Stadt sofort geholfen.
Ganz konkret könnte die Stadt den Pflegern auch helfen, wenn sie die Gründung einer Pflegekammer unterstützen würde, meint die Krankenschwester. Denn eine klassische Kammer, die Interessen der Pflegenden vertritt, gibt es in Bayern nicht. "Wir sind so erschöpft, wir haben keine Kraft mehr, das voranzutreiben", sagt Glavas Ruzica.
Sie ist davon überzeugt, dass eine eigene Kammer im Arbeitskampf helfen würde. Überhaupt wünscht sie sich, dass die Stadt die Tarifverhandlungen, bei denen Beschäftigte im Dienstleistungssektor gerade 10,5 Prozent mehr Lohn fordern, vehementer unterstützt. "Klar: Geld ist nicht alles, es trägt aber eben zur Zufriedenheit bei."
- Themen:
- München
- Rathaus München