Kostenlose Kletterwand in München: Kraxeln in der Unterführung

München - Im Mai war er noch alleine mit seiner Idee. Als aber wegen der Corona-Maßnahmen alle Boulderhallen schlossen, sammelten sich bald 20 Kletterer um Maximilian Gemsjäger. Zusammen bilden sie das Kraxlkollektiv. Ihr Ziel: eine kostenlose Boulderfläche in München - für alle, egal ob Kinder oder Profis.
Bouldern in der Bahnunterführung: Klettern ohne Seil
Im australischen Melbourne kletterte Gemsjäger an einer öffentlichen Boulderwand, wenige Wochen zuvor hatte er von einem ähnlichen Projekt in Stuttgart erfahren. "Oh, das gibt es ja echt überall auf der Welt - nur in München noch nicht", dachte sich der heute 26-Jährige, und: "Dann muss ich das jetzt umsetzen."

In einer Bahnunterführung oder an einem anderen öffentlichen Ort will der Architekt eine Boulderfläche schaffen - also eine Wand mit Griffen zum Klettern. Bouldern ist, anders als klassisches Klettern, ohne Seil möglich, da man nur so hoch klettert, wie man gerade noch abspringen kann. Der Eintritt zu Münchens Boulderhallen kostet meist um die zwölf Euro.
Donnersbergerbrücke oder Candidplatz?
Zum Bouldern im Freien würde sich die Unterführung am Candidplatz eignen oder die Donnersbergerbrücke in der Nähe der Bahnschienen. Auch die hohe Autobahnbrücke der A9 an der Kreuzung zum Frankfurter Ring wäre als öffentliche Boulderfläche denkbar. Gemsjägers Favorit wäre der Oskar-von-Miller-Ring in der Maxvorstadt. Die ungenutzte Unterführung liegt zentral und böte Boulderplatz auf 750 Quadratmetern. Ideen für die Gestaltung hätte Gemsjäger, der seit sieben Jahren bouldert, bereits.
Die rechte Seite sollte glatt bleiben, sagt er, auf der linken Seite stellt er sich "viele verschiedene Formen mit Überhängen oder auch mal einer negativen Steigung" vor. Auch an der Decke wäre es möglich, zweieinhalb Meter über dem Boden zu klettern. Dieser würde mit Kies, Hackschnitzeln oder Matten ausgelegt.
Kraxlkollektiv möchte mit Stadtrat Konzept entwickeln
Um den öffentlichen Raum für das Projekt nutzen zu können, hat das Kraxlkollektiv Kontakt zum Stadtrat aufgenommen. CSU-Stadtrat Jens Luther brachte im Juni einen Antrag ein, nun in Dezember läuft die Frist für die Verwaltung aus, auf die Anfrage zu Antworten. Es könnte sein, dass die Antwort auf den Antrag lautet: weitere Prüfung vonnöten.

Im Idealfall aber, sagt Gemsjäger, "kommt bei dem Stadtratsantrag raus, welches Referat für uns zuständig ist - mit einem konkreten Ansprechpartner, mit dem wir ein Konzept entwickeln können". Eine wichtige Frage, die sich dann stellt, ist: Wer haftet für Unfälle? Die Stadt München könnte es tun, wie sie es bereits für Spielplätze tut, oder ein Verein, wie beispielsweise der Deutsche Alpenverein. Oder das Kraxlkollektiv wird selbst zum Verein und schließt eine Versicherung ab.
300.000 Euro: Finanzierung durch Spenden-Kampagne
Würde das Kraxlkollektiv die komplette Unterführung am Oskar-von-Miller-Ring zum Bouldern umrüsten, würde das um die 300.000 Euro kosten, schätzt Gemsjäger. Mit Materialspenden und einem hohen Anteil an Eigenarbeit glaubt er, die Kosten auf 60.000 Euro reduzieren zu können. Finanzieren würde das Kraxlkollektiv sein Projekt mit einer Spenden-Kampagne.
Für Planung und Bau der Wand, schätzt der Architekt, würden um die drei Monate vergehen. Mit viel Glück könnte also schon im April 2021 die Bouldersaison mitten in der Stadt eröffnet werden. Eine konkrete Kletterroute hat sich Gemsjäger für diesen Fall noch nicht ausgedacht. Aber für die Klettergriffe hat er eine Idee: Sie sollen aus Gründen der Nachhaltigkeit aus Müll geschmolzen werden.