Korruptionsverfahren: Münchner Patentanwalt ist wieder frei!

Schwerer Schlag für den BR: Die Beweislage gegen den Mann, der 200 Millionen Euro veruntreut haben soll, reicht angeblich nicht.
Nina Job |
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Der Bayerische Rundfunk – hier das Hauptgebäude in der Nähe des Hauptbahnhofs – erstattete Anzeige gegen den Patentanwalt.
dpa Der Bayerische Rundfunk – hier das Hauptgebäude in der Nähe des Hauptbahnhofs – erstattete Anzeige gegen den Patentanwalt.

München - In einem der größten Korruptionsverfahren Deutschlands haben die Staatsanwaltschaft München I und die Geschädigten – darunter der BR – einen schweren Rückschlag erlitten: Das zuständige Gericht ist offenbar überzeugt, dass die Beweislage gegen den Beschuldigten zu dünn ist.

Wie die AZ exklusiv erfuhr, wurde der Haftbefehl gegen den Münchner Patentanwalt vor wenigen Tagen aufgehoben. Die zuständige 5. Strafkammer des Landgerichts sieht keinen dringenden Tatverdacht mehr, sondern nur noch einen Anfangsverdacht. Tilmar K. ist wieder auf freiem Fuß – und wohnt wieder zuhause bei seiner Frau in der riesigen Villa im Münchner Westen.

Sind die Millionen nun verloren?

Der Verdacht gegen den Patentanwalt klang ungeheuerlich: Tilmar K. hatte jahrelang in einer Vertrauensposition für das Institut für Rundfunktechnik (IRT) gearbeitet – zuerst als Angestellter, später als externer Berater. Das IRT ist eine Forschungseinrichtung von ZDF, Deutschlandradio, ORF und ARD, zu der der BR gehört. Es verfügt über lukrative Patente. Unter anderem hat es Videotext mitentwickelt und das MPEG-Verfahren, mit dem sich Audiodateien komprimieren lassen.

Tilmar K. handelte für das IRT Verträge für Lizenzeinnahmen aus. Dabei soll er seine Position schamlos ausgenutzt haben, um sich selbst zu bereichern. Mindestens 200 Millionen Euro, die eigentlich dem IRT zugestanden hätten, soll er jahrelang in die eigene Tasche gewirtschaftet haben (AZ berichtete).

Die Millionen flossen großteils in eine Familien-GmbH mit Sitz in Leipheim bei Günzburg. Gesellschafter waren Tilmar K., seine Frau und seine Schwiegermutter. Den größten Anteil (50 Prozent) hielt sein Sohn. Allein die Ehefrau ließ sich seit 2009 aus dieser Gesellschaft für ihre Tätigkeiten Jahr um Jahr 350.235,01 Euro auszahlen.

Spürhunde suchen in der Villa nach Geldbündeln

Dass dem IRT jahrelang immense Summen entgingen, fiel offenbar erst Ende vergangenen Jahres auf. Im Mai erstattete der BR Strafanzeige gegen Tilmar K. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen Untreue in einem besonders schweren Fall und Bestechlichkeit auf. Außerdem werfen die Ermittler Tilmar K. Parteiverrat vor.

100 Millionen sind allerdings wohl in jedem Fall weg – die Taten liegen schon zu lange zurück, eine Strafverfolgung ist verjährt. Wegen der anderen 100 Millionen erging am 2. Mai Haftbefehl wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr, seitdem saß Tilmar K. in Stadelheim in Untersuchungshaft.

Nur wenige Tage nach seiner Verhaftung fuhr die Staatsanwaltschaft, begleitet von mehreren Mannschaftswagen mit Polizisten, vor der herrschaftlichen Villa des Patentanwalts im Münchner Westen vor. Der BR hatte einen Arrestbeschluss über 130 Millionen Euro erwirkt, mit dem das Vermögen von Tilmar K. gepfändet werden konnte. Die Ermittler brachten einen Umzugslaster und Abschleppwagen mit. Sogar Spürhunde wurden eingesetzt, die auf das Erschnüffeln von versteckten Geldscheinen trainiert sind.

Die Ermittler nahmen alles Wertvolle mit: Sechs noble Autos – darunter zwei Porsche und Mercedes-Cabrios –, kostbare Gemälde sowie Schmuck und Einrichtungsgegenstände wurden gepfändet.

Doch nun, nach der Aufhebung des Haftbefehls, ist wieder völlig offen, ob das IRT eine Chance hat, die Millionen zurückzubekommen. Anne Leiding, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, am Dienstag zur AZ: "Wir ermitteln weiter! Und wir prüfen, ob wir gegen die Entscheidung des Gerichts vorgehen."

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