„Kochen ist wie ein Konzert für den Gaumen“

Im Buch „Heimatfood“ lobt der Münchner Sternekoch Kalr Ederer einfache Gerichte. In der AZ spricht er über Kohlrabi, Krisen und warum er seiner Traumfrau nie mit einer Leberkassemmel begegnen möchte
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Gregor Feindt Illustration

Im Buch „Heimatfood“ lobt der Münchner Sternekoch Kalr Ederer einfache Gerichte. In der AZ spricht er über Kohlrabi, Krisen und warum er seiner Traumfrau nie mit einer Leberkassemmel begegnen möchte

AZ: Herr Ederer, was ist für Sie Heimat?

Ein Ort, an dem ich mich wohl fühle, der mir vertraut ist. Momentan ist es München, aber komme ich nach Paris, habe ich sofort ein Heimatgefühl. Das hat auch mit Gerüchen und Geschmäckern zu tun.

Wie schmeckt München?

Gegen elf Uhr vormittags nach Weißwurst. Ein Heimatgeruch ist für mich auch der Duft eines Bierzeltes. Was mir an München nicht schmeckt, ist die to-go-Mentalität. Mit einer Leberkassemmel in der Hand möchte ich nicht meiner Traumfrau begegnen. Was macht man dann?

Die Leute reisen immer mehr. Ist Heimat noch zeitgemäß?

Auf jeden Fall! Derjenige, der eine hat, soll froh darüber sein. In der Küche sind alte Gerichte der absolute Trend.

Woher kommt das?

Die ganzen Schäumchen und acht Gänge am Abend sind anstrengend, Genuss ist ein Spektakel. Danach möchte man etwas einfaches. Immer wenn es eine Krise gibt, geht das auch wieder in der Küche.

Sind diese Gerichte banal?

Nein, Heimatfood hat etwas mit echtem Handwerk zu tun. Ein original Leipziger Allerlei mit Krebsen, Karotten und Morcheln könnten Sie in Paris servieren und jeder würde sagen: C’est bon. Da hat Deutschland Esskultur. Ich wünsche, dass die Leute wieder Steckrüben oder Schwarzwurzeln verwenden. Man kann aus etwas so Einfachem wie einem Kohlrabi was ganz Tolles machen: Statt ihn in Würfel zu schneiden, wird er in lange Spaghetti gehobelt und kurz in der Pfanne geschwenkt. Das schmeckt viel delikater.

Wie entwickeln Sie solche Gerichte?

Man muss das ursprüngliche Gericht gut kennen und es gerade so weit vereinfachen, dass es nicht an Qualität verliert. Heimatfood ist eine intelligente, aber reale Küche. Kochen hat immer etwas mit Mühe und Liebe zu tun. Für mich ist zum Beispiel Zicklein ein Heimatgericht. Das hat einen stumpfen Geschmack. Dazu braucht es Spargel mit seinem runden Geschmack, der Kick kommt durch Minze.

Denken Sie in Formen?

Ja, Kochen ist wie ein Konzert. Nur stumpfe Klänge sind grauenhaft, es braucht Höhen und Tiefen am Gaumen. Da kommen viele Gewürze quer daher. Nur zu viele sind schlecht.

Weg mit dem Ingwer?

Nein, frischer Ingwer ist toll. Aber Apfel und Zimt ist einfach eine gute Ehe. Da braucht man nicht experimentieren. Aber rosa Pfeffer ist ein Schwachsinn. Genau wie Himalayasalz. Wer heute Bad Reichenhaller Salz nimmt, ist ein Grufti. Meersalz ist wunderbar, aber für das heiße Wasser reicht auch ein normales.

Darf gehobene Küche heute noch normal sein?

Meine Philosophie ist: Jedes Produkt hat das Recht auf seinen eigenen Geschmack. Aber wenn Sie heute auf die Karte schreiben: Spinat mit gekochtem Fleisch und Kartoffeln, dann liest sich das nicht gut. Man muss die Gerichte modern interpretieren.

Wie das?

Durch Niedergaren oder durch gute Beilagen. Die werden oft abgekanzelt. Dabei machen ordentlich zubereitete Gemüse, ein toller Salat oder frische Kräuter ein Gericht erst richtig gut.

Welches alte Gericht ist in sich perfekt?

Eine gute Bratensülze oder Spargel mit Sauce Hollandaise. Vegetarische Gerichte brauchen Kick, den Blubb können Sie weglassen.

Interview: Anne Kathrin Koophamel

Karl Ederer stellt am 9. 11. sein Buch „Heimat-Food“ in der Brasserie Oskar Maria im Literaturhaus (Salvatorplatz 1) vor. Eintritt: 29 Euro mit Menü. Reservierung: Tel. 29 19 60 29

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