Kita-Streiks: Eltern auf den Barrikaden
MÜNCHEN - Die Erzieherinnen streiken jetzt jeden Freitag. Wann die Verhandlungen weitergehen, ist ungewiss. Die Eltern sind verzweifelt: Wohin mit denn Kindern? Eine engagierte Mutter plant jetzt eine Demo.
Freitag wird zum Angst-Tag für Münchner Eltern: Ab 3. Juli ruft die Gewerkschaft Verdi jede Woche zu Streiks und Aktionen auf. Los geht’s mit Jugendamt und Sozialdienst. Schon am 10. Juli können wieder Kinderbetreuungseinrichtungen betroffen sein. Jede Woche werden andere Kitas, Krippen und Kindergärten streiken. Vor den Sommerferien wird es außerdem einen Vollstreiktag für alle Einrichtungen geben.
Ein Termin für neue Verhandlungsrunden steht nicht fest. „Wir stellen uns auf heftige Auseinandersetzungen mit den Arbeitgebern ein“, sagt der Münchner Verdi-Chef Heinrich Birner. Die könnten im Herbst beginnen. Bis dahin wird wohl gestreikt.
Die Eltern sind genervt bis verzweifelt. „Für Alleinerziehende ist dieser Streik langsam schwer zu verstehen – sie wissen nicht, wohin mit den Kindern“, sagt Dorothea Soellner vom Verband der Alleinerziehenden in München. „Ich find’s ungerecht, grad’ für Eltern, die keine Alternativen haben“, sagt Andrea Fischer, Altenpflegerin und Mutter einer vierjährigen Tochter. „Bei zwei befreundeten Müttern steht schon der Job auf der Kippe.“ Sie will jetzt eine Eltern-Demo organisieren, für eine schnellere Einigung.
„Auf lange Sicht haben auch Eltern etwas von besseren Bedingungen für Kinderbetreuung“, sagt Birner. In anderen Bundesländern werden die Streiks zurückgefahren – Münchner Eltern müssen durchhalten.
Edith Miller: "Ein Kind ist doch kein Päckchen!"
Einmal hat sich Edith Miller frei genommen. Einmal war Julian bei einer Freundin. Einmal mit im Büro. Jetzt reicht es Edith Miller. „Ich weiß einfach nicht mehr, was ich machen soll“, sagt die Alleinerziehende. Edith Miller arbeitet im Büro einer Versicherung, so ernährt sie ihre kleine Familie. Und ist deshalb auf Julians Kindergartenplatz angewiesen.
„Jetzt habe ich kein Verständnis mehr“, sagt die Mutter, „einmal streiken ist in Ordnung, zweimal auch. Aber mein Zorn wächst mit jedem Streiktag.“ Julian einmal mit ins Büro zu nehmen, das ging schon. „Er weiß, dass er ruhig sein muss, wenn ich telefoniere.“ Trotzdem musste sie früher Feierabend machen, „mehr als ein paar Stunden geht das nicht.“
Miller hat keine Verwandten, die einspringen könnten. Ihre Bekannten sind alleinerziehend wie sie selbst, und eine Tagesmutter engagieren? „Das kann ich mir nicht leisten“, sagt sie. Groß planen kann sie sowieso nichts, weil der Kindergarten seine Streiks kurzfristig ankündigt. Sie ist wütend: „Ein Kind ist doch kein Päckchen, dass man verschicken oder abstellen kann!“
Kaiya Blazek: "Langsam geht's einfach an die Substanz"
Kaiya Blazek und ihr Mann Ralf haben drei Kinder: Der Älteste geht in die Grundschule, eines ist in einer Elterninitiative – und die kleine Smilla geht in eine städtische Kinderkrippe. „Klar müssen die Streiks sein“, sagt Kaiya Blazek, „aber langsam geht’s einfach an die Substanz.“ Wie dringend Erzieher gebraucht werden, haben die Eltern schon schmerzhaft erfahren müssen: Ihre beiden Ältesten konnten sie nicht im Kindergarten unterbringen, stattdessen müssen sie sich in Elterninitiativen engagieren.
Ein Balance-Akt für das beruftstätige Paar – beide arbeiten in der IT-Branche. „Freuen können wir uns über die Streiks nicht. Aber den Job macht einfach niemand für das Gehalt“, sagt sie, „die Stadt muss den Erziehern mehr zahlen. Es fehlt an allen Ecken und Enden an Kindergarten- und Hortplätzen, weil zu Wenige diesen Job machen wollen.“
Bisher haben sie sich abwechselnd freigenommen, halbe Tage daheim gearbeitet und einen Babysitter engagieren müssen. „Wie das noch werden soll, wenn das so weitergeht – keine Ahnung“, sagt Kaiya Blazek. Ihren Resturlaub haben sie aufgebraucht.
Laura Kaufmann