"Knüppelfahnen-Prozess": Paul R. ist raus aus dem Gefängnis

Eine Flagge als Waffe, Containern als Diebstahl: Ein 24-jähriger Münchner bekommt Bewährungsstrafe. Vorausgegangen war eine ungewöhnlich lange Untersuchungshaft.
Anja Perkuhn |
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Wohl als ironische Anspielung auf das Verfahren haben sie einige sogenannte "Knüppelfahnen" dabei - sie bleiben aber in der Kiste.
Anja Perkuhn 2 Wohl als ironische Anspielung auf das Verfahren haben sie einige sogenannte "Knüppelfahnen" dabei - sie bleiben aber in der Kiste.
Müde, aber nicht mehr in Haft: Paul R. nach dem Urteil.
Anja Perkuhn 2 Müde, aber nicht mehr in Haft: Paul R. nach dem Urteil.

Eine Flagge als Waffe, Containern als Diebstahl: 24-jähriger Münchner bekommt Bewährungsstrafe.

München – Das Statement von Paul R. nach seiner Verhandlung dauert mehrere Minuten – bis dahin hat er nur sehr wenige Worte gesagt. Er prangert unter anderem an, dass „gegen Menschen wie mich vorgegangen wird, die gegen Faschisten auf die Straße gehen“. Es sei bei dem Verfahren darum gegangen, „mein politisches Vorgehen zu kriminalisieren“.

Richterin Christiane Thiemann nennt die Ansprache des 24-Jährigen „fast ein bisschen zu pathetisch“, als sie das Urteil verliest. Eine Bewährungsstrafe von neun Monaten bekommt er mit einer Bewährungszeit von drei Jahren, die Gerichtskosten muss er tragen und 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten innerhalb von sechs Monaten.

Seit 21. Juli saß er in der JVA Stadelheim. „Nicht so schön war das“, sagt er.

Paul R. stand vor Gericht, weil die Polizei ihn am 20. Juli im Gegenblock einer Pegida-Demonstration festgenommen hat (AZ berichtete) – wegen einer sogenannten „Knüppelfahne“ in seiner Hand. Außerdem hat er im Mai dieses Jahres vier Plastikkisten vom Hof und Lebensmittel aus dem Müll eines Supermarktes mitgenommen  – als "Containern" bezeichnet man das Müll-Durchsuchen. Dabei trug er ein Pfefferspray bei sich.

In der Anklage heißt das: „Mitführen eines gefährlichen Gegenstandes bei einer Demonstration“ und „bewaffneter Diebstahl“. Der Fall zog auch in der Politik Kreise: Die „Linke“ in München sowie die Mitbegründerin der Grünen, Jutta Ditfurth, forderten die Freilassung von Paul R.. Weil nämlich nach der Demo-Festnahme das zweite Verfahren bekannt wurde und R. keinen festen Wohnsitz hatte, kam er in Untersuchungshaft. Seit dem 21. Juli bis gestern saß er in der JVA Stadelheim. „Nicht so schön war das“, sagt er.

Während der Verhandlung sitzt er ruhig da und wirkt, als würde er sich ein halb spöttisches, halb verzweifeltes Grinsen verkneifen. Seine Freunde aus der linken Szene im Publikum lachen dagegen immer wieder laut, zum Beispiel, als die Richterin die „Knüppelfahne“ zeigt: eine kleine, rote Flagge an einem 50 Zentimeter kurzen Holzstab. Etwa das, was Linienrichter in unteren Fußballklassen benutzen.

Aufgefallen sei Paul R. bei der Demo, sagen die Polizisten, die ihn festgenommen haben, weil er in einer Hand einen pinken Regenschirm hielt, in der anderen die Fahne. In den etwa 25 Minuten, in denen ihn zwei Zivilpolizisten beobachteten, hat er sie nicht geschwenkt, auch hat sie keine Aufschrift. Daraus schlossen sie, dass er sie „nicht als Kundgebungsmittel einsetzen wollte“. Dass er sie als Knüppel benutzte, haben sie allerdings nicht gesehen.

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Aus Sicht von Richterin Thiemann war die Fahne trotzdem „aus den Umständen heraus einsatzbereit“ als Waffe. Auch der Diebstahl sei „sonnenklar“ einer. Dass Paul R. bereits fünf Einträge im Bundeszentralregister hat – unter anderem wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz – ist ebenfalls ein Grund für das nicht gerade milde Urteil. Positiv rechnet ihm die Richterin an, dass er sich bei den Festnahmen ruhig und kooperativ verhalten hat.

Nun ist Paul R. raus aus dem Gefängnis. Seine Habseligkeiten hat er gestern noch dort abgeholt. Müde sei er, sagt er, „das war schon ein ziemlicher Druck“. Er zieht nun wieder bei seiner Mutter in Schwabing ein; sie hatte ihn im vergangenen Jahr rausgeworfen. Ab Oktober wird er wohl einen Bundesfreiwilligendienst als Handwerker beginnen beim „Feierwerk“ in der Hansastraße. Die Richterin wertet das als Zeichen dafür, „dass Sie Ihre Zukunft angestoßen haben“.

Mit dem Urteil zufrieden sind er und sein Anwalt absolut nicht. „Es ist falsch“, sagt Anwalt Markus G. Fischer, „aber wir haben das so ähnlich erwartet. Das Ziel in der ersten Instanz war, dass der Mandant rauskommt.“ Sie werden in Berufung gehen.

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