Klimakarte: So heiß ist München

Im Sommer wird München zu einer Hitzeinsel. Die AZ zeigt, wo und warum es sich besonders aufheizt – und wo es Erfrischungsoasen gibt.
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Hitzeherde und Kältepole. Beides gibt's in München. Wo, sehen Sie unten auf der interaktiven Karte!
dpa/AZ-Archiv/Gesundheitsreferat Hitzeherde und Kältepole. Beides gibt's in München. Wo, sehen Sie unten auf der interaktiven Karte!

München - Im Sommer kann München wie ein Backofen sein, wenn’s schlecht läuft sogar einer mit Umluft. Dann brennt es nicht nur heiß vom Himmel herunter, sondern die aufgeheizte Luft verfolgt einen bis unter den Schatten eines Sonnenschirms. Das Gefühl, von der Sommerhitze schier erdrückt zu werden, kennen wohl die meisten Stadtbewohner. Gerade in diesem Sommer, in dem eine Hitzewelle die nächste jagt, ist die Suche nach einem kühlen Plätzchen fast schon ein Volkssport geworden. Städte und Hitze verträgt sich schlecht: „Städtische Wärmeinsel“ nennen Experten das Phänomen. Wegen der Auswirkungen globaler Erwärmung wird sich der Effekt noch verstärken.

Statistisch gesehen wird München bis 2020 weniger als einmal pro Jahr von einer Hitzewelle heimgesucht. Glaubt man Prognosen, werden diese jedoch sprunghaft ansteigen. 2083 rechnen Experten mit im Schnitt 3,7 Hitzewellen pro Jahr. Was das Problem erschwert: Es ist nicht nur tagsüber brüllend heiß, sondern auch nachts nicht mehr richtig kühl. Tropennächte machen vor allem älteren und schwächeren Menschen zu schaffen. Aber auch wer jung und fit ist, wird durch Nächte, in denen es nicht kühler als 20 Grad wird, der Schlaf geraubt.

Warum sich Stadt und Hitze schlecht vertragen, hat mehrere Gründe. Die dichte Bebauung bremst Winde mit Frischluft, Straßen und Betongebäude speichern Wärme. Dazu kommt die Luftverschmutzung durch den Verkehr. Autos geben zusätzlich noch einmal Wärme ab. Kühlendes gibt es in Städten hingegen weniger als auf dem Land: Wasserflächen, Wiesen und Bäume, die durch Verdunstung die Luft angenehmer machen.

Die Temperatur liegt deshalb vor allem in der Nacht in der Stadt über der im Umland. In diesem Jahr verzeichnete der Deutsche Wetterdienst teilweise Differenzen von bis zu neun Grad.

Bei der Stadt ist man sich des Problems bewusst und versucht gegenzusteuern. Im ersten Schritt ging es darum, erst einmal generell zu erfassen, wie das Münchner Stadtklima funktioniert. Dafür hat die Stadt eine Stadtklimaanalyse anfertigen lassen.

Ein Ergebnis kann man auf einer städtischen Klimakarte sehen: Auf der Bewertungskarte Stadtklima sind Bereiche eingefärbt, in denen ein günstiges Stadtklima vorherrscht (gelbe Zonen). Genauso sieht man: Wo es dicht bebaut ist, ist es dunkelrot und damit im Sommer schnell unangenehm. Ebenfalls zu sehen: Grünflächen und ihre Bedeutung für die Abkühlung der Stadt. Hier gilt: Je dunkler, desto größer ist ihr Einfluss.

Die AZ hat zusammen mit der Umweltorganisation Greencity einen genaueren Blick auf die Karte geworfen. Wo wird’s im Sommer schnell unangenehm heiß? Wie könnte man dem entgegenwirken? Und: Wo kann man sich schon jetzt gut abkühlen? Einige Beispiele stellen wir hier vor.

 

Isarauen und Gleistrassen

 

Luftschneisen sind ein wichtiges Element, um die Stadt abzukühlen. Warum? Im Umland kühlt die Luft nachts angenehm ab. Diese kalten Winde strömen dann in die Stadt. Aber: Sie müssen auch durchkommen. Wenn große Gebäude oder verschachtelte Straßenzüge das behindern, bleibt die stickige Luft in der Stadt.

Die wichtigste Freiluftschneise ist klar die Isar. Aber auch die ästhetisch nicht so wertvolle Stammstrecke bringt gute Durchlüftung. Dort ist zwar viel Verkehr, aber „weil dort viel Schotter liegt, ist die Fläche weniger versiegelt“, erklärt Benjamin Zeckau von Greencity. Deshalb heizt es sich nicht so auf wie etwa am Mittleren Ring.

Lesen Sie hier: Isar-Tram: Streit um nassen Po

In kleinerem Maße helfen hinsichtlich der Stadtdurchlüftung zudem die Würmaue, die Gleistrasse Rangierbahnhof bis zur Allacher Lohe, aber auch die Freifläche Feldmochinger Anger und die dortige Dreiseenplatte.

 

Messestadt Riem

 

Luftschneisen sollen möglichst frei bleiben. Bei einer Stadt, die wächst wie München kein leichtes Unterfangen. Wegen der Wohnungsnot wird auch in München immer dichter und höher gebaut. Ein Beispiel, wie Neubaugebiete klimagerecht gestaltet werden können, ist die Messestadt Riem. Ihr Park wurde extra so angelegt, dass die schwachen Ostwinde in die Stadt hinein kommen.

Ganz geglückt ist die Planung leider nicht. Die Sorge um die Durchlüftung hat teilweise zu leeren und unwirtlichen Plätzen geführt: Der Willy-Brandt-Platz ist eine Betonwüste, die zwar Wind durchlässt, aber mangels Bäumen selbst heiß und ungemütlich ist. Mehr Grünfläche hätte hier gutgetan.

 

Nymphenburg

 

Die gibt es beispielsweise in Nymphenburg. Die Gegend rund um den Schlosspark steht klimatisch günstig da. Zum einen bringen die Luftschneisen wie der Grünzug am Durchblick Abkühlung, darüber hinaus ist Gern lockerer bebaut als zentralere Viertel. Der Park selbst ist mit seinen großen Bäumen und den Wasserflächen ein kühlender Pol. Von Süden her wirkt sich die Bahntrasse als Belüftungskorridor günstig aus.

 

Georg-Freundorfer-Platz

 

Ein gutes Beispiel, wie man auch auf weniger Raum gute Effekte erzielen kann, ist der Georg-Freundorfer-Platz an der Schwanthalerhöhe. Seit er Anfang 2000 umgestaltet wurde, bietet eine große Rasenfläche Platz zum Ausruhen, Bäume spenden Schatten. Sie sind jedoch so locker gepflanzt, dass die Luft aus den umliegenden Straßenzügen durchwehen kann.

 

Alpenplatz

 

Ähnlich ist es an diesem Giesinger Platz. Viele große Bäume kühlen, auch wenn die Platzfläche selbst nicht groß ist. „Hier ist es fast wie in einem kleinen Park“, sagt Zeckau.

 

Harras

 

Nicht ganz so ideal ist es hingegen am Harras verlaufen. Sicher: Seit der Platz umgestaltet wurde, ist er zumindest mehr als eine Verkehrsinsel mit Busstationen. Ein paar große Bäume haben es ebenfalls auf den Platz geschafft. „Viele der Bänke stehen aber nicht im Schatten“, kritisiert Alexandra Schmidt von Greencity. Außerdem ist der Platz gepflastert und ohne Grünzug. Das speichert Wärme.

Lesen Sie hier: Hitzewelle: Wird Trinkwasser in Franken knapp?

 

Arnulfpark

 

„Es könnte schon sein, dass es hier irgendwann grün aussieht“, sagt Zeckau. Bislang tut es das jedoch nicht. Der Arnulfpark wurde eher nach ästhetischen Maßstäben gebaut, mit lediglich kleinen und wenigen Bäumen. Es gibt zwar Rasenflächen, dominierend sind jedoch Betonflächen.

Das sieht vielleicht schick aus, im Sommer sitzt hier aber niemand: Dafür ist es hier einfach zu heiß.

 

Gartenstädte

 

Durch ihre lockere Bebauung und die vielen Grünflächen sind die Gartenstädte in Trudering für wärmere Zeiten gut gerüstet – oder wären es, wenn der große Zuzug nicht Nachverdichtung und die damit verbundene Versiegelung von Flächen notwendig machen würde. Da könnte auch für die gesamte Stadt negative Folgen haben, warnen die Experten von Greencity: Wenn die Außenbereiche stärker zugebaut werden, kommt auch in die Stadt weniger Abkühlung. Die städtische Wärmeinsel wächst und somit die Wärmeglocke, unter der die Stadt im Sommer verschwindet. Ebenfalls problematisch: Weil die Neubauten in den Gartenstädten meist mit Tiefgaragen ausgestattet sind, wird nicht nur die Oberfläche zubetoniert, sondern auch der Bereich unter dem Haus: „Dann können dort weniger große Bäume gepflanzt werden“, sagt Landschaftsarchitektin Alexandra Schmidt von Greencity.

 

Wärmebunker Innenstadt

 

Die Stadt ist heiß, am heißesten ist sie jedoch in der Innenstadt. Alle ungünstigen Faktoren sind hier vereint: viel Stein und Beton, wenig Bäume und viel Verkehr. Exemplarisch sieht man das am Marienplatz. Der historische Platz ist zwar ein Touristenmagnet, hat aber viel zu wenig Grün. Die vielen dunklen Steine speichern Wärme. Was helfen würde? Helle Dächer, die die Wärme sofort wieder reflektieren und so erst gar nicht in die Städte lassen. Oder noch besser: Fassaden und Dachbegrünung. Dächer ohne Grün heizen sich im Sommer auf bis zu 80 Grad auf. Nachts wird die Wärme wieder abgestrahlt. „Eine Pflanzenfläche heizt sich aber nie über 30 Grad auf“, sagt Zeckau.

Es muss auch nicht immer gleich eine aufwendig gestaltete Dachterrasse sein, sondern Rollrasen oder kurz Wachsendes, wie zum Beispiel Schnittlauch, helfen schon viel. Noch ein Vorteil: Wenn ein Haus sich nicht so aufheizt, braucht man auch weniger Energie für Klimaanlagen.

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Eine andere Möglichkeit, um zu kühlen: „Bäume in Töpfen“, sagt Schmidt. Diese mobile Begrünung könnte man nach Bedarf auf- und abbauen.

Ähnliches bräuchte es am Königsplatz. Der kommt zwar herrschaftlich daher, bietet aber auch wenig Schatten. Am Stachus hat man wenigstens an einen Brunnen gedacht. Doch ohne zusätzliche Bäume verpufft dieser kühlende Effekt sehr schnell.

 

Theresienwiese

 

Ebenfalls temporäre Begründung fordert Schmidt für diesen Platz. Dann, wenn weder Wiesn, Frühlingsfest noch Tollwood ist, ist der Platz eine fast durchgehende, heiße Betonfläche: „Die Stadt hat eine eigene Baumschule, wenn die Großbäume in Kübeln entlang der Hauptwege aufstellen würde, wäre schon viel geholfen.“ Ebenfalls eine Lösung: schnellkeimende Blumen, hübsch anzusehen und besser als Schotter und Kies.

 

Silberhornstraße

 

Viel Beton, viel Verkehr, keine Bäume, kein Brunnen. An diesem Verkehrsknotenpunkt hat man es nur kühl, wenn man im klimatisierten Auto sitzt. Weil man die Straßen und die Tramlinien nicht einfach abschaffen kann, plädieren die Greencity-Experten für kleine Lösungen: etwa, Trambahnschinen zu begrünen. Diese Grünzüge würden ohne den Verkehr zu stören schon Verbesserungen bringen.

 

Am Hart

 

Ebenfalls dem Verkehr und der Industrie gewidmet ist die Gegend um den Frankfurter Ring, Die Straße selbst bildet zwar eine Frischluftschneise, andererseits sieht man bereits auf der Karte deutlich, wie die dichte Blockbebauung eine Art Windsperre bildet. Kein Wunder, dass hier die Luft oft dick ist.

 

Arabellapark

 

Prinzipiell ist die Bogenhauser Gegend, vor allem in Richtung Denning und Riem. wegen seiner lockeren Bebauung und Grünflächen wie dem Denninger Anger gegen die wärmeren Zeiten gut gerüstet. Das östliche sorgt trotz schwacher Winde für einen gewissen Luftaustausch. Am Beispiel Arabellapark sieht man aber, dass man durch die Gestaltung von Plätzen diese Vorteile auch zunichtemachen kann. Der Arabellapark bietet mit seinen im Karree angeordneten Hochhäusern viel Beton, der Brunnen, den man dort gebaut hat, steht mitten in der Sonne und bringt eigentlich kaum etwas. „Wenn man schon den Boden versiegelt“, sagt Zeckau, „kann man wenigstens versuchen, die Dächer zu begrünen.“ Eine Lösung wäre auch, die Fassaden grüner zu gestalten, damit die Hitze, die vom Platz kommt, durch die Pflanzen etwas abgemildert wird. Und schön wär’s obendrein auch noch.

 

Machen Sie mit

 

Wo gibt es zu viel Beton? Wo spenden Bäume Schatten? Die Abendzeitung hat ihre Rechercheergebnisse auf einer interaktiven Karte eingetragen. Sie können sie hier sehen. Doch die Karte soll nicht nur zur Information dienen. Kennen Sie Plätze, die stadtklimatisch günstig oder ungünstig sind? Auf unserer interaktiven Karte können Sie Punkte in München markieren und zwischen vier verschiedenen Kategorien auswählen. Um mitzumachen, klicken Sie einfach auf den Link unter der Karte. Auf der sich dann öffnenden Karte sehen Sie rechts oben ein Stift-Symbol, dort drauflicken und bearbeiten. Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge!

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