Kirchenschließungen in München: "Es darf keine Tabus geben"

Die Kirche muss sparen, doch gerade in der Pandemie werden ihre Angebote viel genutzt. Das Bistum ist gezwungen, sich neu zu organisieren.
von  Paul Nöllke
Christoph Klingan, Generalvikar der Erzdiözese München und Freising, kommt zu einer Pressekonferenz.
Christoph Klingan, Generalvikar der Erzdiözese München und Freising, kommt zu einer Pressekonferenz. © Sven Hoppe/dpa

München - Die guten Zeiten sind vorbei. Der Kirche fehlt zunehmend Geld, und nun werden sogar im Bistum München und Freising, einem der vermögendsten Bistümer Deutschlands, Ideen diskutiert, die man vor ein paar Jahren noch gänzlich ausschließen wollte.

"Es darf keine Tabus geben", erklärte Generalvikar Christoph Klingan am Donnerstag bei der Vorstellung der Jahresbilanz der Erzdiözese. Und fügte hinzu: "Das Bistum muss prüfen, ob wir überhaupt alle Kirchen halten können." So klar hatte diese Frage noch nie jemand im Bistum aufgeworfen. Die Frage, ob nicht auch Kirchen verkauft werden müssen.

Corona-Pandemie setzt dem Bistum München und Freising zu

Sparen muss die Erzdiözese vor allem wegen der steigenden Anzahl der Kirchenaustritte und den damit einhergehenden geringeren Kirchensteuereinnahmen. Auch die Corona-Pandemie setzte dem Bistum zu, wenn auch nicht so schwer wie erwartet. Die gesamten Erträge der Erzdiözese betrugen 2020 etwa 864 Millionen Euro. 2019 waren es noch 887 Millionen Euro. Davon stammten 647 Millionen Euro aus der Kirchensteuer, 18 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. 130 Millionen Euro kamen durch öffentliche Zuschüsse.

2021 wird das Bistum wohl insgesamt 849 Millionen Euro ausgeben, mehr als die erwarteten Einnahmen von 825 Millionen Euro – und somit ein Minus verbuchen.

"Diese Ressourcenfrage ist für manche in der Kirche Neuland"

Nun ist im Bistum von Kardinal Marx also Sparen angesagt, und die Erzdiözese stellt alles auf den Prüfstand: die Kirchen, Gottesdienste, aber auch andere Angebote wie die Seelsorge. "Diese Ressourcenfrage ist für manche in der Kirche Neuland", sagt Klingan.

Um zu entscheiden, wo gespart wird, hat das Bistum mehrere Arbeitsgruppen gebildet. Ende des Jahres sollen die ersten Ergebnisse vorliegen. Wo gespart wird, sei noch vollkommen offen, sagt Klingan. Wichtig sei aber bei allen potenziellen Einsparungen die Frage: "Wie kann die Kirche für die Menschen da sein, ganz konkret?"

Diese Frage ist für die Kirche gerade in der Corona-Pandemie wieder zentral geworden: Bei ihren karitativen Einrichtungen habe die Kirche nämlich "eine enorme Zunahme der Nachfrage", berichtet der Generalvikar.

Menschen, die sich einsam fühlten, suchten nun öfter das Gespräch, berichtet zum Beispiel Bruder Bernd Kober, der in St. Anton seit letztem Jahr eine Essensausgabe für Bedürftige betreibt. "Allein wenn man ein Plakat mit Angeboten zu Gesprächen aushängt, bekommt man eine große Resonanz", so der Kapuzinermönch.

Digitale Gottesdienste werden immer noch gut angenommen

Auch Künstler und Musiker förderte die Kirche während der Pandemie, berichtet die Amtschefin des Erzbischöflichen Ordinariats, Stephanie Herrmann. So habe das Bistum Geld bereitgestellt, so dass Künstler, Schauspieler und Tänzer engagiert werden konnten, um Gottesdienste zu gestalten. Dadurch habe man nicht nur die Künstler finanziell unterstützt, sondern auch "für Gottesdienstbesucher neue Impulse gesetzt".

Auch die Telefonseelsorge der Kirche sei zu Zeiten der Pandemie sehr stark nachgefragt worden. Und sogar Gottesdienste, die ins Internet übertragen wurden, seien gut angenommen worden und würden immer noch von überraschend vielen Menschen angesehen, so der Generalvikar. Und das, obwohl Gottesdienste bereits wieder ganz normal in der Kirche stattfinden können.

Diese Beobachtungen würden in die Überlegungen einfließen, wie die Kirche Menschen in Zukunft besser erreichen kann.

All diese Entwicklungen machen dem Bistum auch Hoffnung. Hoffnung, dass die Sparmaßnahmen der Erzdiözese am Ende nicht ein "Weniger" an Kirche bedeuten müssen, sondern vielleicht sogar neue Wege öffnen, um Gläubige wieder zu erreichen.

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