Koffer-Chaos am Münchner Flughafen: Gepäck seit über zwei Monaten verschwunden

München - Ein Urlaub in der Türkei hat sich für eine Familie aus Österreich zu einem aussichtslosen Kampf um ihre Koffer entpuppt. Am 26. Juni flog Jacqueline A. (30) mit ihrem Partner, der Tochter (2) und der Schwiegermama nach Antalya.
Im Gepäck: Kleidung, teils extra für den Urlaub gekauft, Bücher, Spielzeug und Lieblingskuscheltiere ihrer Kleinen. Allerdings stellte sich heraus: All das gelangte gar nicht an Bord der deutsch-türkischen Fluggesellschaft Sunexpress.
Die Familie stand ihren Schilderungen zufolge - nach einem verspäteten Flug - erst einmal über zwei Stunden am Lost-and-Found-Schalter in Antalya, um das nötige Formular für die Koffersuche abzugeben.
Koffer-Chaos am Flughafen: "Es kam von kaum jemandem Hilfe"
"Es hieß, das Gepäck wird am nächsten Tag nachgeliefert." Und das hieß es nicht nur einmal. "Diesen Satz hörten wir mehrmals am Tag an der Rezeption. Einen Tag vor dem Heimflug hieß es, die Koffer würden nicht mehr kommen, da sie gar nicht verladen wurden und noch immer in München stehen." Damit hatte die Familie die ganze Woche in der Ferne ohne ihr Hab und Gut verbracht. Aber der Koffer-Kampf war da lange noch nicht vorbei.
Was die Österreicher am meisten ärgert: "Es kam von kaum jemandem Hilfe", schreibt die 30-Jährige der AZ. Sie wandte sich an die Presse, weil sie nicht mehr weiter weiß. Sie hatte schon versucht, Kontakt aufzunehmen. Unter anderem mit dem Veranstalter, der Airline, Ansprechpartnern am Flughafen in Antalya und München. Doch ihre Koffer blieben verschwunden. Über zwei Monate lang.
"Nur unsere Beharrlichkeit brachte uns zumindest durch Tui eine Reisepreisrückerstattung", so die Österreicherin. Da sie in Antalya nichts dabei hatten, mussten sie Ersatz für Alltägliches einkaufen - ihr zufolge kam die Rückerstattung dafür ebenfalls erst knapp eineinhalb Monate später.
Ein Koffer und der Buggy kommen an, der Rest nicht
Der Versuch, die Koffer in München abzuholen - wie es laut A. von der Airline vorgeschlagen wurde, scheiterte ebenfalls. Fehlinformation, hieß es in München. Die Fahrt aus Österreich - umsonst. Anfang September schließlich kamen zwei von vier Gepäckstücken bei ihnen an - ein Koffer und der Buggy. Immerhin: unbeschädigt.
Aber was ist mit dem Rest? Vom Flughafen München kommt auf AZ-Anfrage schnell eine Antwort: Zuständig sei nicht der Flughafen, sondern die Fluggesellschaft, so ein Sprecher. Die Frage danach, wie viele solcher Fälle dem Flughafen bekannt sind, bleibt ungeklärt.
Julia Zeller von der Verbraucherzentrale Bayern ist die Sachlage jedenfalls nicht neu: "Eine konkrete Zahl kann ich Ihnen hier nicht nennen. Die Problematik hinsichtlich verloren gegangenen oder verspäteten Gepäcks hat jedoch seit den Pfingstferien deutlich zugenommen."
Im Juni herrschte an mehreren Flughäfen Chaos
Mit Beginn der Ferien im Juni war es an mehreren deutschen Flughäfen zu chaotischen Zuständen gekommen, unter anderem weil das Personal bei der Gepäckabfertigung fehlte. Die Bundesregierung ließ zu, dass ausländische Helfer kurzfristig in der Luftfahrtbranche einspringen durften. Mitte August rechnete man in München mit 45 Helfern aus der Türkei.
Was hat sich seither getan? Ein Sprecher des Flughafens teilte der AZ in der vergangenen Woche mit: "Nach Bewerbungsverfahren, Visumvergaben, Sicherheitsüberprüfungen und Schulungen konnte bereits ein Großteil der jungen Männer aus der Türkei am vergangenen Wochenende in ihren regulären Dienst starten."
Und weiter: "Schlussendlich werden 41 Mitarbeiter aus der Türkei bis zum 6. November eingesetzt und auch benötigt, denn die Hochsaison läuft am Flughafen München noch bis in den Herbst hinein." Die genannte Zahl bezieht sich demnach auf die Flughafen-Tochter Aeroground; daneben ist auch der private Abfertiger Swissport-Losch am Flughafen aktiv, dieser sei auch für Sunexpress zuständig. Swissport-Losch ließ die AZ-Anfrage zur Personalsituation bisher unbeantwortet.
Die AZ fühlt der Airline auf den Zahn – die reagiert
Zurück zu den verschwundenen Koffern der österreichischen Familie. Die AZ hat bei der Airline Sunexpress nachgehakt, dort reagierte man überraschend schnell, wollte umgehend prüfen, wo die Koffer abgeblieben sind. Sogar in der Türkei fragte man nach.
Ende der Woche teilte ein Sprecher der AZ schließlich mit: Die restlichen Gepäckstücke seien am Flughafen München "ausfindig" gemacht worden und bereits an die Kundin versandt worden. Sie sollten bald bei ihr ankommen, so das Versprechen. Weiter teilte der Unternehmenssprecher mit: "Wir möchten uns bei der Passagierin, die Teile ihres Gepäcks noch nicht erhalten hat und der dadurch Unannehmlichkeiten während ihres Urlaubs entstanden sind, aufrichtig entschuldigen. Bedingt durch den Personalmangel an Flughäfen in Deutschland konnte Sunexpress das aufgegebene Gepäck nicht wie ursprünglich geplant befördern, was wir sehr bedauern."
Das betreffe nicht nur Sunexpress: "Dies ist eine branchenweite Herausforderung und alle Systempartner arbeiten mit Hochdruck daran, dass die Passagiere und ihr Gepäck pünktlich abheben und landen."
Diese Nachricht freut die Familie zwar, ihr Fazit war aber vorher schon dieses: "Wir empfinden dieses Vorgehen als Schande für den Münchner Flughafen und generell für Deutschland." Die junge Mutter findet: "Generell sind es nicht die materiellen Dinge, die uns besonders fehlen. Uns empört eher der Umgang mit den Passagieren. Man wird komplett allein gelassen."