Kranke Lungen: Bald Todesursache Nr. 2!
München - Gesund schaut sie aus wie ein Schweineschnitzel: rosig, rund und glatt. Eine kranke Lunge aber ist grau, verbeult und faserig. Sie erinnert an ein Stück vergammelten Tafelspitz.
Sicher ist: In den nächsten Jahren werden immer mehr Menschen mit dem Tafelspitz zu tun haben. Die Zahl der Lungenkrankheiten steigt, warnt der Münchner Lungenarzt Jürgen Behr. 2030 werden sie weltweit die zweithäufigste Todesursache sein. Besonders betroffen sind Rentner.
Behr hat seit 1. Januar den ersten bayerischen Lehrstuhl für Pneumologie an der Ludwig-Maximilians-Universität inne. Er ist auch neuer Chefarzt in der Asklepios-Klinik Gauting, Bayerns größter Lungenklinik. Mit dem Helmholtz-Zentrum will er München zu einem der bedeutendsten Standorte für Lungenforschung ausbauen.
Immer mehr Menschen sind lungenkrank: Zurzeit geht ein Fünftel aller Todesfälle auf eine Lungenerkrankung zurück. Die häufigste ist die „chronisch obstruktive Lungenerkrankung“ (COPD). Etwa 5,7 Millionen Deutsche sind von ihr betroffen, 2030 wird sie allein die dritthäufigste Todesursache sein. Danach folgen: Asthma, Atemwegsinfektionen, Lungenkrebs, Bronchitis. Alle werden tendenziell zunehmen.
Der Grund: Die Menschen werden immer älter, und viele Krankheiten treten im Alter auf. Andere werden für Sünden der Vergangenheit büßen, sagt Behr: Etwa gefährdete Arbeitnehmer wie Bauarbeiter, Bäcker oder Installateure, die in ihrem Beruf mit Asbest oder Staub zu tun hatten – und natürlich (Ex-)Raucher: „Die Belastung durch Rauchen geht nicht weg“, sagt Behr. „Der Schaden bleibt.“
Fatal: Krankheiten werden oft viel zu spät erkannt. Eine Lungenerkrankung zeigt sich oft an Atemnot bei Anstrengung, Reiz- oder chronischem Husten und Müdigkeit. Betroffene gehen im Schnitt aber erst nach zwei Jahren zum Arzt. Der erkenne die Alarmzeichen aber oft nicht – oder deute sie falsch, so Behr.
Chronische Lungenkrankheiten sind teuer: 24 Milliarden Euro kosten sie derzeit jährlich in Deutschland – allein COPD kostet 4 Milliarden, Lungenkrebs und Bronchitis je drei Milliarden Euro.
In Bayern verbreitet: Die „Farmer-Lunge“. „Die bessere Luft in Bayern führt nicht unbedingt zu weniger Lungenkrankheiten“, sagt Jürgen Behr. Krankheiten wegen Rauchen oder Asbest gebe es im Freistaat so oft wie anderswo. Typisch bayerisch sei die „Farmer-Lunge“: Sie taucht bei Bauern auf und entsteht durch Heustaub und Schimmelpilze, die sich in feuchtem Heu vermehren.
Das wollen die Münchner Forscher erreichen: Kaputtes Lungengewebe kann sich bis zu einem gewissen Grad selbst reparieren. Das wollen die Ärzte mit Hilfe von Gentechnologie irgendwann steuern. „Eine Vision für die nächsten zehn, 20 Jahre“, sagt Behr. In Zukunft soll es auch genauere Prognosen geben: Wie eine Krankheit nach der Diagnose verläuft, sei bisher kaum zu sagen, sagt Behr. Das soll genauer werden.
Dafür will Behr mehr Geld: Lungenforschung sei in Deutschland jahrzehntelang vernachlässigt worden, sagt Behr – vor allem finanziell. Zahlen nennt er nicht, sagt aber: „Es gibt in Deutschland sieben Lehrstühle für Lungenheilkunden – und 30 für Kardiologie.“