Konditorei Kaffee Schneller in München: Nächste legendäre Institution muss schließen
München - 100 Jahre ist es her, seit Simon Schnellers Opa Karl das Geschäft an der Amalienstraße übernahm und zum "Konditorei Kaffee Schneller" machte – jetzt hat das 1884 eröffnete Café für immer seine Türen geschlossen, und der Maxvorstadt geht ein Sehnsuchtsort verloren.
Ehemalige Gäste über das Kaffee-Schmeller-Aus: "Damit ist ein weiteres Stück München weg"
Das sehen auch Ilse Gmelin-Enders und ihr Mann Ulrich so: Die beiden haben einst in München studiert, sind hier im Moment zu Besuch und stehen nun entgeistert vor der Konditorei, aus der Simon Schneller am Mittwochmittag die letzten Kisten rausschleppt.

"Als wir studiert haben, sind wir hier gerne hingegangen. Es ist sehr, sehr schade, damit ist ein weiteres Stück München weg", sagt Ilse Gmelin-Enders.
Simon Schneller bitter enttäuscht: "Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht"
Auch Ursula und Werner Winterholler erinnern sich an die zig Jahre, in denen sie sich in der Konditorei ihren Kuchen holten: "Wir sind unendlich traurig, ja verzweifelt." Seit Freitag ist nun für immer Schluss. Der "Münchner Merkur" berichtete zuerst über das Ende des heimelig-gemütlichen Cafés. Das zeichnete sich schon eine Weile ab, erzählt Simon Schneller der AZ beim Besuch vor Ort.

"Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht und bin wahnsinnig traurig – andererseits fällt aber auch ein Ballast von mir ab, nach den vielen unruhigen Nächten", sagt der 50-Jährige. Und ergänzt: "Mit Corona ging's dahin."
Erst sei wegen der Pandemie alles dicht gewesen, natürlich auch die Hörsäle und Bibliotheken der Universität, danach war nichts mehr wie es war. Die Studenten kamen nicht einfach mit einem Schlag zurück, auch heute finden nicht alle Lehrveranstaltungen in Präsenz statt: "Die neuen Studenten scheinen das Café noch nicht zu kennen, und die Zahl der Stammgäste ist inzwischen auch übersichtlicher."
Simon Schneller: "Wenn du jeden Abend die schönsten Torten wegwerfen musst..."
Weil auch die Preise stiegen, ging die Rechnung irgendwann nicht mehr auf. Zuletzt machte Schneller nur noch einen Drittel des Umsatzes, er musste reagieren: "Aus diesem Loch bin ich nicht mehr herausgekommen. Und wenn du jeden Abend die schönsten Torten und Kuchen wegwerfen musst, weil du sie nicht verkaufen konntest, kommst du ganz schön ins Grübeln."
Münchens früherer Oberbürgermeister Christian Ude war zwar nie ein Stammgast im Kaffee Schneller. Dazugehört hat es trotzdem irgendwie immer. "Das war schon in den 60er-,70er-Jahren eine Institution, mit der man aufgewachsen ist", sagt er. Viele Studenten seiner Generation hätten sich dort verabredet, mit Kaffee und Kuchen nach anstrengenden Vorlesungen wieder auf die Beine gebracht.
Ex-Oberbürgermeister Ude: "Das ist der Rückzug einer Gattung"
Das Ende des Cafés sieht auch Ude als einen Einschnitt fürs Uni-Viertel. Andere Traditions-Konditoreien fallen einem dort schließlich nicht wirklich ein. "Das ist der Rückzug einer Gattung", sagte der 75-Jährige am Mittwoch im Gespräch mit der AZ.

Simon Schneller führte das Geschäft in der dritten Generation, vor rund 25 Jahren gab er sein Studium der Forstwirtschaft auf, stieg im Kaffee Schneller ein und verhinderte so die bevorstehende Schließung. Sein Vater wollte das Café aus Altersgründen und ohne Aussicht auf einen Nachfolger aufgeben. Es wartete eine Herkulesaufgabe auf den jungen Mann, denn seine Eltern hatten über Jahre hinweg nicht mehr in das Geschäft investiert.
Simon Schneller: "Konkrete Pläne gibt es noch nicht"
Wie geht es jetzt weiter? "Jedes Ende hat auch einen Anfang", sagt Simon Schneller, der ganz in der Nähe der Konditorei wohnt und nicht ausschließen will, irgendwann erneut ein Café aufzumachen.

"Aber wenn hier alles rausgeräumt ist, fahre ich erst einmal raus zu meinen Eltern im Landkreis Weilheim-Schongau. Aus dem Laden nehme ich so einiges mit und schaue dann, was sich findet. Konkrete Pläne gibt es noch nicht."
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