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Kindheit in den 60ern im Westend: Vom Schlurfen und Singen

AZ-Leserin Christine Jürgens spielt zwischen Ruinen, freut sich über die Wiesn und misst sich in den 60ern mit anderen Sängerinnen und Tänzern.
Christine Jürgens |
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Christina Jürgens beim Sahara-Dancing in der Lilienstraße, damals wurde dort fleißig gesungen.
Christina Jürgens beim Sahara-Dancing in der Lilienstraße, damals wurde dort fleißig gesungen. © privat

Die 60er Jahre (ich bin Jahrgang 1946) das war meine Zeit. Aufgewachsen bin ich im Westend – der Schwanthaler Höh'.

Der frühere Hit von Maxl Graf: "Ich bin ein echter Tulbeckstraßler" hätte fast für mich gepasst. Meine Straße war die Guldeinstraße – unmittelbar neben der Tulbeckstraße. Die Kindheit war natürlich geprägt von den Auswirkungen des Krieges.

Aber uns Kindern fehlte es eigentlich an nichts. Das Spielen im Hof – auch in den Ruinen – war Abenteuer pur. Ballspielen an der Mauer, kein Problem – auch wenn der Putz manchmal mit runter kam. Spannend wurde es am Nachmittag, wenn die Alten aus den Fenstern schauten: Bequem auf ein Kissen gestützt, hielten sie es manchmal stundenlang aus, uns beim Ballwerfen und -fangen zuzuschauen. Hatten wir – meistens die Mädels – ein paarmal hintereinander gefangen, gab's Applaus und wir winkten stolz zurück.

Auf dem folgenden Bild sieht man das Vorder- und Rückgebäude (Ruine) der Guldeinstraße 34. Meine Schwester (links) ist Jahrgang 1960. Der Wiederaufbau war Mitte der 60er Jahre noch nicht abgeschlossen.

In der Guldeinstraße: Christina Jürgens (r.) mit ihrer Schwester.
In der Guldeinstraße: Christina Jürgens (r.) mit ihrer Schwester. © privat

Meine Kindergartenzeit verbrachte ich bei den Schwestern – vier Jahre, da ich mit fast sieben Jahren eingeschult wurde. Auch daran eine schöne Erinnerung.

Der Kindergarten, vier Jahre schöne Erinnerungen für die AZ-Leserin.
Der Kindergarten, vier Jahre schöne Erinnerungen für die AZ-Leserin. © privat

Wenn der Hoffotograf vorbeischaute

Zweimal im Jahr kam der Hoffotograf. Er meldete sich mit einer besonderen Klingel, so wussten wir Kinder sofort: Der Fotograf ist wieder da. Nachdem wir uns das Einverständnis von der Mama geholt hatten, standen wir bereit.

Der Mann verschwand hinter einem riesigen schwarzen Tuch – vorne der Apparat. Er kam erst wieder zum Vorschein, wenn er den Auslöser gedrückt hatte. Das Ergebnis war ein Schwarz-Weiß-Foto und wurde von Hand koloriert. Wie sich Fotografie entwickelt hat!

Zweimal im Jahr kommt der Hoffotograf - und fotografiert auch die junge Christina Jürgens.
Zweimal im Jahr kommt der Hoffotograf - und fotografiert auch die junge Christina Jürgens. © privat

Ein- und ausstöpseln im Fernmeldeamt

Das folgende Foto zeigt meinen Vater im Fernmeldeamt München. Hier wurde bis Anfang der 60er Jahre ein- und ausgestöpselt und repariert. Auch hier – nur Staunen über die Entwicklung.

Der Vater von Christina Jürgens arbeitet in den 60ern beim Fernmeldeamt. Dort ist er auch einmal fotografiert worden.
Der Vater von Christina Jürgens arbeitet in den 60ern beim Fernmeldeamt. Dort ist er auch einmal fotografiert worden. © privat

Zu Besuch im Hirschgarten

Im Sommer – ein Besuch im Hirschgarten war immer drin. Für die Westendler schon immer DER Biergarten und die Hirsche, für uns Kinder immer willkommen.

Der Hirschgarten ist für die Familie in den 60ern der Ort für Ausflüge.
Der Hirschgarten ist für die Familie in den 60ern der Ort für Ausflüge. © privat

Auf der Wiesn eine Kugel Eis für zehn Pfennig

Was war ich stolz – 1960 auf der Wiesn beim Fotoschießen: Der Zwölferschütze war mein Papa. Und überhaupt war ich während der Woche mehrmals auf dem Oktoberfest. Ein Spaziergang auf die Wiesn mit der Mama. Eine Kugel Eis (zehn Pfennig) und ein Los beim Roten Kreuz waren immer drin.

1960 schießt Christina Jürgens Papa auf der Wiesn. Mei, da war sie stolz, schreibt uns die AZ-Leserin.
1960 schießt Christina Jürgens Papa auf der Wiesn. Mei, da war sie stolz, schreibt uns die AZ-Leserin. © privat

Als 16-jährige nahm ich auch an dem von der Abendzeitung ins Leben gerufenen "Rund um den Starnberger See" teil: zu Fuß. Leider habe ich davon kein Foto mehr. Meine Erinnerung daran – es war anstrengend, aber lustig. Wir kamen im Undosa-Bad an und wurden von einer Band empfangen. Bei Chubby Checker: Let's twist again, taten dann auch die Füße nicht mehr weh.

Hopsen beim "Record Hop" im Löwenbräukeller

Das "Record Hop" im Löwenbräukeller – am Sonntag – war bei uns Jugendlichen der Hit. Durften doch dort die 16-Jährigen bis 24 Uhr – statt nur bis 22 Uhr "hopsen". Mal Sondock legte auf.

Manchmal gab's auch Live-Auftritte von Gus Backus oder Christian Anders. Traumhaft. Zweimal fanden hier sogar die Slop-Meisterschaften statt. Slop – ein damaliger Modetanz. Der Boden war danach sauber. Man "schlurfte" regelrecht.

Christina Jürgens beim Sahara-Dancing in der Lilienstraße, damals wurde dort fleißig gesungen.
Christina Jürgens beim Sahara-Dancing in der Lilienstraße, damals wurde dort fleißig gesungen. © privat

Sehr beliebt waren in den 60er Jahren die sogenannten Sängerwettstreit-Veranstaltungen in München. Ob im "Sahara-Dancing" in der Lilienstraße oder im "Fendilator" in der Fendstraße, einmal im Monat hieß es; schick machen und rauf aufs Podium zum Mikrofon: von Suzie mit "Du, Du, Du gehts vorüber..." oder "Non Ho L'Età" von Gigliola Cinquetti. Und ich war dabei.

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  • Andi K. am 09.08.2022 14:33 Uhr / Bewertung:

    Die 60er - schöne Zeit damals, nicht so "bunt" aber frei und ohne Zwänge, die heute an der Tagesordnung sind.

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