Knobloch: "Den Papst würd ich gern einladen"

Vor fünf Jahren wurde die neue Münchner Synagoge am St.-Jakobs-Platz eingeweiht – Charlotte Knobloch im Interview über die Rückkehr der Juden ins Zentrum der Stadt
von  Abendzeitung
Charlotte Knobloch feiert am Montag ihren 80. Geburtstag.
Charlotte Knobloch feiert am Montag ihren 80. Geburtstag. © dpad

MÜNCHEN Mit einem Festakt feiern Münchens Juden heute den fünften Jahrestag ihrer Rückkehr ins Herz der Stadt. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayen, Charlotte Knobloch, spricht über die Bedeutung der Synagoge und ihre Erinnerungen an die Reichspogromnacht.

AZ: Frau Knobloch, lange haben Sie um eine Synagoge im Herzen Münchens gekämpft. Sind Sie manchmal selbst noch überrascht, was Ihnen da gelungen ist?

Jeden Tag. Es war ein harter Weg. Manchmal habe ich gezweifelt, ob ich das Richtige mache, ob es wirklich eine Möglichkeit gibt, das Judentum wieder ins Herz der Stadt zurückzubringen.

Eröffnet wurde die Synagoge am 68. Jahrestag der Reichspogromnacht. Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie das Datum 9. November hören?

Die Hand meines Vaters. Nachdem wir informiert wurden, dass etwas gegen die Juden im Gang ist, wollte er mit seiner Mutter und mir das Haus verlassen. Aber meine Großmutter wollte das nicht. Später hab’ ich dann erfahren: Sie hat gedacht, dass wir zu dritt zu stark auffallen. Und so ist er mit mir durch München geirrt. Und die Hand meines Vaters, die spüre ich heute immer noch. Sie war für mich ein Schutz.

Was haben Sie gesehen?

Ich war erst sechs, habe aber verstanden, dass wir jüdischen Menschen hier nicht mehr willkommen sind. Ich habe die rauchende Synagoge gesehen. Ich habe einen guten Bekannten gesehen, als er gerade von einer Wachmannschaft abgeführt wurde. Und ich habe die zertrümmerten Schaufenster des Kaufhaus Uhlfelder gesehen. Das hat sich mir eingeprägt.

Die Freude über die neue Synagoge bleibt also immer gekoppelt an die Erinnerung an die Schrecken der NS-Zeit?

Wir haben es uns schon seit Jahrzehnten zur Aufgabe gemacht, am 9. November an die Opfer zu erinnern, ihnen durch die Nennung der Namen ein Gesicht zu geben. Jener Namen, die in unserem Verbindungsgang zwischen Gemeindezentrum und Synagoge zu sehen sind. Mit der Lesung erinnern wir am Nachmittag an diesen furchtbaren Tag, der die Türen zu Auschwitz geöffnet hat.

Und wie wird der fünfte Jahrestag der Synagogen-Eröffnung gefeiert?

Dieses Jahr wird – wie bei der Eröffnung der Synagoge – eine Thora eingebracht, das wertvollste Gut, das eine jüdische Gemeinde hat. Im Fokus steht die Zukunft der Gemeinde als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft.

Wen würden Sie am St.-Jakobs-Platz gern noch empfangen?

Den Papst.

Warum?

Wie ich gehört habe, besucht er gerne Synagogen. Und unsere ist eine der schönsten.

Von der Bevölkerung wurde das neue jüdische Zentrum von Anfang an angenommen, Hat Sie das überrascht?

Ja. Das habe ich mir nicht vorgestellt. Die Menschen wollen etwas über das jüdische Leben erfahren, über die Religion, über das Leben von Juden in der Stadt. Das freut mich sehr.

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