"Können Mut und Zuversicht geben": Der letzte Tanz der Schäffler

München - Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer: Sie kommen! Bei den vielen Hundert Wartenden macht sich freudige Unruhe breit. Unzählige Smartphones werden für Fotos sogleich in die Höhe gereckt. Es gibt Jubel und Applaus. Wenn man's nicht besser wüsste: Man hätte keinen Zweifel daran, dass hier gerade gefeierte Popstars sehnsüchtig erwartet werden.
Ums Eck biegen dann im Gleichschritt allerdings die traditionsreichen Münchner Schäffler - wobei die genau genommen auch eine Art Boygroup sind. Schließlich gibt es nur männliche Mitglieder, wenn auch weniger Boys als vielmehr gstandne Mannsbilder im Alter von 23 bis 63 Jahren. Sonntagabend fand vor dem Augustiner-Stammhaus in der Fußgängerzone der letzte Tanz-Auftritt der Schäffler für die nächsten drei Jahre statt. Eigentlich zeigen die Münchner Fassmacher nur alle sieben Jahre ihre kunstvollen Figuren.

Doch dann kam die Pandemie, und so wollten die Schäffler jetzt (statt erst 2026) für die Rückkehr ins Leben trotz Corona tanzen und überdies ein Zeichen gegen den Krieg setzen. Offiziell gab der Fachverein der Schäffler München der außerplanmäßigen Vier-Tage-Tournee durch die Stadt den klangvollen Titel "Schäfflertanz Sonderedition".
Schäffler: 30 Auftritte von Donnerstag bis Sonntag
Diese umfasste die stolze Zahl von 30 Auftritten, die letzten Donnerstag bei Ministerpräsident Markus Söder vor der Staatskanzlei starteten und am Sonntag bei Wirt Thomas Vollmer vor dessen Augustiner-Stammhaus endeten. Dort hatten sich die ersten Fans, junge und alte, bereits eine Stunde vor dem Tanztermin eingefunden, um auch ja einen guten Platz zu bekommen.
"Es ist so schön, wie die Menschen sich freuen, und auch wir haben so lange darauf gewartet, wieder spielen zu können", sagte Klarinettistin und Vorstandsmitglied Iris Blüml, die mit ihrem Truderinger Musikverein auch den letzten Schäffler-Auftritt 2022 musikalisch begleitet hat. Zustimmendes Nicken bei Richi Huber und seinen Holledauer Randstoasutzlern, die für die Schäffler seit vielen Jahren bei jedem Auftritt schwungvoll aufspielen.

"Es war super, doch man ist schon fertig"
"Wir können Corona leider nicht wegtanzen und auch nicht diesen so schrecklichen Krieg", sagte nach dem umjubelten Einmarsch der Fassmacher deren Vorsitzender Willi Schmid: "Wir können etwas Mut und Zuversicht geben." Diesen Auftrag haben die Schäffler von ihren Ahnen übernommen: Vor über 500 Jahren hatten mutige Schäffler-Burschen die Münchner Bevölkerung nach überstandener Pest-Epidemie mit Tanz und Musik hinaus ins Freie gelockt.
Bei ihrem letzten Anti-Corona-und-Friedenstanz 2022 begeisterten die Männer in ihren historischen Gewändern mit der berühmten roten Jacke einmal mehr das Publikum. Zugabe-Rufe wurden laut, doch die 30 durchaus anstrengenden Auftritte in vier Tagen hatten bei etlichen Tänzern Spuren hinterlassen: von schmerzenden Füßen bis zu Muskelkater.
"Es war super, doch man ist schon fertig", sagte ein Mittdreißiger nach getaner Arbeit der AZ, um sich dann die Stirn abzuwischen. Ihm - wie vielen seiner teils viel älteren Schäffler-Kollegen - war's sichtlich warm beim Tanzen geworden, was nicht unbedingt auf die sehr kurze Vorbereitungszeit für die "Schäfflertanz Sonderedition" oder auf Trainingsmangel zurückzuführen ist.
Feucht-fröhliche Feier im Augustiner-Stammhaus
"Unser Gewand ist für den Winter perfekt, jetzt ist's zu warm" so Claudius Holzmann, mit 23 der jüngste Tänzer. Kollege Peter Dönhuber, mit 63 der älteste, nickt. In der Tat besteht das historische Schäffler-Kostüm aus sehr dicken Stoffen und getanzt wurde bislang nie im Mai.

Traditionell startet die Schäffler-Tanz-Saison bei kühleren Temperaturen zu Beginn des Jahres. Um sich etwas abzukühlen, wurde nach dem letzten Auftritt jetzt feucht-fröhlich im Augustiner-Stammhaus gefeiert. Dort hängt nicht umsonst ein imposanter Lüster mit Schäffler-Figuren an der Decke: Das Wirtshaus von Thomas Vollmer beherbergt auch die Vereinsräume der Schäffler.