Knast statt Abschiebung? Asylbewerber zeigen sich selbst an

Vergewaltigung, Totschlag, Mord – immer häufiger zeigen sich Asylbewerber im Raum München selbst an und bezichtigen sich dieser schweren Straftaten. Für die Behörden ein großes Problem – denn es steht überhaupt nicht fest, ob es die Taten überhaupt gab.
von  Christoph Elzer
Lügen für den Aufenthalt? Immer mehr Asylbewerber bezichtigen sich selbst schwerer Straftaten.
Lügen für den Aufenthalt? Immer mehr Asylbewerber bezichtigen sich selbst schwerer Straftaten. © dpa

München - Allein im Zeitraum von September 2016 bis April 2017 sind bei der Staatsanwaltschaft München I über 40 Strafanzeigen gegen Asylsuchende eingegangen, die sich im Rahmen von persönlichen Anhörungen im Asylverfahren selbst schwerster Straftaten im jeweiligen Herkunftsland bezichtigt hatten. Das geht aus Recherchen des ARD-Politmagazin report München hervor. Doch ob es sich bei den Personen tatsächlich um gefährliche Verbrecher handelt, oder ob sie "nur" versuchen, durch die "Geständnisse" drohende Abschiebungen zu verhindern, ist unklar.

"Die Fälle, die jetzt zum Beispiel bei der Staatsanwaltschaft München I auf unseren Schreibtischen gelandet sind, sind vor allen Dingen Fälle, in denen sich die Personen selbst bezichtigen: Morde und auch Vergewaltigungen. Es sind eben auffällig oft Straftaten, auf die in den jeweiligen Heimatländern die Todesstrafe steht", sagt Anne Leiding von der Staatsanwaltschaft München I.

Und genau da liegt das Problem: Denn wenn einer Person in ihrem Heimatland die Todesstrafe oder Folter für ihre angeblichen Straftaten droht, darf sie dorthin laut deutschem Recht nicht abgeschoben werden. Ein Mörder müsste also in Deutschland eingesperrt werden, statt abgeschoben zu werden. Doch damit ist das Dilemma noch nicht ausgestanden. Denn vor einer Inhaftierung steht zunächst einmal ein Gerichtsverfahren mit rechtskräftiger Verurteilung.

Ist der Asylbewerber ein Mörder oder ein Betrüger?

Es ist für deutsche Ermittler allerdings nahezu unmöglich, beispielsweise einen angeblich im afghanischen Hinterland begangenen Mord zu beweisen. Außer der Aussage des angeblichen Täters haben Polizei und Staatsanwaltschaft keine weiteren Anhaltspunkte. Ermittlungen müssten also größtenteils im Ausland erfolgen, Rechtshilfegesuche in oftmals instabilen Ländern sind quasi aussichtslos. Die meisten Verfahren werden deshalb eingestellt.

Doch damit ist das Problem ja nicht gelöst. Im Gegenteil: zurück bleibt eine dramatische Ungewissheit. Handelt es sich bei diesen Personen lediglich um Betrüger, die das Recht auf Asyl ausnutzen oder haben einige dieser Asylbewerber die Wahrheit gesagt und sind tatsächlich Mörder oder Terroristen? Das könnte dann wiederum bedeuten, dass von ihnen Gefahr ausgeht, dass weitere Straftaten – diesmal in Deutschland – möglich wären. Ein Szenario, das den Strafverfolgungsbehörden große Sorgen bereitet.

Schätzungen des Deutschen Richterbundes zufolge sind "mehrere tausend Fälle" zu erwarten, bei denen durch Selbstbezichtigungen Strafverfahren geführt werden müssen. "Dies kommt in einer Situation, in der die Staatsanwaltschaften ohnehin bis zum Rand hin belastet sind durch eine hohe Kriminalität und durch zu geringes Personal", sagt Jens Gnisa, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes in report München.


Die komplette Reportage zu diesem Thema sehen Sie am Dienstag, 18. Juli 2017, ab 21:45 Uhr bei report München im Ersten.

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