Kontogebühren ohne Zustimmung erhöht: Sparkasse droht Klage
München - AZ-Leser Michael S. hat es schon zwei Mal versucht. Er forderte Kontogebühren von der Stadtsparkasse München zurück, die er zu viel bezahlt hatte, denen er nie zugestimmt hatte. Schriftlich, mit einem Verweis auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom April 2021.
"Für den Zeitraum von 1. Januar 2018 bis heute haben Sie mir die Differenz zwischen gezahlten und wirksam vereinbarten Gebühren zu erstatten", schreibt S. der Stadtsparkasse. Das BGH-Urteil hatte das Gefühl von Michael S. bestätigt, dass es nicht rechtens gewesen sein konnte, einseitig Gebühren zu erhöhen. Was die Stadtsparkasse in seinem Fall zwei Mal tat, weshalb S. im Mai 2021 aktiv wurde. Auch Zinsen auf die zu viel bezahlten Gebühren verlangte er. Doch die Stadtsparkasse hat bislang keinen Cent zurückgezahlt
Die Stadtsparkasse stellt das BGH-Urteil gar nicht in Frage, so schreibt sie es Michael S. Es beziehe sich auf die unrechtmäßige Veränderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), nicht auf höhere Gebühren an sich. Und das bedeute nicht, "dass die belasteten Entgelte nicht in anderer Weise nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches wirksam vereinbart werden konnten", so die Stadtsparkasse. Michael S. habe schließlich den "erhöhten Entgelten" zugestimmt, weil er ja über Monate hinweg sein Konto genutzt habe, durch Überweisungsaufträge, Bartransaktionen sowie Kartenzahlungen. Das werte die Sparkasse als Zustimmung zu den Preisänderungen, steht in der Antwort der Bank. Daher solle Kunde S. bitte Verständnis haben.
Michael S. ist fassungslos. Er überlegt zu klagen. Und er ist nicht alleine. Es geht um Zehntausende Bankkunden in ganz Deutschland.
Verbraucherzentrale bereitet Klagen vor
Auch die Verbraucherschützer sind empört. "Das ist eine kundenfeindliche Auslegung des Rechts", sagt Sascha Straub von der Verbraucherzentrale Bayern, "die Kontogebühren zu erhöhen, hätte mit der klaren Zustimmung der Kunden stattfinden müssen".
Weil aber betroffene Banken selten Gebühren zurückerstatten, bereite der Bundesverband der Verbraucherzentrale gerade zwei Musterfeststellungsklagen vor. Sie richten sich laut Straub gegen die Sparkasse Köln-Bonn sowie gegen die Sparkasse Berlin. In den kommenden Monaten werden sie eingereicht. "Wir hoffen, dass die Urteile am Ende eine bundesweite Ausstrahlung auf alle Banken haben", sagt Straub – und alle Kunden ihre zu viel bezahlten Gebühren zurückbekommen.
Die Verbraucherschützer seien entschlossen, die Angelegenheit bis vor die höchsten Gerichte zu tragen. Denn, so Straub: "Es kann theoretisch sein, dass die Urteile zunächst pro Banken ausfallen." Der Schaden ist groß. Für den Einzelnen geht es laut Straub um eher kleine Beträge von 50 bis 600 Euro, weshalb viele Kunden wahrscheinlich große Hemmungen hätten, zu klagen. Doch "in der Summe, über alle Banken hinweg, geht es um Hunderte Millionen Euro, wenn nicht sogar um Milliarden", sagt Straub.
"Fingierte Zustimmung" bei der Erhöhung der Kontogebühren
Der ursprüngliche Anlass der BGH-Entscheidung vom April war eine Klage gegen die Postbank. So ging das Institut vor dem BGH-Urteil vor: In den vergangenen Jahren erhöhte sie oft die Kontogebühren, indem sie das den Kunden schlicht schriftlich ankündigte, auch HVB, Sparkassen oder die INGDiba machten das so. Falls keiner widersprach, wurde das als Zustimmung des Kunden gewertet. Das BGH-Urteil (Az.: XI ZR 26/20) kritisiert das. Darin heißt es sinngemäß: Das geht so nicht! Erhöht die Bank die Kontogebühren, ohne sich die klare Zustimmung des Kunden einzuholen, ändere sie einseitig die Geschäftsbedingungen. Und die Erhöhung sei dann unwirksam. Von einer "fingierten Zustimmung" ist in dem Urteil die Rede – oder einfacher gesagt: von Trickserei.
Was nun? Das wird sich der ein oder andere Betroffene fragen. "Man kann erst einmal die beiden Musterfeststellungsklagen der Verbraucherzentrale abwarten", sagt Straub. Denn die Verjährungsfrist, um sich gegen die Gebührenerhöhungen zu wehren, beginne Ende 2021 und dauere drei Jahre. Trotzdem sei es sinnvoll, dass Betroffene eine Beschwerde bei der Banken- und Finanzaufsicht (Bafin) einreichen oder zumindest die Schlichtungsstelle der Banken kontaktieren, um den Druck auf die kundenfeindliche Praxis aufrecht zu halten. Auf den Online-Seiten der Verbraucherzentrale finden sich dazu vorgefertigte Formulare.
Was die Stadtsparkasse München zum Fall sagt
Doch was sagt eigentlich die Stadtsparkasse München zum Fall Michael S., der so viele Kunden betrifft? Die AZ hat nachgefragt. Es wirkt so, als ob das Institut erst einmal die Klagen der Verbraucherzentrale abwartet. Offenbar sieht das Bankhaus noch keinen Grund, einseitig erhöhte Gebühren zu erstatten. "Am 27.04.21 hat der BGH einen Änderungsmechanismus in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Postbank für unwirksam erklärt", schreibt ein Sprecher.
Mit Blick auf das BGH-Urteil beziehe sich auch die Stadtsparkasse München "gegenüber Verbrauchern nicht mehr auf den in ihren AGBs enthaltenen Änderungsmechanismus", so der Sprecher weiter. Klingt wie: Die Gebührenerhöhungen waren in Ordnung, nur nicht über die AGB. Mitte Dezember werde man die Kunden informieren, wie man künftig mit den "Rückforderungen von Entgeltleistungen" umgehe.