Konzerte nur für Geimpfte? CTS Eventim entfacht Debatte

Ein Ticketverkäufer geht in die Offensive – und facht die Debatte um die Einschränkung von Grundrechten neu an. Der Ethikrat will dazu Empfehlungen vorlegen.
von  S. Lange, J. Kaukemüller, S. Heinemeyer
Dürfen bald nur noch Menschen, die gegen das Coronavirus geimpft wurden, Konzerte besuchen?
Dürfen bald nur noch Menschen, die gegen das Coronavirus geimpft wurden, Konzerte besuchen? © IMAGO / Future Image

München/Berlin - Sollen gegen das Coronavirus Geimpfte ihre Freiheiten früher zurückerhalten als noch nicht immunisierte Menschen? Private Veranstalter sollten aus Sicht des Ticketverkäufers CTS Eventim in Zukunft zumindest die Möglichkeit haben, nur geimpfte Menschen für Veranstaltungen zuzulassen. Bundesjustizministerin Christina Lambrecht (SPD) wies am Mittwoch darauf hin, dass dies grundsätzlich legitim wäre. Das Thema wirft aber auch ethische Fragen auf.

Am Donnerstag will der Deutsche Ethikrat mit seiner Vorsitzenden, der Münchner Medizinethikerin Alena Buyx, seine Empfehlung "Besondere Regeln für Geimpfte?" vorstellen.

Müssen Konzertbesucher zukünftig einen Impfausweis vorlegen?

"Wenn es genug Impfstoff gibt und jeder sich impfen lassen kann, dann sollten privatwirtschaftliche Veranstalter auch die Möglichkeit haben, eine Impfung zur Zugangsvoraussetzung für Veranstaltungen zu machen", sagte Eventim-Chef Klaus-Peter Schulenberg der "Wirtschaftswoche". Das Unternehmen habe bereits seine Systeme so eingerichtet, dass diese auch Impfausweise lesen könnten.

Ein Bild wie aus einer anderen Zeit: US-Superstar Cher (M.) bei ihrem Konzert im Oktober 2019 in der Olympiahalle mit Tänzerinnen.
Ein Bild wie aus einer anderen Zeit: US-Superstar Cher (M.) bei ihrem Konzert im Oktober 2019 in der Olympiahalle mit Tänzerinnen. © imago images/Stefan M Prager

Bundesjustizministerin Lambrecht hat keinen grundsätzlichen Einwand gegen den Appell des Unternehmens. "Es macht einen großen Unterschied, ob der Staat Grundrechte einschränken muss oder ob Private Angebote für bestimmte Personengruppen machen möchten", sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Bundesjustizministerin spricht von "relativ kurzem Übergangszeitraum"

Privatunternehmen dürften im Grundsatz selbst bestimmen, mit wem sie Geschäfte machen möchten. "Juristen sprechen hier vom Grundsatz der Privatautonomie. Wenn zum Beispiel die Restaurants wieder öffnen dürfen und ein Restaurantinhaber dann ein Angebot nur für Geimpfte machen möchte, wird man ihm dies nach geltender Rechtslage schwerlich untersagen können."

Lambrecht verwies aber darauf, dass es anfangs nicht genügend Geimpfte geben werde, "dass sich solche Unterscheidungen für die Wirtschaft lohnen würden. Und je weiter die Impfungen voranschreiten, desto eher werden wir alle zur Normalität zurückkehren können. Wir sprechen hier also nur über einen relativ kurzen Übergangszeitraum."

Die voraussichtlichen Impflieferungen für Deutschland.
Die voraussichtlichen Impflieferungen für Deutschland. © dpa-Infografri

Privilegien für Geimpfte? Kinos sollen inklusiv bleiben

Für Kinos ist ein Vorstoß wie der von CTS Eventim aus Sicht von Christian Bräuer, dem Vorsitzenden der AG Kino, aktuell nicht vorstellbar. Die Frage stelle sich noch gar nicht, weil viel zu wenige Menschen geimpft seien. "Das könnte eine Möglichkeit sein für das ganz Große, das ganz Besondere, aber für Alltagsorte ist das tendenziell kein Einsatz. Kino ist ja Alltagskultur." Bräuer sieht vor allem praktische Probleme bei einer Umsetzung: "Will ich jetzt da den Einlass verzögern, weil irgendwer sagt, wo ist denn jetzt mein Impfzertifikat?" Zudem solle Kino inklusiv bleiben.

Dürfen bald nur Geimpfte fliegen?

Auch der Kommunikationschef der Lufthansa, Andreas Bartels, stellt im Corona-Videocast der "WAZ" klar, dass die Fluggesellschaft solche Regelungen nicht anstrebe. Zugang zu Maschinen der Lufthansa nur für Geimpfte soll es nicht geben: "Wir hätten das Recht dazu, haben das aber nicht vor." Eine solche Entscheidung müsste aus Sicht des Unternehmens "von den Behörden kommen, nicht von einer privaten Airline".

Ebenso sprach sich der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, dagegen aus, Corona-Regeln für Geimpfte früher aufzuheben. "Was natürlich nicht sein kann, um das ein bisschen flapsig zu sagen, ist, dass im Sommer die Rentner am Strand liegen, aber die junge Generation weiterhin zu Hause sitzt und sich noch mit einer Person treffen darf. Da wird man am Ende keine Akzeptanz für bekommen", sagte der CDU-Politiker dem "Rundblick Niedersachsen".

FDP-Chef Christian Lindner sagte dagegen, man könne Freiheitsbeschränkungen "schlecht in Kraft lassen bis die letzte Person, die geimpft werden möchte, sich hat impfen lassen." Man könne nicht vielen Millionen Geimpften "in Zukunft die Freiheit verwehren", schrieb Lindner in einem Gastbeitrag für das Nachrichtenportal t-online. "Wenn von einem Menschen keine Gefahr ausgeht, dann darf man ihn nicht mehr an der Verwirklichung seiner Grundrechte hindern", warnte Lindner. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Stephan Thomae sagte zur AZ: "Wir müssen beim Impfen schneller werden; auch um die Dauer einer Zweiklassengesellschaft aus Geimpften und Nicht-Geimpften so kurz wie möglich zu halten."

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