Klage gegen Flüchtlingsheim nebenan

München - Zwei junge Männer sind schon eingezogen, man bekommt sie aber nicht zu Gesicht, denn es ist Montagvormittag, sie arbeiten natürlich. In dem Wohnprojekt in Moosach sollen minderjährige unbegleitete Flüchtlinge eine Bleibe finden, die in München zur Schule gehen, eine Lehrstelle haben oder arbeiten.
33 Apartments gibt es in dem Haus in der Scharnhorststraße, jeweils mit kleiner Küchenzeile und sogenannter Nasszelle, außerdem einen Gemeinschaftsraum in Flachbau hinter dem grauen Fünfstöcker.
Gegen dieses Wohnheim für Flüchtlinge klagen die Nachbarn. Brandschutzrechtliche Vorgaben seien nicht eingehalten worden, erklärt die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) aus dem blassgelben Haus nebenan. Beklagte ist die Lokalbaukommission.
Feuerleiter? "Naa", sagt ein Kläger, "um das Loch im Keller geht’s!"
Ein zweiter Rettungsweg ist in einem Wohngebäude Pflicht, die riesige Wendeltreppe an der Außenwand im Hinterhof allerdings taucht in den genehmigten Bauplänen noch nicht auf. Nun ragt sie dort – und zwar weiter, als sie dürfte. Im Garten hinterm gelben Nachbarhaus ranken sich Rosen, auf einem der Balkone trocknet ein weiß-blaues Hemd. Ein Eigentümer sagt, er wohne „erst seit 1974“ in dem Haus, das 1973 gebaut wurde. Nicht alle 45 Wohnungsbesitzer klagen, einige sind sogar aktiv gegen die Klage vorgegangen. „Aber das sind die wenigsten“, sagt Reinhard Schulz. Er ist 1973 eingezogen, ist heute dort Hausmeister und im Wohnbeirat.
Auf die Frage nach Brandschutz und Feuerleiter schüttelt er den Kopf. „Brandschutz? Naa. Um das Loch im Keller geht’s!“
Lesen Sie hier: München weiter "Spitze": Wohnsituation für Studenten verschlechtert
Das „Loch im Keller“ ist ein Durchbruch, damit die Anlieger des Wohnheims die Zufahrt des Nachbarhauses zur Tiefgarage nutzen können, denn der Neubau hat keine eigene. „Das haben sie da einfach hingemacht als Garageneinfahrt“, schimpft Schulz. „Idiotisch!“ Auf ein „Geh- und Fahrtrecht“, das seit den 70ern auf dem Grundstück besteht, beruft sich der Anwalt der Projektgesellschaft „My16“, die für das Heim verantwortlich ist.
Allerdings sehen die Gesellschafter sowohl im Loch als auch in der Treppe vorgeschobene Probleme: „Seit Monaten geht es um die Nutzung durch die jungen Leute“, sagt Architekt und Hauseigentümer Knut Schweighöfer, „und plötzlich werden solche baulichen Themen rausgeholt.“
Man werde eine Lösung für das Brandschutz-Problem finden, sie umsetzen, „und dann gehen wir davon aus, dass die Nutzung normal aufgenommen werden kann“.
"Verzeihen Sie, dass ich etwas geschockt bin", sagt die Anwältin
Ganz so leicht sieht es die Vertreterin der Landeshauptstadt nicht: „Ich habe ein Jahr lang versucht, die Baugenehmigung mit den Nachbarn hinzukriegen“, sagt sie in der Verhandlungspause zu den Gesellschaftern, „also verzeihen Sie, wenn ich etwas geschockt bin, dass ich herkomme und dann steht da plötzlich so eine Treppe.“
Die sei aber die Vorgabe des Brandschutzprüfers gewesen, versichert Andreas Bodmeier von „My16“. Am Freitag wurde das Wohnheim ans Sozialreferat als Mieter übergeben. Die jungen Flüchtlinge werden in den nächsten Tagen einziehen.
Und die Entscheidung, ob die Klage abgewiesen wird, kann bis zu sechs Monate auf sich warten lassen.