Kostenlose E-Ladesäulen für München: Stadt reagiert nicht auf Angebot und riskiert Schadenersatz

München - Weil eine seit 2020 laufende Ausschreibung für 2.700 E-Ladesäulen fälschlicherweise als Dienstleistungsauftrag formuliert worden war, hat die Stadt auf ihrem Weg zu mehr E-Mobilität wertvolle Zeit verloren. "Wir könnten sofort loslegen", sagte Benno Ziegler der AZ. Der Münchner Rechtsanwalt vertritt den Ladesäulen-Hersteller Qwello.
Anfang des Jahres hatte Zieglers Kanzlei im Namen des Unternehmens beim Verwaltungsgericht Klage gegen die Stadt eingereicht. Das Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) lehnte den Qwello-Vorschlag, kostenfrei bis zu 1.800 Ladesäulen für Elektro-Fahrzeuge aufzustellen, mit dem Verweis auf die laufende Ausschreibung ab.
Qwello-E-Ladesäulen: "Es gibt kein Argument, warum München da keine Lösung sieht"
Dieses Argument hat sich angesichts des verhängnisvollen Verfahrensfehlers in Luft aufgelöst, und so liegt der Ball jetzt bei der Stadt. Die Entscheidung der Vergabekammer Südbayern biete die Chance, gemeinsam mit dem Mobilitätsreferat und dem Kreisverwaltungsreferat eine Lösung zu erarbeiten, "die den aktuellen Marktbedingungen Rechnung trägt und einen schnellen Beitrag zur Verkehrswende leistet", sagte Klimaschutz-Referentin Christine Kugler zuletzt der AZ.
"Schnell" könnte in diesem Fall bedeuten: Die Stadt meldet sich bei Ziegler, und man leitet gemeinsam mit Qwello alles in die Wege, um die 1.800 Ladesäulen aufzustellen, die München sehr gut brauchen kann. "Das Angebot steht weiter, und im Interesse des Steuerzahlers wäre es schön, wenn sich das Mobilitätsreferat jetzt bewegt", betonte Ziegler: "Es gibt kein Argument, warum die Stadt da keine Lösung sieht."
Mehr E-Ladesäulen für München: Florian Schönemann hofft auf "pragmatische Lösung"
Man erarbeite derzeit ein Konzept, das dem Stadtrat im ersten Quartal 2024 zur Entscheidung vorgelegt werden soll, teilte das Mobilitätsreferat auf Anfrage der AZ mit: "Auf dieser Basis wird die Verwaltung nach Maßgabe der Stadtratsvorgaben und dem darin festgelegten Konzept weiter über alle eingehenden Anträge entscheiden."

Bei den Grünen hofft man "auf eine pragmatische Lösung", wie Stadtrat Florian Schönemann im Gespräch mit der AZ betonte. "Die Stadt will das Problem flächendeckend lösen, und ich bin grundsätzlich zuversichtlich, dass der durch die fehlerhafte Ausschreibung entstandenen Zeitverlust schnell aufzuholen ist, zumal sich die E-Ladesäulen für private Anbieter inzwischen wirtschaftlich tragen."
Schönemann: Stadt muss Pakete für interessierte E-Ladesäulen-Anbieter schnüren
Schönemann sitzt für die Grün-Rosa-Liste-Fraktion im Mobilitätsausschuss und schlägt vor, in Zusammenarbeit mit den Bezirksausschüssen verstärkt in die Vergabe von Carsharing-Ladepunkten in München zu gehen: "Dabei kann die Stadt dann ganz gezielt Pakete von Losen für die interessierten E-Ladesäulen-Anbieter schnüren. Das heißt, zusätzlich zu einem zentralen, gefragten Standort wird ein dezentral gelegener angeboten."
Will der Anbieter also bildlich gesprochen das Sahnestückchen, so muss er sich auch für das weniger beliebte Stück Marmorkuchen bewerben. "So schafft man es, die Ladepunkte gut über München hinweg zu verteilen", sagte Schönemann.
Qwello-Rechtsanwalt Ziegler: Stadt droht Schadenersatz "im fünf- bis sechsstelligen Bereich"
Mobilitätsreferent Georg Dunkel hatte zuletzt in der AZ darauf verwiesen, dass man für einen schnellen Aufbau der Ladeinfrastruktur "Pläne in der Schublade" liegen habe. Er warnte aber auch: "Ohne mehr Ladeinfrastruktur auf Privatgrund, also zum Beispiel auf den Parkplätzen und in Tiefgaragen von Supermärkten, an Tankstellen, beim Arbeitgeber oder zu Hause, wird die Antriebswende nicht klappen. Hier müssen wir alle gemeinsam aktiv werden, damit in München künftig genügend Ladesäulen für Elektroautos zur Verfügung stehen."
Laut Ziegler hat die Stadt bis 15. Dezember Zeit, um im Zuge der Klage zu reagieren, dann gehe die Angelegenheit zur weiteren Prüfung an das Landgericht München. Der Rechtsanwalt fragt sich, warum die Stadt zögert, wo doch jetzt klar sei, dass die Ausschreibung von Anfang an rechtswidrig gewesen sei und sie daher Gefahr laufe, Schadenersatz "im fünf- bis sechsstelligen Bereich" zahlen zu müssen.
"Da erinnert mich Oberbürgermeister Dieter Reiter so ein bisschen an Bundeskanzler Olaf Scholz, der ja beim Thema E-Mobilität auch den Kopf in den Sand steckt", sagte Ziegler mit Blick auf den Autogipfel in Berlin, wo Scholz am Montag mit Vertretern der Branche über den weiteren Ausbau der Elektromobilität auf deutschen Straßen beriet.
Für VW-Konzernchef Oliver Blume sind schlechte Rahmenbedingungen die Ursache für den schleppenden Ausbau der Elektromobilität in Deutschland. "Wir brauchen eine besser ausgebaute Ladeinfrastruktur, vor allem in den Städten", sagte er der Zeitung "Augsburger Allgemeine". Auch Opel-Chef Florian Huettl mahnte einen schnellen Ausbau des Ladenetzes an: "Um das Ziel der Bundesregierung von einer Million öffentlich zugänglichen Ladepunkten bis 2030 zu erreichen, brauchen wir zehnmal mehr neue Ladepunkte."