Klima-Kleber in München: Chronik einer Eskalation

Seit ziemlich genau einem Jahr machen die Aktivisten der "Letzten Generation" mit ihren Klebe-Aktionen auf den Klimawandel aufmerksam. Der Staat reagiert mit zunehmender Härte.
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Ein Polizisten löst die Verklebung, mit der sich ein Klimaaktivist der Umweltschutzbewegung "Letzte Generation" geklebt hatte.
Ein Polizisten löst die Verklebung, mit der sich ein Klimaaktivist der Umweltschutzbewegung "Letzte Generation" geklebt hatte. © Lennart Preiss/dpa/Symbolbild

München - Manche Dinge werden im Rückblick schnell klarer. So auch die Entwicklung der Umweltproteste in München, die Aktionen der "Klima-Kleber" der "Letzten Generation" und von Gruppen wie "Extinction Rebellion" und "Scientist Rebellion". 

Das AZ-Archiv verzeichnet die erste Klebe-Aktion am 31. Januar in Berlin, Hamburg und Stuttgart. In München ist die erste Aktion am Mittwoch, 23. Februar: Eine Gruppe von Aktivisten klebt sich am Flughafen auf eine Zufahrtsstraße. Der Verkehr wird kaum behindert, Feuerwehr und Sanitäter lösen sie von der Straße. Damaliger Fokus des Protests: Das Retten von Lebensmitteln. 

Flughafen München: Aktivisten kleben sich an Zufahrt fest

Aktivisten der Gruppe "Die letzte Generation" haben sich mit ihren Händen auf einen Zebrastreifen auf der Südallee, einer Zufahrt zum Frachtbereich vom Münchner Flughafen, geklebt.
Aktivisten der Gruppe "Die letzte Generation" haben sich mit ihren Händen auf einen Zebrastreifen auf der Südallee, einer Zufahrt zum Frachtbereich vom Münchner Flughafen, geklebt. © Matthias Balk (dpa)

Die Situation spitzt sich ein erstes Mal Ende Mai zu, als Klima-Aktivisten sich auf eine Autobahnabfahrt der A95 kleben. Wütende Autofahrer werden zum Teil handgreiflich gegenüber den Protestierenden. 

Autofahrer stinksauer: Klimaaktivisten kleben sich auf A95 fest

Aufgebrachte Autofahrer stehen vor einer auf der Straße sitzenden Klimaaktivistin.
Aufgebrachte Autofahrer stehen vor einer auf der Straße sitzenden Klimaaktivistin. © Peter Kneffel/dpa

Weitere Blockade-Aktionen ähnlicher Art folgen in den kommenden Wochen, wobei einige auch misslingen. Dann folgen einige ruhigere Wochen, bis dann im August ein nächster großer Aufschlag folgt: Die "Letzte Generation" hat sich in München neue Ziele gesucht, kleben sich in der Alten Pinakothek an ein Gemälde und in der Allianz Arena ketten sie sich ans Tor. 

Museum: Aktivisten beschädigten Rahmen von Rubens-Gemälde

Aktivisten der "Letzten Generation" kleben am Rubens.
Aktivisten der "Letzten Generation" kleben am Rubens. © Letzte Generation

Bei Bayern-Spiel: Aktivisten wollen sich an Torpfosten festketten

Benjamin Pavard  und Sadio Mané reden auf den Aktivisten ein.
Benjamin Pavard und Sadio Mané reden auf den Aktivisten ein. © IMAGO / Revierfoto

Im September dann sind die ersten Klima-Kleber vor Gericht: die Staatsanwaltschaft wirft zwei Frauen und einem Mann Nötigung vor, weil sie sich auf die Straße geklebt haben. Das Urteil:

Prozess in München: Klebe-Aktivisten kommen mit Verwarnung davon

Die Aktivisten am Freitag im Gerichtssaal.
Die Aktivisten am Freitag im Gerichtssaal. © Peter Kneffel/dpa

Die Debatte nimmt derweil deutschlandweit an Fahrt auf, als die Aktivisten Ende Oktober erklären, vermehrt Autobahnen blockieren zu wollen. Bei einer Blockade in Berlin am 31. Oktober bleibt ein Rettungswagen im Stau stecken (ob und wie die Klimaaktivisten daran eine Mitschuld tragen, ist umstritten). Eine Radfahrerin, die von einem Betonmischer überfahren wird, stirbt später im Krankenhaus. 

Viele Politiker fordern eine härtere Vorgehensweise gegenüber den Klima-Klebern. Die wird in Bayern aber schon vorher angeschlagen: Aktivisten der Gruppe "Scientist Rebellion" kleben sich am Samstag, 29. Oktober, in der BMW Welt an ein Auto und betätigen den Feueralarm.

Drei von ihnen kommen für einen Monat in Präventivhaft – es ist das erste Mal, dass dieses Mittel seit der IAA-Proteste im Herbst 2021 angewandt wird. 

Nach BMW-Klebe-Aktion: Klimaaktivisten in Präventivhaft

Klima-Aktivisten der Gruppe "Scientist Rebellion" werden von Polizisten aus der BMW Welt geführt.
Klima-Aktivisten der Gruppe "Scientist Rebellion" werden von Polizisten aus der BMW Welt geführt. © Thomas Gaulke

Seither haben sich diese Abläufe eingeschliffen: Klima-Aktivisten kleben sich fest (aktuell besonders gerne am Stachus), die Polizei verhaftet sie und steckt sie in Präventivhaft. Mal kürzer, mal länger.

Bei den Klima-Klebern im Knast: Die AZ besucht inhaftierte Aktivisten

Sechs Aktivisten der Gruppe "Die Letzte Generation", die über Weihnachten in Haft saßen, werden am Donnerstag wieder auf freien Fuß kommen.
Sechs Aktivisten der Gruppe "Die Letzte Generation", die über Weihnachten in Haft saßen, werden am Donnerstag wieder auf freien Fuß kommen. © Matthias Balk/dpa

Anfang Dezember versucht die Stadt, die Klima-Kleber mittels einer sogenannten "Allgemeinverfügung" zum Aufhören zu bringen: Von Samstag, 10. Dezember um 0 Uhr bis 8. Januar verbietet sie diese Protestform. 

München verbietet Klima-Kleber-Proteste bis 8. Januar – Aktivisten am Hauptbahnhof auf Straße geklebt

Vier Klimaaktivisten sitzen mit angeklebten Händen auf dem Zubringer einer Start-und Landebahn am Airport Franz-Josef-Strauß.
Vier Klimaaktivisten sitzen mit angeklebten Händen auf dem Zubringer einer Start-und Landebahn am Airport Franz-Josef-Strauß. © Karl-Josef Hildenbrand /dpa

Aber: Auch das hält die "Letzte Generation" nicht davon ab, weiter zu protestieren, sich weiter auf Straßen festzukleben und für Aufregung zu sorgen. Einige von ihnen nehmen dafür auch in Kauf, Weihnachten und Silvester in Präventivgewahrsam zu verbringen. 

Aktivisten der "Letzten Generation": Weihnachten im Gefängnis

Mitglieder der Gruppierung Letzte Generation wollen sich auch am Dienstagmorgen wieder am Stachus versammeln "und weiter Widerstand leisten".
Mitglieder der Gruppierung Letzte Generation wollen sich auch am Dienstagmorgen wieder am Stachus versammeln "und weiter Widerstand leisten". © Letzte Generation
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29 Kommentare
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  • loewenhund am 26.12.2022 14:51 Uhr / Bewertung:

    ein akitivist der in frankreich von einem polizisten befreit wurde wird sich nie mehr in seinem leben irgendwo festkleben-aber unsere polizei muss sehr sachte mit dem gesindel umgehen weil sie sonst selber und härter bestraft werden

  • muc_original_nicht_Plagiat! am 25.12.2022 18:47 Uhr / Bewertung:

    Interview mit Ralph Knispel, Oberstaatsanwalt in Berlin:
    "Knispel: Für uns Juristen und Strafverfolger gibt es keine Klimaaktivisten, sondern wir haben es mit Verdächtigen einer Straftat, das heißt: mit Beschuldigten zu tun. Wer sich auf der Straße festklebt, nötigt andere Verkehrsteilnehmer. Wer sich den Polizisten widersetzt, die ihn von der Straße führen wollen, leistet unter Umständen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Die verklärte Rhetorik von Klimaaktivisten und deren Unterstützern halte ich für verfehlt. Da müssen wir die Begrifflichkeit wieder geraderücken. Als Staatsanwalt interessieren mich nicht Fernziele, ich beurteile allein die Frage, ob sich jemand an die geltenden Gesetze hält."

    Frage: wie lange noch? wie lange wird noch verharmlost, indem diese Menschen als "Aktivisten" bezeichnet werden?

  • Der wahre tscharlie am 25.12.2022 21:30 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von muc_original_nicht_Plagiat!

    Naja, der Staatsanwalt sagt nur das, was man von einem Ankläger erwartet. Er wird halt das Gesetzbuch ausschöpfen. Und wie er sagt, interessiert ihn nur das geltende Gesetz.
    Andererseits findet er die Rhetorik der Klimaaktivist*innen für verfehlt. Diese Aussage gehört natürlich auch zu einem Ankläger dazu.
    Welche Begrifflichkeiten er da gerade rücken will...keine Ahnung. Vielleicht möchte er, dass die Klimaaktivist*innen nicht mehr als solche bezeichnet werden.
    Das liegt aber nicht in seiner Macht oder Entscheidungsbefugnis, da er nur Ankläger ist. Daneben gibts noch die Verteidiger und letztendlich der Richter, der nach Beweislage ein Urteil fällt.

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