Kellnern im Hippodrom: „Ein Regime der Angst“

MÜNCHEN - Michael Soller arbeitete als Kellner im Hippodrom und erzählt, wie hart es ist, unter Sepp Krätz zu arbeiten. Man geht jedes Jahr mit einer gewissen Angst ans Arbeiten“
Ob er heuer im Hippodrom kellnern sollte, das hat sich Michael Soller lange überlegt. „Man geht jedes Jahr mit einer gewissen Angst ans Arbeiten“, sagt der Münchner Sport- und Fitnesslehrer. Die erste Mutprobe, der Kellner sich stellen müssen, ist Krätz’s Ansprache vor dem Anstichsamstag. „Da wird die Speisekarte bei den Neuen abgefragt.“ Wer nicht weiß, welche Radisorten auf der Biergartenplatte sind, den schreit Krätz „als Trottel oder Depp oder völlig talentfrei“ an, sagt Soller. Einige schmeißen dann schon das Handtuch. „Wenn ein Lehrer seine Schüler so vorführen würde wie Krätz sein Personal, würde er keinen Job mehr bekommen“, sagt Soller. „Es ist die reine Willkür. Er hat im Zelt ein Regime der Angst aufgebaut.“
Der Druck sei groß. „Und das bei einem 15-Stunden-Tag.“ Drei Mal am Tag ist ein Tisch reserviert. Oft bleibt den Kellnern nur eine halbe Stunde, um die Betrunkenen vor die Tür zu bringen und neu einzudecken. Pausen seien schwer – nicht nur wegen des engen Reservierungsplans. „Krätz läuft ums Zelt und wenn er jemanden beim Rauchen oder frische Luft schnappen erwischt, schmeißt er ihn raus“, sagt Soller. „Und wenn ich mich an die Zeltwand lehne, habe ich auch ein Problem.“ Auch im Zelt ist es schwer, kurz zu verschnaufen. „Der Personalraum ist ein Witz“, sagt Soller. In das Kammerl passt grad mal eine Biertischgarnitur. „Und wir sind über 170Kellner, die da Pause machen sollen“, sagt Soller.
Für ihn ist klar, dass er nächstes Jahr nicht bei Krätz arbeiten will. „Er erniedrigt Menschen. Das geht gegen das Grundgesetz.“