Kräuter: ähnlich – und gefährlich

MÜNCHEN - Nach dem Tod eines Rentners, der den Bärlauch mit Herbstzeitlosen verwechselte, warnen Experten vor dem unbedachten Kräutersammeln
Die Blätter des Bärlauch fanden in den vergangenen Jahren immer mehr kulinarische Anhänger. Viele mögen ihren knoblauch-ähnlichen Geschmack. Einem Rentner aus Neufahrn wurde das zum Verhängnis. Der 70-Jährige verzehrte einen Salat mit selbst gesammelten Bärlauchblattern – das dachte er zumindest. Denn auf seinem Teller landeten die Blätter der Herbstzeitlosen. Eine tödliche Verwechslung: Am Sonntag starb der Mann im Klinikum rechts der Isar an Multiorganversagen (AZ berichtete.). Wegen der hohen Verwechslungsgefahr raten nun viele Experten vom Bärlauchsammeln ab.
„Bärlauch sieht den Blättern der giftigen Herbstzeitlose sehr ähnlich“, sagt die Leiterin des Giftnotrufs München, Gabrijela Gerber. Dort gehen im Jahr etwa 30 Anrufe von Menschen ein, die glauben sich vergiftet zu haben. „Bei einem Drittel handelt es sich dann wirklich um eine Vergiftung.“ Ein Fall pro Jahr im Zuständigkeitsbereich des Münchner Giftnotrufs endet tödlich.
Nur wer sich auskennt, sollte Kräuter sammeln
Vor zehn Jahren gab es noch kaum Fälle einer Vergiftung durch die Herbstzeitlose. Dass die Anzahl in den vergangenen Jahren zunahm, ist mit dem Trend zum Bärlauchverzehr zu erklären.
Kräuterexpertin Gertrud Scherf rät, nur Kräuter aus der freien Wildbahn zu sammeln, wenn man sich wirklich auskennt. Nicht nur der Bärlauch hat gefährliche Doppelgänger: Kerbel kann mit Schierling, Petersilie mit der giftigen Hundspetersilie verwechselt werden (siehe oben). „Wer seine Küchenkräuter selbst sammeln möchte, sollte auf jeden Fall bei einer Pflanzenkunde-Tour mitgehen und Fachliteratur lesen“, sagt Scherf, „und wenn man sich nicht sicher ist – unbedingt stehen lassen!“
Der Verlauf der Vergiftung mit Blättern der Herbstzeitlosen ist immer gleich. „Eine bis sechs Stunden nach dem Verzehr kommt es zu einem komischen Gefühl im Mund“, sagt Gerber. Vor allem im Hals mache sich ein Kratzen und Brennen bemerkbar. „Weitere Symptome sind Erbrechen und Durchfall.“
Gegen Herbstzeitlose gibt es kein Gegengift
Das Problem: Nur die Symptome können behandelt werden, es gibt kein Gegengift. Anders bei den ebenfalls giftigen Maiglöckchen, deren Blätter auch oft mit denen des Bärlauchs verwechselt werden.
Trotzdem können die Blätter schon beim Pflücken unterschieden werden: Die vom Bärlauch haben einen Stängel, die Herbstzeitlose wächst direkt aus dem Boden. Oft wird als Unterscheidungsmerkmal auch der Knoblauchgeruch vom Bärlauch genannt. Darauf verlassen sollte man sich nicht. „Man kann den Geruch auch leicht verwechseln“, sagt Diplom-Biologe Tobias Maier.
Bärlauch ist eine Waldbodenpflanze. In München wächst sie im Englischen Garten, an den Isarauen und im Nymphenburger Schlosspark. Auch Kenner sollten ein ganzes Feld nicht einfach abernten. „Es kann sein, dass die Herbstzeitlose dazwischen wächst. Man muss ein Feld Blatt für Blatt ernten“, sagt Maier. „Sonst können giftige Blätter im Kochtopf landen.“
V. Duregger, L. Kaufmann