Klimaprotest der "Letzten Generation" in München: Eine Aktivistin erklärt, warum sie mitmacht

München - Wenn Ronja Künkler am Straßenrand steht, kurz bevor sie sich auf der Fahrbahn festklebt, hat sie ein mulmiges Gefühl. "Es ist jedes Mal eine Überwindung, jedes Mal dreht es einem den Magen um", erzählt die 24-jährige Musikerin aus Regensburg. "Man weiß nie, wer da im Auto sitzt und wie die Polizei heute drauf ist", sagt sie. Aber dann ruft sie sich immer wieder ins Gedächtnis, warum sie das macht: Weil die Regierung den Klimaschutz nicht ernst genug nimmt, das findet die Aktivistin. Vor allem in Bayern.
Seit April beteiligt sich Ronja aktiv an den Protestaktionen der Letzten Generation. Sie muss das machen, sagt sie. "Weil ich mit der Ohnmacht nicht klar komme." In den vergangenen Tagen war sie regelmäßig auf der Straße, erzählt sie. In Würzburg, in Nürnberg und zuletzt in Regensburg. "Das ist sehr anstrengend", sagt die 24-Jährige, "aber es ist notwendig. Die Klimakrise wartet nicht."
Aktivistin der "Letzten Generation" gibt zu: "Ich habe natürlich Angst"
Deshalb greift sie zu drastischen Mitteln und klebt sich bei den Sitzblockaden auch auf der Fahrbahn fest. "Die Polizei löst uns mit Speiseöl", so die Aktivistin. Wie unangenehm das ist, hänge davon ab, wie vorsichtig die Beamten sind. "Aber die Klimakrise ist nicht nur unangenehm, sondern tödlich."
Für ihre Ziele ist sie bereit, noch mehr in Kauf zu nehmen. Nicht nur das unangenehme Ablösen von der Fahrbahn. Im Internet kursieren Videos, auf denen zu sehen ist, wie Autofahrer mit Gewalt auf die Sitzblockaden der Aktivisten reagieren. "Ich habe natürlich Angst", sagt Ronja Künkler dazu. "Ich musste schon zusehen, wie Freunde das erleben mussten."

Proteste der "Letzten Generation": "Wir verstehen die Wut, aber wir müssen wahrgenommen werden"
Aber auch davon lässt sie sich nicht abschrecken. "Wir nehmen das in Kauf. Wir verstehen auch die Wut, aber Protest muss stören und wahrgenommen werden", erklärt sie. Ronjas Umfeld hingegen hat größtenteils Verständnis. Nur ihre Eltern, die machen sich Sorgen, sagt sie. "Weil sie das gefährlich finden."
Die Protestaktionen bleiben für die Musikerin nicht ohne Konsequenzen. Schon mehrmals ist sie in polizeiliches Gewahrsam genommen worden, musste auch schon Nächte in einer Zelle verbringen. Auch in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch war die junge Frau inhaftiert, in Regensburg. Bisher kam sie aber recht glimpflich davon: "Heute Morgen bin ich um 7 Uhr geweckt worden und durfte wieder gehen", sagt sie am Mittwoch. Aber: "Inzwischen bekomme ich Post mit Gebührenbescheiden", so die Aktivistin.
"Letzte Generation" protestiert am Donnerstag in München: "Werde mich aktiv an der Blockade beteiligen"
Bei Gerichtsverhandlungen sind Klimaaktivisten zuletzt meist wegen Nötigung verurteilt worden. Dennoch macht Ronja Künkler weiter. Auch bei der großen Protestaktion am Donnerstag in München wird die 24-Jährige dabei sein. "Ich werde mich aktiv an der Blockade beteiligen", sagt sie. Wo genau, das verrät sie noch nicht.
Die Landeshauptstadt soll zur Protesthochburg werden, kündigte die Letzte Generation an. Damit wollen sie auf den "Verfassungsbruch der Bundesregierung" aufmerksam machen, die die Bevölkerung schutzlos der Klimakatastrophe aussetze. In Artikel 20a des Grundgesetzes steht: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen."
Mit "zivilem Ungehorsam" soll die IAA in München gestört werden
Die Münchner Polizei kündigte an, je nach Bedarf auf die heutigen Proteste reagieren und vor Ort präsent sein zu können, auch mit sogenannten geschlossenen Einheiten, wie ein Sprecher sagt. Die Beamten nennen zwar keine genaue Anzahl der Kräfte, die ab früh morgens bereitsteht. Aber scheinbar wird jeder Polizist und jede Polizistin – zumal in der Urlaubssaison – gebraucht.
Denn: Sogar die wöchentliche Pressekonferenz in Präsenz wurde für Journalisten abgesagt. Mit Aktionen des "zivilen Ungehorsams" wollen verschiedene Aktionsbündnisse den Ablauf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in München stören und rufen zu Protesten unter dem Motto "blockIAA" auf.
IAA in München: Schon in den letzten Jahren kam es zu Protesten der "Letzten Generation"
Die IAA findet dieses Jahr zum zweiten Mal in München statt, vom 5. bis zum 10. September – und nicht nur auf dem Messegelände, sondern auch in der Innenstadt, wie schon 2021.
Damals sorgten Klimaaktivisten für Aufsehen, weil sie sich aus Protest gegen die IAA von Autobahnbrücken abseilten. Die drei Aktivisten, die an der A96 mit dieser Aktion eine Autobahnsperrung verursachten, wurden wegen Nötigung jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt.

Die Gegner der IAA kritisieren etwa, dass sich die Ausstellung nachhaltig inszeniere, obwohl sie den Interessen der "klimazerstörenden Autokonzerne" diene.
Eine Sprecherin des Organisationsteams der diesjährigen Protestwoche teilt mit: "Unsere zentrale Frage ist: Für wen wird hier eigentlich Politik gemacht? Die IAA steht dafür, dass Konzerne weiterhin auf Kosten von Menschenrechten und effektivem Klimaschutz Profite machen dürfen."
Automesse IAA: Klimaaktivisten schlagen Protestcamp im Luitpoldpark auf
Für die geplanten Proteste sollen bundesweit Klimaaktivisten anreisen und im Protestcamp im Luitpoldpark übernachten. Bei der Messe 2021 durften sie ein Camp auf der Theresienwiese aufschlagen – das war möglich, weil damals das Oktoberfest wegen Corona ausfiel. Im "Mobilitätswende-Camp" – so heißt es offiziell – sollen auch Workshops stattfinden und Vorträge gehalten werden, etwa von Leiharbeitern in der Automobilbranche und ÖPNV-Beschäftigten. Rund 1.500 Aktivisten werden im Zeltlager erwartet.
Die Veranstalter der IAA reagieren auf die Kritik und suchen den Dialog zu den Aktivisten: Der Verband der Automobilindustrie hat die Klimaaktivisten der Letzten Generation zur Messe eingeladen. Sie könnten einen Infostand aufbauen, sagte ein VDA-Sprecher im August. Ob die Aktivisten die Einladung annehmen, ist noch unklar.