Kleider, Cognac, Kettensägen: Kurioses aus dem Koffer

Sechs Mal im Jahr versteigert der Flughafen seine Fundsachen. Darunter: Kettensägen, Eheringe oder iPads. Am spannendsten aber ist das Gepäck anderer Leute
von  Tim Wessling
Treffer! Lukas findet eine Flasche Cognac.
Treffer! Lukas findet eine Flasche Cognac. © Tim Wessling

Sechs Mal im Jahr versteigert der Flughafen seine Fundsachen. Darunter: Werkzeuge, Eheringe oder iPads. Am spannendsten aber ist das Gepäck anderer Leute

München - Immerhin 400 Euro haben Ronja und Lukas (beide 21) gerade für einen schwarzen Rollkoffer hingeblättert. Ganz schön viel für ein gebrauchtes Gepäckstück. Allerdings ist der Koffer ein riesiges Überraschungsei: Drinnen findet sich das Urlaubsgepäck eines fremden Pärchens, das Lukas und Ronja jetzt durchwühlen.

Gibt’s nicht? Gibt’s doch! Bei der Fundsachenversteigerung des Flughafens Münchens.

Sechs Mal im Jahr versteigert der Flughafen nicht abgeholte Gepäckstücke: Einmal am Flughafen selbst und fünf Mal im Umland. An diesem Wochenende hat das Team des Fundbüros rund 250 Stücke auf das Volksfest in Dorfen gebracht. Darunter auch fünf „Überraschungs-Koffer“ mit unbekanntem Inhalt.

Vor allem aber ist die Versteigerung ein Paradies für Technik-Schnäppchenjäger. Smartphones für 50 Euro, iPads für 140 Euro oder Laptops für 110 Euro gehen über den Tresen. Der Neupreis liegt oft um ein Vielfaches höher. Gezahlt werden muss aber immer in bar.

Auch Schmuck findet sich auf der Versteigerungsliste, Eheringe mit Gravur etwa. Als Auktionator Joseph Mittermaier die Inschrift „Für Heinz“ vorliest, müssen die knapp 1500 Gäste in der Eishalle laut lachen. „Solche Stücke gehen vor allem an Wiederverkäufer“, erklärt Josef Rankl.

Rankl leitet seit mehr als zehn Jahren das Fundbüro am Flughafen. Im Publikum sieht er viele bekannte Gesichter, die zu fast jeder Fundsachenversteigerung kommen. Apropos bekanntes Gesicht: Auktionator Josef Mittermeier ist der Vater des bekannten Comedian Michael Mittermeier und versteigert seit 2008 die Fundsachen des Flughafens.

Vieles wird gleich im Paket verscherbelt: Ein Bild, eine Tasche und ein Gürtel für 65 Euro. Oder ein Wanderstock mit Schirm und Fernglas für 80 Euro. Wer will, kann sich auch Pakete mit zehn Uhren unter den Nagel reißen.

Ronja und Lukas arbeiten sich derweil Schicht für Schicht durch ein fremdes Leben. Die 400 Euro sind gut angelegt. Ronja zieht einen Laptop aus dem Gepäckstück, Lukas findet einen Taschenrechner und Edel-Cognac zwischen Hosen und Damenunterwäsche. Nur die Klamotten passen nicht so ganz: Ein blaues Satin-Kleid ist Ronja locker drei Nummern zu groß.

Koffer wie dieser werden zwar als Überraschung versteigert, geöffnet wurden sie vorher trotzdem: „Der Inhalt ist durch den Zoll gegangen, und es finden sich keine Hinweise auf die früheren Besitzer“, erklärt Rankl vom Fundbüro. Festplatten von Laptops würden gelöscht und Familienfotos entfernt.

Ein halbes Jahr haben die Besitzer Zeit, ihre Besitztümer wieder abzuholen. Was dann noch immer am Flughafen liegt, kommt in die Versteigerung. Die nächste wird am 21. September in Geiselwind stattfinden – und die Einnahmen fließen zu einem großen Teil in Integrationsprojekte im Umfeld des Flughafens.

Wieder mit dabei: Fundbüro-Leiter Josef Rankl, der wohl einen der lustigsten Jobs der Stadt hat. „Mich schockt nichts mehr“, erzählt er. „Derzeit steht bei uns eine Waschmaschine, eine Modell-Moschee und ein ferngesteuertes Benzin-Auto mit über 50 Zentimeter Länge“. Sogar Brautkleider oder Goldfische wurden schon am Terminal vergessen. Und auch heute kommen viele skurrile Dinge unter den Hammer: Kettensägen und Akkuschrauber zum Beispiel — aber auch zwei Autositze, passend für einen Seat.

Die Höhepunkte bleiben aber die Überraschungs-Koffer. Heute gehen davon fünf Stück raus. Die meisten Käufer warten mit dem Öffnen, bis sie wieder zu Hause sind. Lukas und Ronja konnten aber nicht warten. Als Auktionator Mittermeier die Versteigerung beendet, hat das Pärchen den Koffer-Inhalt schon auf drei Bierbänke verteilt. Und ganz unten findet Ronja dann doch noch etwas, das ihr passt: schwarze, spitze Lederstiefel mit Absatz. „Ist nicht ganz mein Stil“, sagt Ronja, zieht sie aber trotzdem an.

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