Krailling: Thomas S. erst nächstes Jahr vor Gericht
Drei Monate ist der Doppelmord an den Kraillinger Schwestern Chiara und Sharon her. Der Onkel sitzt in Untersuchungshaft und schweigt. Seine Frau hält ihn für schuldig – und sagt das auch öffentlich. Durch ihren Mann hat ihre Schwester vielleicht ihre Kinder verloren.
Krailling/München – Die Pflanzen auf dem Balkon sind verdorrt, in einem Fenster hängt ein buntes Gesicht, vielleicht ein Nikolaus: Ein Vierteljahr nach dem Doppelmord an den Schwestern Sharon (11) und Chiara (8) aus Krailling ist die Wohnung der Familie in dem Münchner Vorort noch immer versiegelt, die Mutter ist mit ihrem Lebensgefährten an einem unbekannten Ort. Der Onkel der Mädchen, selbst Vater von vier Kindern, sitzt weiter in Untersuchungshaft. Der Postbote soll die Kinder in der Nacht zum 24. März umgebracht haben, als die Mutter hundert Meter entfernt in der Kneipe ihres Freundes, dem Schabernack, arbeitete. Im August will die Staatsanwaltschaft Anklage erheben.
„Die Ermittlungen gehen ihren Gang“, sagt Oberstaatsanwältin Andrea Titz. Anfang August würden der polizeiliche Schlussbericht sowie einige schriftliche Gutachten – etwa zur Auswertung der Spuren - erwartet. Auch das psychiatrische Gutachten über den Beschuldigten sowie weitere Zeugenvernehmungen stünden noch aus.
Sein Mandant werde zunächst weiter schweigen, sagt der Anwalt des 50-Jährigen, Karl Peter Lachniet. „Ich werde ihm auch nichts anders raten. Wenn eine Anklage vorliegt, wird natürlich die Verteidigungsstrategie überprüft werden müssen. Dann beginnt ein neues Spiel.“ Ein Indizienprozess sei aber nicht ausgeschlossen.
Mit einem Beginn des Prozesses rechnet Oberstaatsanwältin Titz nicht vor Beginn nächsten Jahres. Die zuständige Schwurgerichtskammer habe schon jetzt keine Termine für dieses Jahr mehr.
Die Ehefrau glaubt inzwischen fest an die Schuld ihres Mannes. Ihre Schwester hat möglicherweise durch ihren Mann ihre Kinder verloren. „Für mich gibt es keinen Zweifel, dass er es war“, sagte die 44-Jährige dem Magazin „Stern“. „Das wären zu viele Zufälle.“ Ihr Mann war am 1. April in dem Haus der Familie in Peißenberg verhaftet worden, während die vier Kinder mit Nachbarkindern im Haus spielten.
Damals hatte die Frau ausgesagt, ihr Mann sei die Tatnacht über bei ihr gewesen – eine Angabe, die sie schon in der zweiten Vernehmung revidierte. Ihr Mann habe sie früh morgens angerufen, dass er wegen Zahnschmerzen nicht habe schlafen können und schon an seine Arbeitsstelle nach Feldafing gefahren sei, weil er so viel zu tun habe, sagte sie dem „Stern“.
„Heute gibt es natürlich vieles, von dem ich sage, da hätte ich vielleicht Verdacht schöpfen können.“ Auf die Nachricht von der Tat habe er sehr emotionslos reagiert. Dass er alleine – ohne ihr Wissen - ihre Schwester in Krailling besucht und dabei Nasenbluten bekommen habe, könne sie sich nicht vorstellen. „Zwischen der Familie meiner Schwester und meiner herrschte absolute Funkstille, was hätte er dort zu suchen gehabt?“ Er hatte anfangs angegeben, seine DNA-Spuren in der Wohnung der Schwägerin stammten von einem Nasenbluten.
Seine DNA war vielfach in der Wohnung gefunden worden, unter anderem an den Leichen der Kinder und an den mutmaßlichen Tatwaffen, einer Hantelstange und einem Messer. Auch ein Seil, das bei dem Mord verwendet worden war, stammte den Ermittlungen zufolge von dem Onkel.
Ein wenig Normalität ist in der Kneipe Schabernack eingekehrt. Die Mutter und ihr Lebensgefährte stehen allerdings nicht wieder hinter dem Tresen. Anfangs kümmerten sich Freunde und Stammgäste um die Musikkneipe. Kürzlich hat Joachim Karg von Bebenburg, ein langjähriger Bekannter und erfahrener Wirt, vorläufig das Zepter übernommen – für drei Monate, dann soll in diesem Rhythmus weiterentschieden werden. Nach der Sommerpause wird es auch wieder Konzerte geben. „Wir halten alle zusammen“, sagt eine Mitarbeiterin. Die Kultkneipe soll weiterlaufen – bis der Wirt und seine Lebensgefährtin nach dem schrecklichen Geschehen irgendwann doch wieder selbst ihre Gäste bedienen können.