Krailling-Mord: Wer will Thomas S. verteidigen?

Immer mehr Indizien sprechen dafür, dass Thomas S. der Kindermörder von Krailling ist. Hier erklären Anwälte, warum sie den Fall gern übernehmen würden: Es geht um den Werbeeffekt
von  Ralph Hub

München - Stück für Stück fügt sich das Puzzle zusammen. Die Soko „Margarete“ trägt immer mehr belastende Indizien zusammen. Der am Tatort sichergestellte genetische Fingerabdruck, Spuren von Gewalt, die sowohl bei den toten Mädchen Sharon († 11) und Chiara († 8) als auch bei Onkel Thomas S. gefunden wurden, helfen den Ermittlern.

Was fehlt, ist ein Zeuge, der den mutmaßlichen Kindermörder Thomas S. (50) in der Tatnacht gesehen hat, wie er nach Krailling fuhr oder zurück in sein Haus im 50 Kilometer entfernten Peißenberg. Derzeit wird der Wagen des Verhafteten untersucht. „Jetzt beginnt die kriminalistische Kleinstarbeit“, sagt Polizeisprecher Wolfgang Wenger.

Thomas S. soll seine Nichten brutal erschlagen und erstochen haben. Die Vorwürfe und die Indizien sind so ungeheuerlich, dass man sich fragen darf: Wer will so einen Mann im bevorstehenden Prozess verteidigen? Antwort: Wohl ziemlich viele.

Für einen Anwalt gewährleistet der Auftritt in einem so spektakulären Strafverfahren große Aufmerksamkeit. Das steigert den Bekanntheitsgrad, zumal Anwälte nur bedingt und dezent für sich werben dürfen (etwa auf Bussen, Taxen oder Reklametafeln). „Die Mundpropaganda ist für neue Aufträge entscheidend“, erklärt Walter Rubach. Der Augsburger Strafrechtler hat im Ursula-Herrmann-Prozess den Angeklagten Werner M. verteidigt (M. bekam lebenslänglich). Rubach sagt: „Kurzfristig springen vielleicht ein paar Mandanten ab, die damit nichts zu tun haben wollen, aber mittel- und langfristig rentiert sich das.“

Rubachs Kollege bei der Verteidigung im Ursula-Herrmann-Prozess, Walter Seitz, ist selber Vater von Töchtern. Bedenken, einen Kindermörder zu vertreten, hätte er nicht: „Von Gefühlen muss man sich frei machen.“ Auch ein Mörder habe Anspruch, „dass seine Rechte gewahrt bleiben“. Einen Mandanten aus moralischen Gründen abzulehnen, vergleicht Anwalt Seitz mit „einem Chirurgen, der kein Blut sehen kann“. Auch er würde Thomas S. gern vertreten. Bisher macht das ein anderer Kollege, der am Samstag mit der Verteidigung beauftragt wurde. Aber: Bis zu drei Verteidiger sind möglich. Mit Bewerbungen von Anwälten ist zu rechnen.

 


 

Wie Beschuldigte einen Anwalt bekommen

 

Bereits vor der Vernehmung wird man nach der Festnahme über seine Rechte aufgeklärt. Dazu gehört das Recht zu schweigen – aber auch, einen Anwalt dazu kommen zu lassen.

Nach der Vernehmung entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob die vorliegenden Beweise für einen Antrag auf Haftbefehl ausreichen. Wenn dieser Antrag beim Amtsgericht eingeht, muss bis zum Ende des nächsten Tages entschieden werden. Dafür gibt es auch am Wochenende einen richterlichen Jourdienst.

Der Haft- oder Ermittlungsrichter entscheidet in der Regel nach Aktenlage, ob dem Beschuldigten der Haftbefehl eröffnet wird. Er kann sich aber auch den Beschuldigten vorher noch einmal anhören.

Entscheidet der Haftrichter, dass der Haftbefehl eröffnet werden soll, wird ihm der Beschuldigte vorgeführt. Jetzt wird der nochmal darauf hingewiesen, dass er sich zu den Vorwürfen nicht äußern muss. Hat er zu diesem Zeitpunkt immer noch keinen Anwalt, bekommt er Gelegenheit, einen Verteidiger zu engagieren.

Dazu gibt es eine Liste bei der jeweiligen Staatsanwaltschaft mit Namen möglicher Pflichtverteidiger. Diese wird nach Rücksprache mit den betroffenen Anwälten von der Rechtsanwaltskammer zusammengestellt. Daraus kann sich der Beschuldigte einen aussuchen.

Will er selber keinen Verteidiger, wählt der Richter einen Anwalt aus der Liste aus und ordnet diesen dem Verhafteten als Pflichtverteidiger bei. Der Verteidiger bekommt nach der Haftbefehleröffnung sofort Akteneinsicht. Seinen Mandanten kann er sofort besuchen.

 

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