Kinder-Spielstadt Mini-München: Eine Stadt im Kleinformat

München - Diese Hochzeit hat alles, was dazu gehört: Traurede, Hochzeitsgäste, Ringübergabe, Ehevertrag, Schleier – und am Ende zwar keinen Kuss, aber einen Handschlag.
Aber das Paar ist ja auch noch ziemlich jung. Schließlich findet die Trauzeremonie zwar im echten Erwachsenen-Rathaus statt, aber eben doch im Rahmen von Mini-München.
Bei der Spielstadt, die alle zwei Jahre stattfindet, bestimmen die Kinder, wie die Dinge zu laufen haben.

Und so kommt es auch, dass mit Sven Grawert (11) und Mariella Wlasak (14) beim AZ-Besuch am Donnerstag zwei Menschen getraut werden – als Stellvertreter für die Bank und das Rathaus von Mini-München. Bei der Spielstadt heiraten nämlich gleich ganze Institutionen! In diesem Fall alle Rathaus-Mitarbeiter alle Bankmitarbeiter.
Klingt seltsam? Vielleicht, aber es ist eine Regel, die sich die Kinder selbst ausgedacht haben.
Lernen der Kinder wieder näher an ihre Alltagswelt bringen
Und das sollen sie bei Mini-München auch, erklärt Gerd Grüneisl, einer der Kernmitarbeiter des Organisationsteams der Spielstadt. "Das Ziel ist, das Lernen der Kinder wieder näher an ihre Alltagswelt zu bringen – nicht hinter geschlossenen Türen." In der Schule spiele das absolut keine Rolle, so der 78-Jährige. Bei Mini-München können die Kinder selbst über ihre Lerninhalte bestimmen, so der Vorstand des Vereins Kultur & Spielraum.
Das Prinzip Spielstadt bedeutet: In Mini-München gibt es alles, was es auch in der Erwachsenenwelt gibt: Politiker, Journalisten, eine Stadtverwaltung, Banken, Gastronomie. Noch diese Woche gibt es das Angebot, durchgehend in Fröttmaning und einmal pro Woche auch im Rathaus.

Grüneisl ist seit dem ersten Mini-München dabei. Die Altersspanne der teilnehmenden Kinder ist mit sieben bis 15 Jahren recht groß. So könnten sie voneinander lernen und sich gegenseitig helfen. "Wenn 2.000 Kinder oder mehr, die auf dem Platz rumwuseln, in ganz bestimmten Verhältnissen aufeinandertreffen, entstehen ganz neue Beziehungen", so Grüneisl. "Das ist das Spannende!"
In Mini-München wird soziales Verhalten gelernt
Soziales Verhalten würde in der Spielstadt überall gelernt, so der Organisator: bei der Bürgerversammlung, im Stadtrat, bei der Zeitung, dem Fernsehen. "Überall geht es ums Verhandeln und Aushandeln." Die Kinder fühlten sich dann oft wie Erwachsene, sagt Grüneisl. Das sei dann schon manchmal lustig, wenn der Stadtrat aus Mini-München sich zum Beispiel als Kollege des echten Stadtrats sieht.
Das konnte man dann am Donnerstag auch erleben beim Politikgespräch – einem Austausch zwischen Mini-München und dem realen München. Diesmal darf Mini-Münchens Oberbürgermeisterin Julia Grünewald (14), Bürgermeister Johann Kruis (15) mit Mini-München-Stadträten den Stadtschulrat Florian Kraus (Grüne) interviewen.

Sie wollen etwa wissen, weshalb die Toiletten in den Schulen immer so dreckig sind oder wie er die Digitalisierung an den Schulen unterstützt. Natürlich sind auch persönliche Fragen dabei: "Sind Sie gerne zur Schule gegangen?" ("Ab der 5. Klasse, ja") "Welche Fächer mochten Sie gerne?" ("Mathe und Chemie").
Mini-München gefällt dem Stadtschulrat übrigens sehr gut. Und er scheint auch schon etwas mitgenommen zu haben: Auf die Frage, was sich in Münchens Schulen ändern müsse, sagt er: "Die Notenfixierung müsse nachlassen, die Schüler müssen mehr selbst entscheiden können, was sie lernen möchten. Dann macht es auch mehr Spaß."
Das klingt doch sehr nach den Zielen, die auch Grüneisl mit Mini-München erreichen will. Stadtschulrat Kraus schränkt aber gleich ein: "Das können wir nicht entscheiden."
Es gibt Bürgermeister und Mini-München-Reporter
Dass die Kinder und Jugendlichen mit Spaß, Freude und Energie bei der Sache sind, wenn sie selbst bestimmen können und Verantwortung übernehmen dürfen, wird sofort deutlich, wenn man sie in Mini-München sieht und spricht.
Da ist zum Beispiel Diego Vermehr (14), dem gefällt, dass er alle Berufe ausüben kann, die er möchte und sich ins Erwachsenenleben einfühlen kann. Am Tag des AZ-Besuchs berichtet er als Reporter für die Zeitung Mini-Münchens neben dem Reporter der Abendzeitung vom Politikgespräch mit dem Stadtschulrat.
Oder die 14-jährige Oberbürgermeisterin Julia Grünewald, die, nachdem Vorschläge zur Frauenquote bei einem anderen Job in der Spielstadt nicht umgesetzt wurden, selbst in der Politik aktiv werden wollte. Sie sei großer Fan von Mini-München, erzählt Julia, "man kann sich ausleben, ausprobieren."

Auch die Jüngeren sind begeistert: Der elfjährige Leonard Kreutzer findet Mini-München sehr toll. "Die Mitarbeiter sind immer freundlich und helfen einem", erzählt der Bub. Außerdem gefallen ihm die vielen Arbeitsplätze, die es in Mini-München gibt. Zur Zeit arbeitet er bei der Bank. Seine Aufgaben: Neue Bankkonten eröffnen, Geld abheben.
Fast wie bei den Erwachsenen also, nur, dass die bei Mini-München eben nichts zu sagen haben.