Krailling: "Dem Typen will ich in die Augen schauen"

Viele Kraillinger sind als Zeugen im Mordprozess geladen. Einige fürchten den Gang ins Gericht. Andere möchten als Zuschauer dabei sein.
von  Barbara Brießmann
Die Opfer: Chiara und Sharon. Ihr mutmaßlicher Mörder steht ab Dienstag vor Gericht.
Die Opfer: Chiara und Sharon. Ihr mutmaßlicher Mörder steht ab Dienstag vor Gericht. © Petra Schramek

Viele Kraillinger sind als Zeugen im Mordprozess geladen. Die Stimmung im Ort ist angespannt. Einige fürchten den Gang ins Gericht. Andere möchten als Zuschauer dabei sein.

KRAILLING - Es wird der wohl spannendste Gerichtsfall des noch jungen Jahres – vor allem für die Würmtalgemeinde Krailling. Dort steigt die Anspannung. Es geht um den Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder Thomas S.; der 51-Jährige soll seine Nichten Chiara (8) und Sharon (11) auf grausame Art umgebracht haben (siehe links). Es geschah in der Nacht vom 23. auf den 24. März 2011.

Inzwischen sind die Ladungen für die Zeugen verschickt, es sind mehr als 50. Gerade aus der Nachbarschaft von Thomas S., der für sich, seine Frau und die vier gemeinsamen Kinder ein Haus in Peißenberg gebaut hat, sollen viele aussagen.

Aber auch in Krailling herrscht viel Verwunderung: „Warum ich – und warum nicht er?” Der eine muss aussagen, der andere nicht.
Mit Hochdruck hatte die Mordkommission ermittelt und verhört. Gleich in den Morgenstunden, nachdem die Mädchen erstochen, erschlagen und erdrosselt gefunden worden waren von ihrer Mutter und deren Lebensgefährten, wurden Nachbarn und Bekannte mit zum Verhör genommen. Doch von diesen steht beinahe niemand mehr auf der Zeugenliste.

„Ich habe doch alles gesagt”, meint einer der letzten Gäste, die in der Tatnacht in der benachbarten Musikkneipe „Schabernack” waren. Dort hatte die Mutter der Kinder gearbeitet. Der Gast aus dieser unseligen Nacht muss im Februar vor Gericht erscheinen. „Warum nicht mein Freund?” Für den Rentner ist es das Grauen: „Ich will dieses A... nicht sehen.”

Mit dem Kraftausdruck meint er den tatverdächtigen Onkel. Von ihm sind Spuren am Tatort und an den Tatwaffen gefunden worden; Geldnot und Missgunst gelten als mögliche Motive für die heimtückische Tat. Entsprechend reagieren die Menschen in Krailling. Thomas S. ist dort zwar mal zu Besuch bei seiner Verwandtschaft gewesen. Aber ihn kannten dort nur wenige – bis zu seiner Festnahme.

„Diesem Typen will ich in die Augen schauen”, sagt ein Kraillinger. Er hat keine Ladung, will aber unbedingt zum Prozess – so wie ein Freund aus dem „Schabernack”, wo der Lebensgefährte der Mutter der ermordeten Mädchen Pächter ist: „Ich habe alles gesagt – aber den will ich sehen.”

Sie sind sich alle sicher, dass es der Onkel der Mädchen war. So wie auch eine Hauptbelastungszeugin. Sie hatte die Ermittler erst auf die Spur des Verdächtigen geführt. „Als ich die Ladung bekommen habe, bin ich furchtbar erschrocken. In drei Tagen habe ich vier Kilo Gewicht verloren”, sagt die Hausfrau, die alle beteiligten Familien gut kennt. „Angst habe ich inzwischen keine mehr, aber ich brauche Zeugenbetreuung. Allein gehe ich nicht da hin.”

Der Kraillinger, der unmittelbar nach dem Mord als einer der Ersten von der Polizei vernommen worden ist, sagt nun: „Ich bin heilfroh, dass ich nicht ins Gericht muss. Da will ich auch nicht hin.”
Und dann kommt auch von ihm der Satz: „Ich habe doch alles gesagt.”

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