Kindergarten im Münchner Glockenbachviertel kämpft für sichere Straße – erste Änderungen beschlossen

München - "Es ist nie verkehrt, unsere Stadt mit dem Blick von Kindern und jungen Erwachsenen zu sehen" – so lässt sich der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am 12. Mai zitieren. Und forderte die Nachwuchs-Münchner dazu auf, ihm per Mail oder per Brief Verbesserungsvorschläge für die Stadt zu schicken.
Das ließen sich auch Anna H. und ihr vierjähriger Sohn nicht zweimal sagen: Der Junge geht nämlich in den städtischen Kindergarten an der Pestalozzistraße 58 im Glockenbachviertel. Direkt gegenüber vom Eingang des Kindergartens, einmal über die Straße, führt ein kleines Weglein zum Spielplatz am Glockenbach – ein beliebtes Ziel für die Kindergartenkinder am Nachmittag.
Kindergarten in der Pestalozzistraße: Gefährlicher Straßenverkehr
Wenn da nur nicht der gefährliche Autoverkehr wäre, der trotz Tempo-30-Zone da oft viel zu schnell um die Kurve kommt. Laut Anna H. und anderen Eltern halten sich an der Stelle viele Autos nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Ein wenig die Straße hoch ist ein anderer Kindergarten, da gibt es einen Fußgängerstreifen zur Querung der Straße. Danach treten viele Autofahrer etwas zu sehr aufs Gas.
Dem Kindergarten ist die verkehrliche Situation schon lange ein Dorn im Auge, wie auch die Elternbeiratsvorsitzende Bärbel B. gegenüber der AZ bestätigt. "Insgesamt haben wir über die letzten Jahre schon mehrfach darum gebeten, die Sicherheit unserer Kinder für den Besuch des Kindergartens zu erhöhen", so B. in einer Mail an die Stadt. Passiert sei bisher: nichts.

Also nahmen Anna H. und ihr Sohn den Aufruf des Oberbürgermeisters wahr und wandten sich an ihn mit ihrem Problem. Die Mama schrieb Mitte Mai eine Mail und der Sohn malte ein Bild: Mit Autos, die aussehen wie Schnecken, die die Straße vor dem Kindergarten entlang fahren. Ein Bild, das so gar nicht der Realität vor Ort entspricht, sondern eben eher einem Wunsch für die Zukunft.
Kindergarten im Glockenbachviertel macht selbst viele Vorschläge zur Verbesserung
Es hat aus dem Umfeld des Kindergartens bereits viele Vorschläge gegeben, wie die Querung für die Kinder sicherer gemacht werden könnte: Eine Geschwindigkeitsanzeige mit Smiley zum Beispiel, ein Zebrastreifen oder auch eine Bremsschwelle, wie man sie auch von anderen Quartiersstraßen kennt.

Im Juli flatterte die Antwort von Oberbürgermeister Reiter in die Inbox von Anna H.. Und die hat sie so wütend gemacht, dass sie den Brief und ihre Meinung dazu auf Twitter öffentlich gemacht hat. Über 800 "Gefällt mir"-Angaben hat er seither gesammelt.
Kurz zusammengefasst steht da drin: Die von den Kindern vorgeschlagenen Bremsschwellen, die auf der Straße installiert werden sollen, brächten "eigene Gefahren mit sich". Deswegen würde die Stadt solche "ungern oder gar nicht" installieren.
Die Gefahren laut Baureferat: Radfahrer könnten sie zu spät erkennen oder zu schnell überfahren. Oder sie stellen für Fußgänger, "insbesondere mobilitätseingeschränkte Personen" eine "Stolpergefahr und schwer zu überwindende Barrieren" dar.
Keine Bremsschwellen, mehr Kontrollen
Statt Bremsschwellen bauen zu lassen, möchte der OB das "wichtige Anliegen" der Kinder an die zuständige Polizeiinspektion weiterleiten. Mit der Bitte, dort "mehr zu kontrollieren und Bußgelder zu verhängen, damit die Autofahrer und Autofahrerinnen das Tempolimit von 30 km/h wieder einhalten".
Dass die Polizei damit Mehrarbeit hat, ist für die Eltern keine nachhaltige Lösung. “Dafür, dass von der Stadt groß angekündigt wurde, dass Kinder priorisiert werden, ist das enttäuschend”, findet Anna H. “Ich finde außerdem auch nicht, dass Kinder da eine Lösung anbieten müssen, sondern die Stadt.”
Die AZ hat noch einmal bei den zuständigen städtischen Referaten (deren drei an der Zahl) nachgefragt, wie sie die Situation vor Ort einschätzen. Ein Einblick in das Denken der Münchner Verwaltung, das Bände spricht.
Das Baureferat sagt, dass die Bremsschwellen auch für Rettungsfahrzeuge und Schneepflüge ein Hindernis darstellen. Das gelte für die Varianten aus Kunststoff, die "zumeist mit rund 5 cm Höhe und kurzer Überfahrtslänge quer zur Fahrbahn auf den Asphalt aufgedübelt werden".
Bremsschwellen: In München setzte man auf Asphalt und Pflastermaterial
In München beliebter waren zumindest zeitweise Bremsschwellen aus "Asphalt oder Pflastermaterial", denn: "Die Aufpflasterungen besitzen beidseits eine Anrampung und eine gewisse Überfahrtslänge, wodurch die Erschütterungen für die Verkehrsteilnehmer*innen deutlich reduziert werden".
Diese seien leichter zu befahren für die Verkehrsteilnehmer. Aber auch die seien beeinträchtigend, weswegen die Stadt "bereits vorhandene Aufpflasterungen" bei anstehenden Fahrbahnsanierungen zurück baut, wenn die jeweils betroffenen Bezirksausschüsse zustimmen.
Mobilitätsreferat: Kinder sind nicht alleine unterwegs
Das ebenfalls involvierte Mobilitätsreferat sieht wiederum andere Gründe, warum an der Stelle vor dem Kindergarten nichts getan werden muss. Die Straße sei im stadtweiten Vergleich wenig befahren. Und die Kinder seien "nicht allein im Straßenverkehr unterwegs, sondern werden stets von Erwachsenen auf dem Weg von und zur Kindertageseinrichtung begleitet".
Weder Polizei noch Straßenverkehrsbehörde lägen Erkenntnisse vor, dass die Verkehrssicherheit dort eingeschränkt sei. Deswegen gebe es keine rechtliche Grundlage für Maßnahmen.
Und schließlich noch das Kreisverwaltungsreferat (KVR): In der Pestalozzistraße werden laut KVR "schwerpunktmäßig" Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt. In den kommenden "zwei bis drei Wochen" werde die kommunale Verkehrsüberwachung die Straße noch einmal "verstärkt in die Einsatzplanung aufnehmen". Baulich soll also aus Sicht der Stadt nichts passieren, da sind sich alle drei beteiligten Referate einig. Dafür gibt es mehr Geschwindigkeitskontrollen.
Und immerhin das: auf erneute Bitte der Elternbeiratsvorsitzenden Bärbel B. von Mitte Juli hat sich das Mobilitätsreferat zu einer Ortsbegehung bereit erklärt. Vielleicht ist das ein erster Schritt in die richtige Richtung für die Kindergartenkinder und ihre Eltern. “Ich glaube, die Situation vor Ort ist der Verwaltung nicht bewusst", sagt Anna H. "Und Herr Reiter ist jetzt auch nicht gerade für Bürgernähe bekannt.”
Elternbeirat erzielt Durchbruch nach Treffen mit Bezirksausschuss, Baureferat und Polizei
Am 7. August war es soweit: Ein Teil des Elternbeirats und Vertreter des Bezirksausschusses, des Baureferats und der Polizei trafen sich zu einem Begehungstermin, um die Situation vor Ort zu erfassen. Auch erste Ergebnisse konnten die Beteiligten danach präsentieren. So wird der Bezirksausschuss beim Baureferat einen oder zwei Fahrradanlehnbügel und ein Dialog-Display, welches gefahrene Geschwindigkeit der Autofahrer spiegelt, beantragen.
Das Mobilitätsreferat versprache, das Straßenschild "Kinder" auf die rechte Fahrbahnseite zu verschieben, wo es besser sichtbar ist. Der Elternbeirat lobte anschließend die Zusammenarbeit mit den Behörden: "Alle Beteiligten waren bei dem Termin sehr konstruktiv und sich einig, dass der Parkplatz fallen muss."