Kraillinger Doppelmord: Prozess im Januar

Fast ein Jahr ist der Doppelmord an den Kraillinger Schwestern Chiara und Sharon her. Deren Onkel sitzt seitdem in Untersuchungshaft und schweigt. Im Januar soll ihm der Prozess gemacht werden.
München - Der Mord an den Kraillinger Mädchen Chiara und Sharon hat im vergangenen Frühjahr ganz Deutschland erschüttert: Dringend tatverdächtig ist ein Onkel, der sich in der Nacht zum 24. März 2010 in die unversperrte Wohnung eingeschlichen und seine acht- und elfjährigen Nichten brutal ermordet haben soll. Am 17. Januar 2012 beginnt vor dem Landgericht München II der Prozess. Der Postbote aus Peißenberg hat selbst vier Kinder. Sie spielten gerade mit Nachbarskindern im Haus der Familie, als am 1. April 2010 die Polizei kam und den Vater verhaftete.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Mann „heimtückisch und aus Habgier“ mordete, weil er auf das Erbe seiner Schwägerin spekulierte, die er nach Einschätzung der Ermittler ebenfalls umbringen wollte. Die Tatwerkzeuge: Hantelstange, Messer und Strick.
„Es ist eine Fülle von Indizien, die uns zu diesem Ergebnis bringt“, sagt Oberstaatsanwältin Andrea Titz. „Wir gehen davon aus, dass er erwartet hat, die Mutter im Laufe des Abends noch anzutreffen.“ Doch die Schwägerin half in der Musikkneipe ihres Freundes, nur etwa 100 Meter von der Wohnung entfernt. Als sie am frühen Morgen von der Arbeit nach Hause kam, fand sie ihre toten Kinder. Sie und ihr Freund zogen sich nach der Tat vollkommen zurück, stehen seitdem nicht mehr hinter dem Tresen. Freunde und Bekannte betreiben vorerst die beliebte Musikkneipe weiter.
Als Motiv vermutet die Anklagebehörde, dass der Mann Geld brauchte und auf das Erbe spekulierte – er soll in finanziellen Schwierigkeiten gesteckt haben. Laut Medienberichten soll es unter anderem eine Eigentumswohnung gegeben haben, die beiden Familien gehörte.
Der Postbote hatte die Tat in ersten Vernehmungen bestritten, seitdem schweigt er. Es steht also ein Indizienprozess bevor. Sein Anwalt will sich vor dem Prozess nicht äußern.
Der Vorsitzende Richter am Landgericht München II, Ralph Alt, wird den Prozess führen. Alt hatte erst im Frühjahr 2010 den Nazi-Helfer John Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord an mindestens 28 060 Juden zu fünf Jahren Haft verurteilt, ebenfalls in einem Indizienprozess - wenngleich mit ungleich schwierigerer Thematik.
In der Kraillinger Wohnung der Opfer waren viele DNA-Spuren des Angeklagten gefunden worden, unter anderem an den Leichen der Kinder und den mutmaßlichen Tatwaffen, der Hantelstange und dem Messer. Auch ein Seil stammte den Ermittlungen zufolge von dem Onkel. Seine Frau hält ihn für schuldig – und hat das auch in einem Interview gesagt. Sie ist inzwischen geschieden.
Bisher sind 13 Prozesstage bis zum 27. März 2012 angesetzt. Ob dann das Urteil gesprochen werden kann, ist aber offen. Die Staatsanwaltschaft hat dem Gericht neben zahlreichen weiteren Beweismitteln immerhin 54 Zeugen und 9 Sachverständige benannt, darunter einen Mithäftling. Wer tatsächlich geladen wird, entscheidet das Gericht.
Sicher dürfte sein, dass die Mutter der Mädchen, die auch als Nebenklägerin an dem Verfahren teilnehmen wird, als Zeugin gehört wird. Mindestens einmal also wird sie kommen müssen – und dem mutmaßlichen Mörder ihrer kleinen Töchter gegenübertreten.