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Kosten explodieren: So teuer ist künftig in München ein Pflegeplatz in den städtischen Altenheimen

Wer einen Platz bekommt, hat Glück - und muss viel bezahlen: 3.150 Euro kostet das Einzelzimmer. Was man selbst tun sollte und was die Stadt plant.
von  Christina Hertel
Plätze im Pflegeheim werden künftig noch teurer. (Symbolbild)
Plätze im Pflegeheim werden künftig noch teurer. (Symbolbild) © Christophe Gateau/dpa

München - Wer in München ganz plötzlich einen Platz in einem Heim sucht, wird sich schwertun: Denn die Einrichtungen sind voll. Das zeigt ein Bericht zur Pflege, der am Dienstag im Sozialausschuss vorgestellt wird. Demnach lag die Auslastung 2022 in den Münchner Alten- und Pflegeheimen bei 97,5 Prozent und damit etwas höher als im Vorjahr. Obwohl seit langem klar ist, dass Pflegeplätze in München fehlen, wurden sie weniger. Weil eine Einrichtung aufgab, standen vergangenes Jahr 7.903 Plätze zur Verfügung. 63 weniger als im Vorjahr.

"Man sollte sich frühzeitig auf eine Warteliste setzenlassen"

Renate Binder, die Geschäftsführerin der Münchenstift, empfiehlt deshalb: "Man sollte sich frühzeitig auf eine Warteliste setzenlassen." Auch wenn man sich noch nicht vorstellen kann, das Zuhause zu verlassen. Denn: "Spontan ist es schwierig." Auf den Wartelisten ihrer Heime stehen immer zwischen 20 und 30 Personen. Weil die Bewohner aber immer später ins Heim kommen und dann oft sehr alt und krank sind, bleiben die meisten nicht lange. Fast die Hälfte wohnt nicht länger als ein Jahr in ihren Einrichtungen, sagt Binder. Das heißt: "Es wird doch immer wieder etwas frei."

Besonders schwierig sei es, einen Kurzzeitpflegeplatz zu finden. Nur 81 Plätze waren 2022 belegbar. "Unser Eindruck ist, dass viele Einrichtungen den Verwaltungsaufwand scheuen", sagt Binder. Denn die Bürokratie sei bei einem Kurzzeitpflegeplatz besonders groß.

Vor einem Jahr war der Heimplatz noch 300 Euro günstiger

Wer einen Platz bekommt, muss das teuer bezahlen: Der Eigenanteil für ein Einzelzimmer betrug 2022 rund 3150 Euro für ein Einzelzimmer pro Monat. Rund 300 Euro mehr als noch ein Jahr zuvor. Im Doppelzimmer zahlten Senioren 2975 Euro. Rund 200 Euro mehr als 2021.

Anne Hübner berechnet beruflich die Entgelte für Pflegeheime. Chefin der SPD-Stadtratsfraktion zu sein, ist nämlich nur ein bezahltes, aufwendiges Ehrenamt. "Ich kriege oft die Verzweiflung mit, wenn die Entgelte steigen", sagt Hübner. "Aber die Einrichtungen haben keine andere Wahl." Denn die Pflegeversicherung decke nicht alle Kosten ab.

Kinder müssen meist nicht die Rechnung zahlen

Ein Grund für die gestiegenen Entgelte seien die Personalkosten, sagt sie. Entgegen dem Klischee verdiene eine Pflegekraft nicht schlecht: 3700 bis 3800 seien es nach der Ausbildung, sagt Hübner. Dass die Gehälter gestiegen sind, sei richtig. Jedoch müssten das gerade die Bewohner bezahlen. "Es müsste eine Debatte darüber geführt werden, ob die Beiträge für die Pflegeversicherung steigen müssten", sagt Hübner.

Auf der Straße zu landen, weil das Heim zu teuer ist, muss keiner fürchten: Dann springen die Sozialkassen ein. Kinder müssen die Rechnung erst übernehmen, wenn sie mehr als 100.000 Euro im Jahr verdienen.

In den nächsten Jahren stehen neue Plätze zur Verfügung: Ein neues Heim entsteht laut Hübner in der Prinz-Eugen-Kaserne. Außerdem baut die Münchenstift in Neufreimann. Über 200 Plätze soll es geben. Konzept und Grundstück stehen bereits fest, sagt Hübner. Auch in Freiham wird gebaut.

Gerade ist das Queer Quartier Herzog*in in Sendling fertig geworden. Dort sollen LGBTI*-Senioren wohnen. Und es sind noch Plätze frei, sagt Renate Binder von der Münchenstift, zu der das Heim gehört.

In diesem Neubauriegel am Herzog-Ernst-Platz entsteht (unter anderem) das Altenheim für Schwule und Lesben. Noch sind Plätze frei.
In diesem Neubauriegel am Herzog-Ernst-Platz entsteht (unter anderem) das Altenheim für Schwule und Lesben. Noch sind Plätze frei. © Bernd Wackerbauer

Eine größere Herausforderung als die Bauten ist das Personal, glaubt Hübner. Weil es fehlt, könnten Plätze immer wieder nicht belegt werden. Fast 72 Prozent der Pflegenden in München haben einen Migrationshintergrund. Ohne sie könne schon lange keine Versorgung sichergestellt werden, heißt es in dem Bericht. Aber nur darauf zu setzen, immer noch mehr Menschen aus dem Ausland anzuwerben, könne nicht die Lösung sein, meint Hübner. Sie fordert mehr Schulsozialarbeit in den Pflegeschulen, um zu verhindern, dass die Azubis ihre Ausbildung abbrechen. 71 Ausbildungsverträge in einem Heim wurden 2022 vorzeitig beendet.

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