Kinderarmut: Fast jedes fünfte Kind in München davon betroffen

18 Prozent der Jungen und Mädchen in München sind abhängig von staatlichen Geldern. Die Zahlen sind innerhalb eines Jahres um acht Prozent gestiegen. Was kann die Stadt jetzt tun?
von  Christina Hertel
Immer mehr Kinder in München sind von Armut bedroht.
Immer mehr Kinder in München sind von Armut bedroht. © dpa

München - Wenn sich in München ein Kind krank meldet und dann beim Schulausflug fehlt, sind nicht wirklich immer Viren und Bakterien Schuld. Sondern oft auch das Geld. Das weiß Karin Majewski, die Chefin des Paritätischen in Oberbayern, das ist ein Verband, bei dem sich zahlreiche soziale Träger zusammengeschlossen haben. "Kinder melden sich vom Ausflug ab, weil die Eltern nicht wissen, wie sie ihn bezahlen sollen", sagt sie. Majewski bekommt schon länger mit, was nun auch die Zahlen beweisen: Die Kinderarmut im scheinbar so reichen München ist gestiegen.

18,4 Prozent aller Kinder- und Jugendlichen in München sind von Armut bedroht. So geht es aus einer Mittelung der Linken hervor. Die Zahlen hatte die Partei vom Sozialreferat erfragt. Und es könnten noch deutlich mehr Kinder betroffen sein. Denn hineingerechnet sind nur all jene Familien, die staatliche Leistungen wie Bürgergeld beziehen.

Kinderarmut in München: Die Zahlen seit 2021 um 6,2 Prozent gestiegen

Verglichen mit 2021 sind die Zahlen der Kinder, die von Armut betroffen sind, um 6,2 Prozent gestiegen. 2021 waren 42.794 Kinder in München arm, 2022 waren es 45.456. Das hat vor allem damit zu tun, dass mehr Geflüchtete in München leben. Die Zahl der Kinder, die Gelder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, ist um 22 Prozent angestiegen: 1.170 Kinder sind von diesen Geldern abhängig. Und es gibt auch 17 Prozent mehr Alleinerziehende, die Bürgergeld beziehen. Insgesamt geht es da um 7.666 Kinder.

"Wir reden hier nicht nur über Zahlen, wir reden über Menschen, die ausgegrenzt werden und Tag für Tag ums Überleben kämpfen", schreibt Die Linke in ihrer Mitteilung. "Denn Armut heißt gerade in Kombination mit der aktuellen Inflation, am Ende des Monats kein Essen mehr zu haben, die Heizung nicht anstellen zu können und von sozialer Teilhabe wie Freizeitaktivitäten ausgeschlossen zu sein."

Die Linke fordert einen "Masterplan" der Stadt München

Der Fraktionschef der Linken Stefan Jagel fordert deshalb einen wirksamen kommunalen Masterplan, um die Kinder- und Jugendarmut in München zu reduzieren. Allerdings ist bislang noch unklar, ob die Stadt dafür Geld ausgeben möchte.

Die Linke wollte mit ihrer Anfrage auch erfahren, was die Stadt gegen die steigende Kinderarmut tun will. In seiner Antwort verweist das Sozialreferat darauf, dass man erst heuer die Einkommensgrenzen so angepasst habe, dass mehr Menschen Anspruch auf Hilfsleistungen der Stadt haben. Welche Maßnahmen für das Jahr 2024 noch finanziert werden können, sei noch nicht absehbar, heißt es weiter.

"Jedes arme Kind ist eines zu viel. Die Steigerung kommt vor allem deshalb zustande, weil viele Kinder aus der Ukraine jetzt in München leben und Bürgergeld erhalten", sagt SPD-Fraktionschefin Anne Hübner und verweist dann auf das bestehende Angebot. Die Stadt habe "vielfältige freiwillige Leistungen" wie Ferien- und Familienpass, kostenfreie Kitas, umfangreiche Hilfen im Bereich Schule und Beruf sowie mehr als 50 Jugend- und Freizeitstätten.

Auch Karin Majewski hat mitbekommen, dass die Stadt das Geld nicht mehr so vollen Händen ausgeben kann. Sie lobt zwar die Sozialpolitiker- und Sozialpolitikerinnen im Rathaus. Aber sie schildert auch: Der Bedarf nach Hilfe steigt, da müsste das Angebot eigentlich ausgebaut und nicht nur beibehalten werden.

Ein Wohlfahrtsverband fordert kostenloses Mittagessen

Über das Rathaus schimpft Majewski trotzdem nicht. Sie würde sich vor allem mehr Unterstützung aus Berlin wünschen. Das Bürgergeld, wie Hartz IV seit einer Weile heißt, reicht aus ihrer Sicht lange nicht. Majewski rechnet vor: Ein Erwachsener bekommt 502 Euro, das Kind bis fünf Jahre 318 Euro. Macht 818 Euro für eine alleinerziehende Person für sich und ihr Kind. "Damit kommt man in München nicht über die Runden", sagt Majewski. "Doch die Stadt kann da nichts machen."

Helfen könne die Stadt nur, indem sie für Kinder und Jugendliche möglichst viele Angebote schafft, die sie nutzen können, ohne etwas dafür zu bezahlen, glaubt Majewski. "Die kostenlosen Freizeitstätten sind toll", sagt sie.

Eine weitere Idee hat Majewski aber doch: ein kostenloses, gesundes Mittagessen für jedes Kind – in der Krippe, aber auch in der Schule. "Durch die Inflation sind die Lebensmittelpreise so gestiegen", sagt sie. Immer längere Schlangen vor den Tafeln seien die Folge.

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