Klimawandel in München: Sorgenkind Englischer Garten

München - Bayern ist reich beschenkt mit prächtigen historischen Gärten: Könige, Kurfürsten und Regenten kleinerer Fürstentümer haben die besten Gartenkünstler, Architekten und Bildhauer ihrer Zeit beauftragt – darunter Balthasar Neumann, Dominique Girard, Joseph Effner, Ferdinand Tietz oder Friedrich Ludwig von Sckell. Sie schufen Denkmäler, die leben: aus der Renaissance, dem Barock, Rokoko oder Historismus.
Die Parks sind vor allem aber auch Naturparadiese für jedermann und jederfrau - zum Wandeln und Spazieren, Joggen und Spielen, Ruhe finden und genießen. Auch auf Millionen Touristen üben sie eine magnetische Anziehungskraft aus.
Bedrohung Klimawandel: So steht es um die Parks in München
Doch diese Oasen sind bedroht: durch den Klimawandel. In dieser Woche haben sich Gartendirektoren, Forscher und Umweltexperten aus ganz Deutschland in Schloss Nymphenburg getroffen – wie können diese Kleinode geschützt, erhalten und zukunftsfit gestaltet werden?

Wie es um die Parks in München steht, darüber sprach die AZ mit Gartendirektor Jost Albert von der Schlösser- und Seenverwaltung. Er ist der Herr über 32 historische Parks sowie 15 Gärten in Bayern.
AZ: Herr Albert, welcher Park in München ist Ihr größtes Sorgenkind?
JOST ALBERT: In München ist das sicherlich der Englische Garten, er hat seine Belastungsgrenze erreicht, auch durch die starke Nutzung durch sehr viele Benutzer. Darunter leidet die Qualität der Bäume.
Trockenes Klima bedeutet Stress für die Bäume
Wie machen ihm die Menschen konkret zu schaffen?
Da ist auf der einen Seite die Bodenverdichtung. Dazu kommt, dass zwischen einigen Bäumen Sporteinrichtungen gespannt werden, die zum Einschnüren der teils dünnen Rinde und zu Schäden führen. Und ganz generell haben wir infolge des Klimawandels einen erhöhten Anteil an Totholz in den Kronen.
Teilweise sterben einzelne Äste ab, teilweise große – bis hin zu ganzen Bäumen. Klimatisch sind wir im oberbayerischen Raum vor den Alpen, wo sich's öfter ausregnet, vergleichsweise noch einigermaßen gut. Im fränkischen Raum haben wir sehr viel weniger Niederschläge und teilweise lange Dürreperioden.

Wie stark zeigt sich der Klimawandel in Münchens Gärten denn konkret?
Die Dürreperioden treffen uns auch. Trockenperioden. Dann haben die Bäume natürlich Stress, ihre Abwehrmechanismen sind dann, dass sie kleinere Blätter ausbilden oder sie einrollen. Teilweise werfen Sie im Sommer schon einen Teil ihres Laubes ab, um sich zu schützen.
Aber wenn das sozusagen mehrere Jahre hintereinander läuft, oder auch über eine lange Periode in einem Jahr, dann ist irgendwann diese Erholungsphase nicht mehr da und führt dazu, dass Teile der Krone absterben bis hin zu ganzen Bäumen, weil sie einfach diesen Stress nicht mehr kompensieren können.
Gärten in München: Bis zu 30 Prozent mehr Totholz als in den letzten Jahren
In welchen Gärten ist das schon deutlich sichtbar?
Das haben wir in eigentlich in allen Münchner Objekten. Angefangen bei der Bavaria, wo wir zuletzt eine Hainbuche fällen mussten, weil sie komplett abgestorben war. Aber auch im Englischen Garten, wo uns das Eschentriebsterben große Probleme macht. Große, alte Eschen gehen immer mehr verloren. Aufmerksame Besucher sehen, dass gerade die Eschen im Kronenbereich extrem leiden unter einem Pilz.
Er dringt in die Leitungsbahnen ein und verstopft sie. Gleiches gilt für Nymphenburg: Wir haben seit den heißen Jahren eine Zunahme von 20 bis 30 Prozent mehr Totholz in den Bäumen, was wir entfernen müssen.
Auch aus Sicherheitsgründen?
Genau! Die Besucher wollen sich ja sicher durch die Parkanlagen bewegen und nicht, dass ihnen ein Ast auf den Kopf fällt.
Folgen des Klimawandels: Viele Misteln bedeuten schwache Bäume
Man sieht auch immer mehr Misteln in den Kronen. Siedeln die sich vor allem an bereits geschwächten Bäumen an?
Ja, die Mistel ist eine Sekundärschädigung. Wir sehen das ganz ausgeprägt in Nymphenburg an der Hauptallee am Kanal entlang. Auch im Park sind sehr viele der alten Linden extrem stark befallen. Die Bäume haben Stress, sind sozusagen geschwächt und dann hat die Mistel ganz andere Voraussetzungen, sich in den Ästen einzunisten.
Wie schädigen sie den Baum?
Im Winter assimilieren sie, wenn der Baum eigentlich in der Ruhephase ist. Im Sommer ziehen sie Pflanzensaft ab, der eigentlich für den Baum gedacht war. Hinter diesen Mistelbesetzungen ist es häufig so, dass die Zweige und Äste nicht mehr gut versorgt werden und langfristig absterben.

Wie bekämpfen Sie Misteln?
Momentan schneiden wir sie an den Ästen einfach heraus.
Werden sich unsere Parks im Erscheinungsbild verändern?
Definitiv. Wie stark, wissen wir noch nicht, weil die Szenarien alles Hochrechnungen sind, wie sich das Klima verhält. Wenn es weiterhin so bleibt wie jetzt, verlieren wir zumindest einige sensible Baumarten, die jetzt schon stark von Schädlingen befallen sind.
Könnte es einige Baumarten in München bald nicht mehr geben?
Welche Arten sind das?
Die Esche fällt nahezu komplett aus. Langfristig werden sich nur noch einige wenige halten. Der Stressfaktor der Kastanie ist auch schon seit Jahren sehr hoch mit der Miniermotte. Wir haben ein großes Problem mit Phytopherapilzen, die das Feinwurzelsystem der Bäume angreifen. Dadurch ist der Baum nicht mehr in der Lage, in ausreichendem Maße Wasser und Nährstoffe in die Kronen zu bringen. Gerade die großen Bäume müssen ja aus 25 Metern Tiefe Wasser aus dem Boden transportieren.
Können Sie gefährdete Solitäre, die ja auch starke Gestaltungsmerkmale in Parks sind, irgendwie retten?
Wir bestreichen die Stämme der besonders schönen Solitär-Exemplare mit einem systemischen Mittel. Die Versuche mit diesem Mittel laufen bereits seit 2005, damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Wertvolle Solitäre und Altbäume werden wir so länger halten können. Damit haben wir zum Beispiel im Schlosspark Nymphenburg und im Englischen Garten insbesondere Buchen und Eichen behandelt, die besonders stark von diesem Pilz angegriffen werden.
Gerade fand in Nymphenburg eine Expertentagung statt. In Dresden soll ein Kraftwerk gebaut werden, in dem aus Restholz Pflanzenkohle hergestellt wird – eine Art Langzeitdünger. Wird Grünschnitt und Holz bei uns genutzt?
Auch wir kommen davon weg, Grünschnitt und Holz zu entsorgen, sondern verwenden es weiter. Wir denken in Kreisläufen. Wir haben auch eine AG gegründet, um aus dem Torf auszusteigen.