Krank im Urlaub - das kostet Münchnerin 8000 Euro

Eva Bodensteiner (67) muss im Türkei-Urlaub ins Krankenhaus. Das Herz. Die AOK zahlt nur einen Bruchteil der Kosten.
von  az
Eva und Helmut Bodensteiner mit dem Schreiben von der AOK.
Eva und Helmut Bodensteiner mit dem Schreiben von der AOK.

MÜNCHEN Das Ehepaar Bodensteiner freute sich auf eine Woche Kulturprogramm in der Türkei. Doch der Urlaub entwickelte sich zum Albtraum. Eva Bodensteiner wurde krank. Sehr krank. Lungenentzündung, extrem hoher Blutdruck, akuter Sauerstoffmangel, Vorhofflimmern – der Hotelarzt ließ die 67-Jährige sofort ins Krankenhaus bringen.

Dort, in einer Klinik in Side, musste ihr ein Herzschrittmacher eingesetzt werden. Und zwar auf eigene Rechnung. Die Rentnerin aus Türkenfeld hatte keine Auslands-Krankenversicherung abgeschlossen. „Das war ein Fehler, das weiß ich jetzt“, sagt sie. Sonst hätten ihr Mann und sie immer vorgesorgt. Nur diesmal habe sie sich irritieren lassen – weil ein halbes Jahr vor dem Urlaub die neue Gesundheitskarte eingetrudelt war.

Daraufhin habe sie telefonisch bei der AOK angefragt, wo die Karte denn gelte. „In Europa und der Türkei“ sei die Antwort gewesen, erzählt Eva Bodensteiner. Eine falsche Auskunft? Ein Missverständnis? Das lässt sich jetzt kaum mehr klären. Das Unheil nahm seinen Lauf. Im Urlaub bekam sie eine schlimme Bronchitis. „Mir ging’s einfach total schlecht.“ Ins Krankenhaus wollte sie trotzdem nicht.

Sie, die bislang nur ein einziges Mal in der Klinik gewesen war: „Bei der Geburt meiner Tochter.“ Auch Herzprobleme hatte sie nie gehabt. Doch jetzt, erklärte ihr der Hotelarzt, bestünde Lebensgefahr. Dann ging alles ganz schnell. Rettungswagen. Intensivstation. An eine Rückreise nach Deutschland war nicht zu denken.

„Ich hatte absolutes Flugverbot“, berichtet Eva Bodensteiner. Was es ihr etwas leichter machte: In der Privatklinik, in die man sie ohne Rücksprache gebracht hatte, fühlte sie sich gut versorgt. Dass die AOK-Karte dort nicht akzeptiert wurde, war erst einmal die geringste Sorge des Ehepaars. Helmut Bodensteiner zahlte die entstehenden Kosten täglich mit EC-Karte.

„Im Krankenhaus hieß es, wir bekämen das Geld von der Kasse zu 90 Prozent zurück“, erzählt er. Von wegen. Nach zwölf Tagen konnte Eva Bodensteiner endlich heim. 9364,18 Euro hatte ihre Behandlung gekostet. Nach ihrer Rückkehr, es war Ende Januar, reichte sie einen Antrag auf Kostenerstattung bei der AOK ein. Im April bekam sie dann den Brief.

„Für die Behandlung im Ausland überweisen wir Ihnen in den nächsten Tagen einen Betrag in Höhe von 1385,60 Euro auf das von Ihnen angegebene Konto.“ Knapp 15 Prozent der Summe. „Ich dachte, ich sitz’ neben mir!“, sagt Eva Bodensteiner. Warum so wenig?

Auf AZ-Anfrage heißt es bei der AOK: „Das Gesetz schreibt den Krankenkassen vor, dass sie lediglich die Kosten erstatten dürfen, die der türkischen gesetzlichen Krankenversicherung entstanden wären.“

Und deren Tarif liegt eben bei den besagten 1385 Euro. Die deutschen Krankenkassen hätten dabei keinen Ermessensspielraum. „Wir bedauern, dass wir Frau Bodensteiner keinen höheren Betrag erstatten dürfen.“

Dabei hätte die von der Versicherung bezahlte Summe auch in Deutschland bei weitem nicht für eine Behandlung gereicht. Die AOK erklärt: Die Patientin sei in der Türkei in einer „teuren Privatklinik“ behandelt worden. In einer deutschen Klinik hätte der Herzschrittmacher demnach rund 5100 Euro gekostet.

Wobei wohl auch hierzulande weitere Kosten angefallen wären, etwa für den Sanka-Transport. Gerecht findet das Ehepaar Bodensteiner die gültige Regelung nicht. Und dass die beiden selbst für den Großteil der Kosten, rund 8000 Euro, aufkommen müssen, tut ihnen finanziell auch weh. „Das war unser Notgroschen.“ Trotzdem sagt Eva Bodensteiner: „Für mich ist es letztlich gut abgelaufen. Für uns.“ Dann schaut sie ihren Mann an und fügt hinzu: „Sonst wärst du heute Witwer.“


 

Karte, Krankenschein, Extra-Versicherung? So geht’s

Urlaub, Entspannung – und plötzlich wird man krank. Was tun, damit dann nicht hohe Arzt- oder Klinikkosten auf einen zukommen? Wo endet der Versicherungsschutz? Ein Überblick.

 

  • Wer in Länder des Europäischen Wirtschaftsraumes, in die Schweiz, Kroatien, Mazedonien oder Serbien reist, sollte immer seine Europäische Krankenversicherungskarte dabei haben. Die befindet sich in der Regel auf der Rückseite der Versichertenkarte. Damit können alle medizinischen Leistungen in Anspruch genommen werden, die nicht bis nach der Heimreise aufschiebbar sind. Und zwar zu den selben Konditionen, die für die Einheimischen gelten. Bei einer Urlaubsreise nach Belgien, Finnland, Frankreich, Island oder Luxemburg sind die Behandlungskosten nach Angaben der Techniker Krankenkasse (TK) aber zunächst selbst zu bezahlen – trotz dieser Karte. „Wichtig ist, dass man sich vom Arzt und der Apotheke eine detaillierte Rechnung über die erbrachten Leistungen ausstellen lässt“, empfiehlt Bayerns TK-Chef Christian Bredl. Diese Rechnungen reicht man nach der Rückkehr bei seiner Krankenkasse ein. „Damit dem Patienten bei einem Krankenhausaufenthalt keine unnötigen Mehrkosten entstehen, sollte er im Notfall unbedingt ein Vertragskrankenhaus aufsuchen“, rät Bredl. Bei der AOK heißt es dazu: „Ärzte und Rettungskräfte vor Ort wissen in der Regel, wer Vertragsarzt beziehungsweise Vertragskrankenhaus ist.“
  • Auch der Auslandskrankenschein hat noch nicht ausgedient. „In Ländern mit Sozialversicherungsabkommen wie Türkei, Tunesien oder Montenegro wird er immer noch benötigt“, sagt Stephan Mayer von der TK. Er ist eine Art Berechtigungsausweis. Damit die Ärzte und Einrichtungen im Ausland wissen, dass man daheim eine Krankenversicherung hat. Am besten ist es, seiner Krankenkasse rechtzeitig vor dem Urlaub das Reiseland konkret zu benennen. Und sich informieren zu lassen.
  • Wer eine Fernreise plant, sollte in jedem Fall eine private Auslandsreise-Krankenversicherung abschließen. Hier greift der Schutz der gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr. Auch innerhalb Europas ist eine solche private Absicherung aber sinnvoll. Denn wenn zum Beispiel ein Rücktransport nach Deutschland notwendig wird, übernehmen die Kassen die Kosten nicht. Ein weiteres Argument für eine Auslands-Krankenversicherung: Auch wenn der Arzt im Ausland nur gegen Privatrechnung behandelt, beteiligt sie sich an den Kosten, die den Kassensatz übersteigen. Die Jahresbeiträge zu solchen Auslands-Versicherungen sind niedrig – schon für sieben bis 15 Euro ist der Extra-Schutz zu haben. Julia Lenders

 

 

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