Kot, Spritzen, Abfall: Das alles landet in der Post
MÜNCHEN Wenn die sorgfältig gefaltete Zeitung auf dem Förderband anrollte, wusste Marianne Planitzer schon Bescheid: Wieder eine Ladung Gemüse- und Obstabfälle! Ein halbes Jahr lang bedachte ein Unbekannter die Mitarbeiter des Briefzentrums in der Arnulfstraße mit seinem Bio-Müll. Dann hörte er plötzlich auf mit dem Unsinn.
Eine echte Erleichterung für Marianne Planitzer und ihre Kollegen – allerdings nicht das Ende ungewöhnlicher Funde aus den 850 Münchner Briefkästen. Was da Tag für Tag auftaucht, ist wirklich erstaunlich.
Marianne Planitzer ist Gruppenführerin in der Briefordnerei. Rund 4,5 Millionen Sendungen pro Tag werden dort in Spitzenzeiten bearbeitet – und unzählige Fundstücke ohne Briefmarke. „Geldbörsen samt Ausweisen zum Beispiel. Da haben wir jeden Tag bis zu zehn Stück”, berichtet die Münchnerin. Die meisten wurden ihren Besitzern gestohlen, die Diebe haben das Bargeld rausgenommen und den Rest in den Briefkasten gesteckt – immerhin. „So kriegen es die Bestohlenen wenigsten wieder zurück”, sagt die Post-Mitarbeiterin.
Überhaupt die Ausweise. Ob gestohlen oder schlicht verloren oder aus Versehen in den Briefkasten geworfen: Bankkarten, Persos, Reisepässe, Dienst- und Firmenausweise, Sozialversicherungs-, Schüler- und Studentenausweise, Monats- und Bahnkarten. „Sehr viele”, antwortet Marianne Planitzer auf die Frage nach der Menge.
Dazu beschäftigen sie und ihre Kollegen reihenweise Wohnungs- und Autoschlüssel – manchmal sogar komplett mit dem Kfz-Schein. Außerdem jede Menge CDs oder USB-Sticks. Oder natürlich Handys. „Kürzlich hatten wir eines, das war noch eingeschaltet – und hat geklingelt”, erinnert sich die Postlerin. Am anderen Ende meldete sich die Besitzerin – sie stand schon an der Eingangstür des Briefzentrums.
Lese- und Sonnenbrillen tauchen auch sehr oft auf einem der Sortierbänder auf. Nicht ganz so häufig: Bargeld. Mal lose, mal in einem unfrankierten Umschlag. Ganz offensichtlich also aus Versehen mit richtiger Post eingeworfen. Kürzlich hatte eine Wiesn-Bedienung auf diese Weise ihren Verdienst versenkt. Sie bekam das Geld zurück. Weil sie „Zeitpunkt des Einwerfens und die Summe glaubhaft nachweisen konnte”, sagt Schichtführer Josef Ehrat.
Überhaupt – die Wiesn. In diesen 16 oder 17 Tagen landen jeden Abend bis zu 30 Fundstücke bei den Sortierern. Alles, was man so dabei hat und was durch den Briefkastenschlitz passt – bis hin zur Damentasche. Dazu noch offensichtlich überflüssig gewordene Textilien: Unterwäsche, Socken, T-Shirts. Und sogar Schuhe. „Das ist auch nicht gerade angenehm”, sagt Marianne Planitzer zu diesen Funden, die meist in der wärmeren Jahreszeit auftauchen. Im Winter sind es dann oft schmutzige Handschuhe oder Jacken.
Während diese unpassenden Gegenstände oft aus Versehen oder als merkwürdiger Spaß in den Briefkästen landen, ist eine andere Kategorie schon problematischer: Messer und Gabeln, leere Flachmänner, Glasscherben – sogar benutzte Einwegspritzen mit blutigen Nadeln. Ein, zwei Mal pro Monat kommt das vor. Eine echte Gefahr für die Postmitarbeiter. Und ein massiver Aufwand wegen der dann fälligen Desinfektions-Maßnahmen.
Eher in die Rubrik eklig gehört die komplette Brotzeit in der Post, die angenagte Pizza mit Tomatenmark, rohe Eier oder die Weißwurst, die von der Sortiermaschine aus ihrer Haut befreit wurde. „Das gibt eine Mordssauerei”, sagt die Gruppenführerin. Genau so wie der dicke Kaugummi, der zehn Briefe zusammengeklebt hat.
Mit wenig Freude erwarten die Sortierer den Jahreswechsel. Denn reihenweise lassen Zeitgenossen mit merkwürdigem Humorverständnis Silvesterraketen in Briefkästen explodieren. „Dabei werden die Briefe vernichtet”, erklärt Marianne Planitzer. „Und wir sind von oben bis unten rot und müssen die Giftstoffe einatmen.”
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